„LEA Freiburg kann ein Modell für eine humanere Flüchtlingsaufnahme und -unterbringung werden“

Stadträtin Brigit Woelki (Bild: Britt Schilling)

Rede von Stadträtin Birgit Woelki zu TOP 6 der Gemeinderatssitzung am 09.12.2014 zum Thema: „Flüchtlingssituation in Freiburg: Unterbringungskapazitäten für Flüchtlingshaushalte sowie Planungen des Landes zur Einrichtung einer Landeserstaufnahmestelle“

Herr Oberbürgermeister,

Herr Bürgermeister von Kirchbach,

meine Damen und Herren,

die aktuellen internationalen  Konflikte machen auch vor Freiburg nicht Halt, ihre Folgen sind überall spürbar – jeden Tag, jede Woche, jeden Monat. Wir nehmen unsere humanitäre Verpflichtung wahr und wollen den Menschen, die zu uns kommen, Schutz vor Krieg und Verfolgung bieten. So werden demnächst besonders schutzbedürftige, traumatisierte Frauen aus Syrien und dem Nordirak in Freiburg Aufnahme finden.

Die Bereitschaft, Flüchtlingen zu helfen, ist groß in Freiburg – innerhalb der Bevölkerung, bei der Stadt und im Gemeinderat. Die vorliegende Drucksache zeigt Wege auf, wie Menschen aus Kriegsgebieten in Freiburg den notwendigen Schutz erhalten können.

I. Zunächst zum Bereich der Unterbringung: Ja, die Wohnheime sind überbelegt und sie sind Sanierungsfälle – das Problem ist bekannt. Hier muss gehandelt werden – und zwar schnell.

Neuer Wohnraum soll geschaffen oder angemietet werden:

  • möglichst in allen Stadtteilen,
  • möglichst in Nähe von Schulen, Kitas, Geschäften und ÖPNV-Haltestellen
  • möglichst keine Behelfsbauten mehr, sondern massiv gebaute Häuser, mit maximal 70 Personen in einer Wohneinheit.

Das sind die Planungen – einiges ist bereits oder wird gerade umgesetzt.

Die aktuelle Situation weist jedoch ein weiteres gravierendes Problem auf – und hier möchte ich unseren interfraktionellen Antrag begründen:

Durch die viel zu dichte Belegung in den Wohnheimen kommt es Spannungen unter den Bewohnern.  Unterschiedlichste Herkunftsländer, Krisengebiete, Sprachen und Kulturen prallen auf engstem Raum aufeinander. Die Sozialbetreuung steht immer häufiger vor der Aufgabe, diese Konflikte zu schlichten bzw. zu verhindern.

Menschen aus Kriegsregionen haben extreme Fluchterfahrungen hinter sich. Sie sind größtenteils schwer traumatisiert und brauchen besonders intensive Unterstützung.

Angesichts dieser Herausforderungen für die Sozialbetreuung wollen wir den Betreuungsschlüssel von 1:135 auf 1:100 senken.

Drei große Fraktionen übernehmen hier Verantwortung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den Wohnheimen ihr Bestes geben – aber an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gestoßen sind.

II. Der zweite große Komplex in der Vorlage ist die geplante Landeserstaufnahmestelle in Freiburg.

Das Land hat recht damit, die Erstaufnahme von Flüchtlingen zu dezentralisieren. Karlsruhe ist heillos überbelegt, es herrscht ein permanenter Ausnahmezustand – wir konnten uns letzten Freitag ein weiteres Mal davon überzeugen.

Freiburg hat mit der Polizeiakademie ein ideales Gelände: mindestens doppelt so groß wie in Karlsruhe, zentral gelegen, großzügige Freiflächen und Sportplätze, Grünbereiche,  Sporthalle, große und kleine Aufenthalts- und Unterrichtsräume, Kantine und gut ausgestattete Zimmer.

Die äußeren Bedingungen sind gut – und wie’s drinnen aussieht, können wir beeinflussen: Heute erteilen wir den Auftrag für die Verhandlungen mit dem Land.

Die LEA Freiburg kann ein Modell für eine humanere Flüchtlingsaufnahme und -unterbringung werden. Wir können hier ernst machen mit dem oft strapazierten Begriff einer „Willkommenskultur“.

Denn wir haben aus den Fehlern in Karlsruhe gelernt und stellen für die LEA Freiburg Bedingungen:

  • Neben der unabhängigen Verfahrensberatung, die im FlüAg festgelegt ist, soll auf dem Gelände der LEA eine qualifizierte Sozialbetreuung wie in den städtischen Wohnheimen stattfinden. Nur mit Infoschaltern und Verwaltungspersonal wie in Karlsruhe lassen sich die Aufgaben einer Erstaufnahmestelle nicht angemessen bewältigen.
  • Auch aus den Vorfällen in NRW haben wir gelernt: Das technische Personal, Hausmeister und Sicherheitsdienste müssen über interkulturelle Kompetenz verfügen und für den Umgang mit Menschen in schwierigen Lebenssituationen qualifiziert werden.
  • Sicherzustellen ist eine rechtzeitig und einfach in Anspruch zu nehmende medizinische Erstversorgung durch kompetentes medizinisches und psychologisches Personal, das Traumatisierungen erkennt und behandeln kann.
  • Vor allem aber müssen für die ankommenden Kinder, Jugendlichen und auch Erwachsenen sinnvolle Angebote zur Alltagsbewältigung zur Verfügung stehen: Vermittlung grundlegender Sprachkenntnisse, wenn nötig Alphabetisierung oder erste Orientierungskurse wie in Friedland/NDS. Zur Tagestrukturierung gehören auch Sportangebote (das Gelände bietet dazu alle Möglichkeiten)  –  Musik (oder Tanz). Sie können das Ankommen und Einleben erleichtern, denn dazu muss man nicht perfekt Deutsch sprechen.

Von der Karlsruher Flüchtlingshilfe wurde uns mit auf den Weg gegeben, dass hier Ehrenamtliche dringend gebraucht werden: z.B. aus den Bereichen Sport, Musik, Pädagogik.

Der Stadt wünschen wir erfolgreiche Verhandlungen mit dem Land

  • für die Flüchtlinge
  • für die vielen Ehrenamtlichen, die sich für sie einsetzen
  • für die künftigen Beschäftigten

und für eine Willkommenskultur, die diesen Namen auch verdient!