„Sachbeschädigungen beim Privateigentum zu beheben ist keine Aufgabe der öffentlichen Hand“

Rede von Stadtrat Timothy Simms zu TOP 8 der Gemeinderatssitzung von 12.12.17: Legale und Illegale Graffiti

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

Keine Frage: Wer unerlaubt Gebäude bemalt, begeht eine Sachbeschädigung.
Keine Frage: Schmierereien an Gebäuden sind meist keine Zier.
Die Frage ist aber: Wie ist die Stadt hier gefordert und wie kann und sollte die Stadt hier handeln.

Stadtrat Timothy Simms
Stadtrat Timothy Simms (Bild: Britt Schilling)

Am 1.8. hat das Regierungspräsidium den aktuellen Doppelhaushalt der Stadt genehmigt. Das RP betont in seinem Bemerkungen zum Ergebnishaushalt, dass „eigentlich Aufgabenkritik im Vordergrund stehen sollte“. „Bei der Analyse der einzelnen Ausgabepositionen“ – so das Regierungspräsidium weiter – „ist es daher kritisch zu sehen, dass stattdessen eine Reihe zusätzlicher freiwilliger Leistungen beschlossen wurde.“ dass der aktuelle Finanzbericht positiv ausfällt – noch immer brummt die Konjunktur, Projekte mussten verschoben werden, Stellen konnten nicht besetzt werden – ändert an diesen strukturellen Problemen nichts. Es werden auch wieder Zeiten kommen, wo die Konjunktur nicht brummt, alle Stellen besetzt werden können und Projekte sich nicht von selbst verschieben. Und dann bleiben strukturelle Mehrbelastungen im Haushalt bestehen.

Wenige Monate später liegt nun eine Drucksache vor – initiiert ausgerechnet von der Fraktion, die ja im Hinblick auf den Haushalt keinerlei Antrage stellte mit Verweis auf die Haushaltslage. Der Vorschlag lautet, zusätzliche freiwillige Leistungen zu erbringen und insgesamt 360.000 Euro jährlich mehr auszugeben. Das ist so in etwa, das was unser städtischer Haushalt z.B. für die Jugendarbeit im Sportbereich vorsieht. Und fast doppelt so viel wie die jährliche Mehrbelastung durch die erfolgreichen Fraktionsanträge der letzten Haushaltsberatungen im Kulturbereich – die übrigens von jener Fraktion natürlich allesamt aus Gründen der Haushaltsdisziplin abgelehnt wurden.

Erlauben sie mir aber nun der Anregung des Regierungspräsidiums zu folgen, und Aufgabenkritik bezüglich dessen, was hier nun beschlossen werden soll, zu betreiben. Es sind zwei Fragen, die wir beantworten müssen: Gibt es überhaupt einen dringenden Handlungsbedarf? Und: Gibt es eine besondere Verantwortung der öffentlichen Hand, Geld in die Hand zu nehmen?

Gibt es dringenden Handlungsbedarf? Nun, als gelegentlicher Besucher anderer Städte in diesem Bundesland habe ich nicht den Eindruck, als sei Freiburg besonders von Schmierereien betroffen. Im Gegenteil: Freiburg ist verglichen eine saubere Stadt. Aber ziehen wir doch mal die Statistik zu Rate. Im Urban Audit 2016 wurden verschiedene Städte verglichen. Freiburg erreicht seit Jahren Spitzenwerte, was Sauberkeit in der Stadt anbelangt und liegt teils deutlich vor anderen Baden-Württembergischen Städten wie Karlsruhe, Stuttgart und Mannheim. Gleiches gilt für die Zufriedenheit mit dem Zustand von Strassen und Gebäuden. So viel zur – statistisch repräsentativen – Meinung der Freiburger Bürger*innen zur Sauberkeit in ihrer Stadt. Und Auswärtige? Für das Innenstadtbarometer wurden über 600 Kunden befragt. Das Erscheinungsbild der Innenstadt bekommt die Note 2 – deutlich besser als in Vergleichsstudien anderer Städte. Ein dringender Handlungsbedarf ist nicht zu erkennen.

Nun wird ja als wesentliche Begründung auch die Broken-Windows-Theorie herangezogen. Die wissenschaftliche Kontroverse, ob diese überhaupt ein halbwegs solides Fundament in der Wirklichkeit findet, mal beiseite gelassen: Wenn es einem darum geht etwas gegen die von der Broken-Windows-Theorie beschriebene Abwertung von Stadtvierteln tun, dann muss man Schwerpunkte setzen. Dann sollte man die Anti-Graffiti-Maßnahmen aber konzentrieren auf die Stadtteile, die davon betroffen sein könnten. Dazu findet sich aber nichts in der Drucksache.

Kommen wir zu Punkt 2: Gibt es eine besondere Verantwortung der Öffentlichen Hand?

Für eigene Gebäude ist das unstrittig. Und es gibt dafür ja Mittel für Instandhaltung und Sanierung im Haushalt – wie auch für andere Instandhaltung. Welche Maßnahmen davon nun besonders wichtig und eilig sind, diese Priorisierung traue ich dem Gebäudemanagement, dem GuT und anderen beteiligten Ämtern zu. Warum man ausgerechnet für Graffitientfernung einen eigenen Haushaltsansatz braucht, erschliesst sich uns nicht. Es gibt ja auch keinen Ansatz für zerbrochene Fenster, verbogene Mülleimer oder abgelaufene Fussbodenbeläge.

Wie sieht es aber aus mit Privatgebäuden? Ist es Aufgabe der Öffentlichkeit für Beschädigung von Privateigentum aufzukommen? Wohl kaum. Oder übernimmt jetzt demnächst der Staat die Kosten, wenn der Lack an meinem Auto zerkratzt wird? Aus gutem Grunde nicht. Wer Eigentum besitzt – und viele gerade in unserer Stadt wären froh, wenn Sie z.B. ein eigenes Haus besitzen würden – der hat sein Eigentum selbst in Schuss zu halten. Er kann sich im übrigen auch entsprechend versichern – so wie man sich auch gegen andere Risiken versichert und dafür nicht den Staat bemüht.

Ich komme zum Fazit: Unterm Strich ist hier in Freiburg – verglichen mit anderen Städten – kein besonderer Handlungsdruck erkennbar. Eine sicherheitspolitische Begründung mit der sog. Broken-Windows-Theorie ist nicht nur fraglich – die vorgeschlagenen Maßnahmen passen auch garnicht zu dieser Begründung, denn sie sind ja nicht ortsspezifisch. Beschädigungen eigener Gebäude können auch jetzt schon – im Rahmen der Pauschalen zum Gebäudeunterhalt – behoben werden, dazu benötigt man ebensowenig einen Sondertopf wie für beschädigte Bodenbeläge. Sachbeschädigungen beim Privateigentum zu beheben ist keine Aufgabe der öffentlichen Hand. Mit anderen Worten: Hier wird eine freiwillige Leistung, die den Haushalt Jahr für Jahr belasten wird, vorgeschlagen, die von fragwürdigem Nutzen ist, die ein Problem bearbeitet, das offenbar kein allzu großes ist und aufgrund der zweifelhaften Wirksamkeit im wesentlichen reine Symbolpolitik ist, mit dem manche hier wohl das ein Law and Order-Profil ihrer politischen Gruppierung bedienen wollen.

Im übrigen: Solide Finanzen jetzt! So war jüngst in Anzeigen einer anderen Ratsfraktion zu lesen. Das sehen wir auch so. Wir lehnen diese Drucksache daher ab.