GRÜNE lehnen Regionalplan wegen ökologischer Schieflage geschlossen ab

Pressemitteilung von B90/Grüne vom 12.12.2016

Bürgermeisterfraktion gibt Kirchturmsinteressen Vorrang vor regionalem Gesamtinteresse

Grüner Fraktionsvorsitzender legt Amt und Mandat nieder

Trotz engagierter und fachlich kompetenter Grundlagenarbeit der Verbandsverwaltung unter Führung ihres Direktors Dr. Dieter Karlin hat die grüne Regionalverbandsfraktion den Satzungsbeschluss zur Regionalplanfortschreibung am 8.12.16 in Offenburg einstimmig abgelehnt.

Dieses Nein war weniger ein Nein zum Regionalplan an sich, als ein Nein zur Art und Weise, wie in letzter Zeit in den politischen Gremien des Regionalverbands Entscheidungen getroffen werden – vor allem von der dort dominierenden Bürgermeisterriege verschiedenster politischer Couleur. Von 30 Mitgliedern des Planungsausschusses sind 20 amtierende oder ehemalige Bürgermeister: von elf CDU-Mitgliedern gehören zehn dieser Gruppe an (plus ein Ortsvorsteher), alle sechs der Freien Wähler,  drei von sechs der SPD, einer von fünf der GRÜNEN.

Schon bei der grundlegenden Weichenstellung im Rahmen des Regionalplankapitels zur Rohstoffsicherung wurde mit der Mehrheit dieser Berufsgruppe bei der Berechnung des künftigen Kiesbedarfs und den daraus abgeleiteten konkreten Abbauflächen den Interessen der Kieslobby völlig einseitig Rechnung getragen.  Einerseits durch einen von 30 auf 40 Jahre verlängerten Planungszeitraum samt überhöhten jährlichen Bedarfsprognosen, andererseits durch die Vernachlässigung bzw. Nichtberücksichtigung üppig vorhandener stiller Kiesreserven. Bei hochgerechneten Umsätzen der Kiesfirmen von 5 Mrd. Euro während des vierzigjährigen Planungszeitraums und mehreren Hundert Millionen Pachteinnahmen für die Flächeneigentümer, v.a. auch Kommunen, wird das wirtschaftliche Interesse der Akteure deutlich.

In der Konsequenz wurde eine erheblich überzogene Erweiterung bestehender Kiesgruben sowie eine unnötig hohe Anzahl zusätzlicher Neuaufschlüsse ermöglicht – zulasten der Landwirtschaft, auf Kosten wertvoller Freiräume für Natur- und Artenschutz oder den klimatischen Ausgleich und mit Gefährdung des Grundwassers durch die Freilegung der schützenden Deckschichten, nicht nur im Hochwasserfalle. Ganz abgesehen von einer weiteren Durchlöcherung der Landschaft entlang des Rheins mit immer mehr Baggerseen.

Auch in zahlreichen Einzelfällen wie bei der flächenhaften Abgrenzung von Grünzügen, Grünzäsuren oder Vorrangbereichen für Naturschutz und Landschaftspflege hatte die Bürgermeisterfraktion in einem wahren Kreuzzug gegen ökologisch bedeutsame Grünzüge den dringend nötigen Freiraumschutz kräftig zurückgestutzt. Entgegen fachlich und planungsrechtlich eindeutigen Stellungnahmen der Verbandsverwaltung – aber zugunsten lokalpolitischer Expansionsbestrebungen mit oft nur nebulösen Entwicklungsvorstellungen der Gemeinden. Dafür genügten der Amtsträgermehrheit anstelle plausibel dargestellter Begründungen oft schon Aussagen wie „Die Gemeinde will das so“.

Wichtige überörtliche, d.h. regionalplanerisch relevante Aspekte wie die weitere Zersiedelung der Landschaft, der anhaltende Flächenverbrauch, die Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Nutzflächen, Verluste ökologisch bedeutsamer Flächen für Natur- und Artenschutz, den Biotop- und Freiraumverbund, für Klima-, Wasserschutz und die Siedlungsgliederung wurden demgegenüber vernachlässigt.

Diese mit dem Wort des Jahres 2016 „postfaktisch“ gut zu beschreibenden Tendenzen in den Gremien des RVSO haben den Entschluss des langjährigen grünen Fraktionsvorsitzenden und Freiburger Stadtrats Eckart Friebis bestärkt, sein Amt 2017 niederzulegen und aus der Verbandsversammlung auszuscheiden – nach dann über 32 Jahren Tätigkeit als Regionalrat, davon 27 Jahre als Fraktionschef.

Neben dem Bedauern, dass die RegionalrätInnen in ihrer Mehrheit leider vielfach lokalen Partialinteressen Vorrang vor dem übergeordneten regionalen Gesamtinteresse gegeben haben, zählt Friebis darauf, dass das Wirtschaftsministerium als genehmigende Landesbehörde die zur Satzung beschlossene Regionalplanfortschreibung nochmals intensiv prüft und zumindest die gröbsten Verstöße gegen grundlegende Prinzipien der Raumordnung, Landes- und Regionalplanung von einer Genehmigung ausnimmt.

Rede von Eckart Friebis zur Gesamtfortschreibung als PDF