Passage 46: Vertrauensverlust bleibt 15. November 201622. September 2020 Im Theater werden Lohnkostensteigerungen vom städtischen Haushalt übernommen. Bei freien Einrichtungen nicht. Rede von Stadtrat Timothy Simms zu TOP 3 der Gemeinderatssitzung vom 15.11.2016, G-16/260, Eigenbetrieb Theater, Jahresabschluss zu, 31. August 2015 mit Lagebericht sowie Bericht des Rechnungspfüfungsamtes Sehr geehrter Oberbürgermeister Dr. Salomon, sehr geehrter Bürgermeister von Kirchbach, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, Man kann die Geschichte der Passage so erzählen: Da ist ein – vielleicht aufgrund seiner Stellenreduktion – überforderter kaufmännischer Direktor, der uns einen riesigen Schlammassel eingebrockt hat. Der ist nicht mehr da, alles ist aufgearbeitet und das Theater ist mit einem „hellbauen Auge“ davon gekommen. Ein schöne Geschichte, weil sie ja klar zeigt, wer denn nun an der Misere schuld ist. Stadtrat Timothy Simms (Bild: Britt Schilling) Aber wir leben in einem geordneten Gemeinwesen mit Regeln. Selbst wenn man die Geschichte, die uns aufgetischt wird, glaubt: Wir haben Satzungen und eine Gemeindeordnung. Und die sind nun mal nicht Papier, sondern elementarer Bestandteil dessen was Niklas Luhmann Legitimation durch Verfahren nennt. Dazu gehört, dass wichtige Entscheidungen nicht durch den Kaufmännischen Direktor alleine getroffen werden, sondern auch durch die Intendantin. Deshalb tragen ja auch die Verträge nicht nur die Unterschrift von Herrn Engert, sondern auch von Frau Mundel. Dazu gehört aber auch, dass der Betriebsausschuss – also der Theaterausschuss – und der Oberbürgermeister informiert wird. Dazu gehört, dass Vergabeverfahren ordnungsgemäss ablaufen und dass diese ordentlich dokumentiert werden – so dass für Dritte nachvollziehbar ist, warum Herr Springmann den Zuschlag erhielt und wer diese Entwscheidung wann getroffen hat. Dazu gehört auch, dass ein Dezernat, wenn es im Grundsatz über Finanzierungsprobleme informiert ist, nachfragt und sicherstellt, dass die Kämmerei informiert wird und haushaltsrechtlich konforme Lösungen gefunden werden. Der Bericht des Rechnungsprüfungsamtes zeigt deutlich, in welchem Umfang hier Kontrollmechanismen versagt haben, gegen Grundsätze, Satzungen und die Gemeindeordnung verstossen wurde und neben diesem schwerwiegenden politischen Schaden eben auch ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Ein Beispiel: Da wurden Einrichtungsgegenstände aus einer Pachtvorauszahlung finanziert. Diese Pachtvorauszahlung finanzierte der Pächter durch einen Kredit. Für diesen Kredit bürgte das Theater. Es ist schon seltsam, dass der Pächter das wirtschaftliche Risiko seines Unternehmens derart auf das Theater umwälzt. Vollkommen unverständlich aber, dass das Theater sich auch noch bereiterklärt hat die Zinsen dieses Kredits zu übernommen. Man fragt sich: Warum hat das Theater dann nicht selbst einen Kredit aufgenommen? Wenn es sowohl das Risiko als auch die laufenden Kosten für diese Geldbeschaffung übernommen hat? Mal davon abgesehen, dass das kein sinnvolles Geschäft ist: Damit hat der Eigenbetrieb und in persona die damalige Geschäftsführung, also Herr Engert und Frau Mundel gegen Mitwirkungsrechte des Gemeinderats und auch des Regierungspräsidiums als Aufsichtsbehörde verstossen. Nicht umsonst spricht man vom Haushaltsrecht als Königrechts jedes Parlaments. Ein Umgehen des Gemeinderats wie sie hier stattgefunden hat ist nicht nur eine Schlamperei: Es ist ein Angriff auf ein zentrales Recht des Gemeinderats. Nicht nur für diesen Aspekt des Komplexes Theaterpassage gilt: Das Vorgehen des Eigenbetriebs ist dreist gewesen und es ist mir ein Rätsel, wie dies den Verantwortlichen im zuständigen Dezernat so lange verborgen sein konnte. Das Rechnungsprüfungsamt schreibt: „Das Dezernat II war zwar im Grundsatz, jedoch nicht über Lösungsmöglichkeiten und deren Ausgestaltung unterrichtet?“ Ich frage mich: Ja warum fragt dann das Dezernat nicht nach? Warum hat man nicht sofort die Kämmerei miteinbezogen? Man sagt ja zu recht, dass der entscheidende Punkt an Skandalen ist, wie die Entscheidungsträger und die Verantwortlichen mit diesen Umgehen. Wird verharmlost? Wird vertuscht? Wird transparent aufgeklärt und werden Fehler unmißverständlich eingeräumt oder werden diese kleingeredet und relativiert, weil man nach vorne schauen müsse. Von einer transparenten Aufarbeitung kann man nicht sprechen. Als im Juli 2015 die ersten Fragen zur Passage auftauchten, wurde in Folge eben nicht sofort seitens Theater und zuständigem Dezernat umfassend über die Verstösse berichtet, die mit der Passage einhergehen. Leider verbietet es die Nichtöffentlichkeit der entsprechenden Tagesordnungspunkte im Theaterausschuss hier näher darauf einzugehen. Jedenfalls: Dem Gemeinderat liegt auch heute nur ein Bericht des Rechnungsprüfungsamtes vor, aber keine umfassende Darstellung. Eine Pressemitteilung der Stadt, die auch das Thema umfassend darstellt und auf die Verstösse gegen Gemeindeordnung, Satzung des Eigenbetriebs und Hauptsatzung eingeht, eigene Fehler klar eingesteht und daraus Folgerungen für das künftige Verwaltungshandeln ableitet, fehlt. Eine Darstellung in der heutigen Drucksache selbst fehlt. Eine Anmerkung des Theaters zum Prüfbericht zu diesen Punkten fehlt. Aufklärungswille sieht anders aus. Stattdessen – so z.B. der Bericht in der Badischen Zeitung vom Samstag – entschuldigt man sich damit, dass man die Passage nur als Annex gesehen habe oder – wie Frau Mundel – dass es ja auch ein Skandal gewesen sei, wenn man am Ende nur ein halbfertige Bar gehabt hätte. Stattdessen verweist man auf Bauen im Altbau. Das erklärt, dass man nicht genügend Geld hatte. Das erklärt aber nicht, dass man sich dieses am Gemeinderat vorbei organisiert. Das erklärt auch nicht, wie man derart dilettantische Verträge abschliesst und ein derart schlecht dokumentiertes Vergabeverfahren durchführt, aus dem ein fragwürdiger Pächter hervorging. Das sind doch eher Nebelkerzen, um von der eigenen Verantwortung abzulenken. Eine Gruppe von Gemeinderäten hat Akteneinsicht beantragt. Ich persönlich hätte nicht gedacht, dass hierzulande Verfahren so schlecht dokumentiert werden und Akten derart unvollständig geführt werden. Der ganze Vorgang Passage hat mein Vertrauen erschüttert. Mein Vertrauen in die Teile der Verwaltung, die dafür Sorge hätten tragen müssen, dass die demokratischen Mitwirkungsrechte von Gemeinderat und Theaterausschuss gewahrt werden. Mein Vertrauen in den Eigenbetrieb Stadttheater, was solides Wirtschaften, faire Vergabeverfahren und Verantwortung gegenüber den Bürgern dieser Stadt als Finanzier der künstlerischen Arbeit und uns Gemeinderäten als deren gewählten Vertretern anbelangt. Mein Vertrauen, dass Verantwortung für Fehler übernommen und diese auch ehrlich eingestanden werden. Vertrauen ist aber auch gewachsen: Ich bin dem Rechnungsprüfungsamt dankbar für einen detaillierten Bericht, der klar benennt, wie verantwortungslos hier agiert wurde. Dem Rechtsamt, das die verfahrene Vertragslage gelöst hat, und insbesondere Frau Beecken, die als neue kaufmännische Direktorin in Freiburg sicherlich ein anderer Start zu wünschen war und die viel Aufräumarbeit zu leisten hatte. Alle haben sie dafür gesorgt, dass wir vielleicht finanziell mit einem blauen Auge davon gekommen sind. Einem dunkelblauen wohlgemerkt: Denn angesichts der finanziellen Situation des Theaters und beständig unter der Zielvereinbarung liegenden Zuschauerzahlen ist es dreist den finanziellen Schaden für die Stadt als hellblau kleinzureden – insbesondere, wenn man die ganze Mehrarbeit in Rechnungsprüfungsamt und Rechtsamt berücksichtigt, die nötig war, um weitere Verluste zu begrenzen. Schlimmer aber als der finanzielle Schaden ist der Vertrauensverlust und der politische Schaden. Beides bleibt.
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