Architektenkammer zur Quote Sozialwohnungsbau

Schreiben an den Planungsbeirat der Architektenkammer Kammergruppe Freiburg vom 29.06.2015

Sehr geehrte Frau Presser,

haben Sie vielen Dank für den Offenen Brief des Planungsbeirats der Architektenkammer vom 25.06.2015 (Anlage 1) als Reaktion auf den entsprechenden Gemeinderatsbeschluss vom 19.05.2015. Bevor ich zu Ihren Fragen komme, möchte ich auf drei wesentliche Dinge aufmerksam machen:

  1. Im Gegensatz zu Ihrer Annahme, dass der mit knappster Mehrheit gefasste Gemeinderatsbeschluss künftig in den betroffenen Fällen 50% „geförderten Miet- beziehungsweise Eigentumswohnungsbau“ umfasst, verlangt der Beschluss explizit ausschließlich „50% geförderten Mietwohnungsbau“, schließt also „geförderte Eigentumsmaßnahmen“ vollständig aus (siehe Anlage 2, Beschlussziffer 6; Ergebnisprotokoll GR 19.5.15, TOP Handlungsprogramm Wohnen).
    Gerade diese ausschließliche Beschränkung auf Sozialmietwohnungen ist ja Gegenstand der Kritik an dem mit 25:24 Stimmen beschlossenen Antrag.
  2. Ein als Gegenantrag vorliegender interfraktioneller Antrag von GRÜNEN, CDU und FW sah eine flexible Erweiterung der bisherigen Beschlusslage (30% sowohl geförderter Miet- und/oder Eigentumswohnungsbau) um bis zu 20% sog. „gebundene Mietwohnungen“ im Einzelfall vor (siehe Anlage 3, Ziffer 6c). Nach Annahme des weitergehenden Antrages von SPD/UL/JPG/FF-FL und FDP mit 50% ausschließlich Mietwohnungsbau war dieser flexible Alternativantrag leider in der Gemeinderatssitzung am 19.05.15 obsolet.
  3. Die Fraktion der GRÜNEN war (neben CDU, FW und OB) vehemente Gegnerin des leider schlußendlich mit knappster Mehrheit getroffenen Beschlusses, was wir schon kurz nach der Entscheidung auch mittels einer Pressemitteilung klar formuliert hatten.

Vor diesem Hintergrund können wir Ihre Fragen wie folgt beantworten:

  • Wir teilen Ihre Befürchtung, dass der Beschluss kontraproduktiv zum vorgeblich beabsichtigten Ziel einer vermehrten Bereitstellung von preisgünstigen Sozialmietwohnungen sein wird und manches Bauprojekt möglicher Weise verhindert, zumindest aber zusätzlich zeitlich erheblich verzögert werden wird.
  • Falls dennoch Bauvorhaben im Sinne der neu beschlossenen Regelung realisiert werden sollten, befürchten auch wir, dass über die dann erforderliche Quersubventionierung des defizitären 50%-Sozialmietwohnungsbauanteils die „restlichen“ Wohnbauangebote entsprechend teurer werden, was insbesondere Schwellenhaushalte sowie die nicht zu den Gutverdienenden zählenden Haushalte, insbesondere Familien mit mittleren Einkommen, treffen würde.
  • Eine jeweils quartiersspezifisch angepasste soziale Mischung hätte sich mit dem flexiblen Alternativantrag von GRÜNEN/CDU und FW viel besser erreichen lassen, als durch den jetzt vorliegenden starren Beschluss, der 50% Sozialmietwohnungen für InhaberInnen von Wohnberechtigungsscheinen, i.d.R. also v.a. TransferleistungsempfängerInnen, vorschreibt.
  • Auch für uns ist ersichtlich, dass sich viele private BauherrInnen, Baugemeinschaften aber auch Baugenossenschaften (genauso wie die Bauträger) mit einer Umsetzung von 50% geförderten Sozialmietwohnungen äußerst schwer tun werden und in der Folge (siehe auch letzter Spiegelstrich) Haushalte und Familien mit mittlerem Einkommen noch weniger als bislang die Chance auf geeigneten Wohnraum (sei es zur Miete oder als Eigentum) in Freiburg haben und so möglicherweise weiter ins Umland vertrieben werden.

Sehr geehrte Frau Presser, auch wir sehen mit Besorgnis, wie sich die neue Beschlusslage auf den Wohnungsbau in Freiburg auswirken wird, haben die Hoffnung aber noch nicht völlig aufgegeben, dass – zumindest einem Teil – der bunt zusammengewürfelten Koalition, die für diesen kontroversen Beschluss verantwortlich zeichnet, die problematischen Folgen ihres Tuns bewusst wird und daraus Konsequenzen gezogen werden. Eine mögliche Kompromisslinie zeigt u.E. der genannte Alternativantrag von GRÜNEN, CDU und FW in Anlage 3 auf.

Wir würden es begrüßen, wenn sich durch (weitere) kritisch-kompetente Wortmeldungen wie die Ihre oder mittels sonstiger geeigneter Formen der öffentlichen und persönlichen Einflussnahme am Ende vielleicht doch noch ein pragmatischer politischer Weg finden ließe, der das Angebot bezahlbaren Wohnraums für alle Nachfragegruppen in unserer Stadt deutlich verbessert – anstatt mit einem vielleicht gut gemeinten aber schlecht gemachten Vorstoß das Gegenteil zu provozieren.

Mit freundlichen Grüßen

Eckart Friebis
Stadtrat
Fraktionsgeschäftsführer