10 Jahre nach dem Bürgerentscheid

Pressemitteilung von B90/Grüne vom 24.05.2016

GRÜNE Replik zur Podiumsdiskussion „Für eine soziale Stadtbau“ und zur nachfolgenden Medienberichterstattung: 10 Jahre nach dem Bürgerentscheid werden nach wie vor ideologische Gärtchen beackert!

Kaum zu glauben, aber wahr: Auch zehn Jahre nach dem Bürgerentscheid gelingt den damaligen politischen „Siegern“ kein ideologiefreier Umgang mit ihrem Erfolg. Wer um die tatsächlichen Verhältnisse bei der Freiburger Wohnungsgesellschaft FSB GmbH weiß, die 2006 angesichts der völlig maroden Haushaltslage der Stadt Freiburg verkauft werden sollte, kann nur den Kopf schütteln.

Die Badische Zeitung berichtet am 21.05.2016 unter der Schlagzeile „Wohnungsbau für Reiche?“ tatsachengetreu, dass es sich bei den Podiumsteilnehmern eigentlich ausschließlich um Gegner der aktuellen Stadtbau-Politik handelte, die demgemäß auch alle die gleiche Meinung vertraten. Ansonsten wird lediglich der ideologische Unsinn referiert, der offenbar die Veranstaltung beherrscht hat.

Dabei saßen mindestens zwei Personen auf dem Podium, die es besser wissen, auch wenn es ihnen offensichtlich nicht ins politische Konzept passt:

Hendrijk Guzzoni (Unabhängige Listen) kritisierte, dass die FSB mittlerweile als Wirtschaftsunternehmen auftrete, nur noch nach Eigenkapital und Rendite strebe, und das – seiner Meinung nach – auf Kosten der Mieter.

Und Walter Krögner (SPD) hält Gewinne in der im letzten Jahr von der FSB realisierten Höhe einfach für unanständig.

Beide sitzen im Aufsichtsrat der Gesellschaft und beide wissen, dass – anders als bei „normalen“ Wirtschaftsunternehmen – die Gewinne der Stadtbau nicht an einen Kapitaleigner fließen (das wäre in diesem Fall die Stadt Freiburg), sondern komplett in die Sanierung und Modernisierung der gesellschaftseigenen Mietwohnungen und in den Neubau geförderter Sozialmietwohnungen reinvestiert werden.

So hat die Freiburger Stadtbau im Jahre 2015 fast 13 Mio Euro für Modernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen ausgegeben und 73 preiswerte Wohnungen fertiggestellt, die im eigenen Bestand verbleiben. Hinzu kommen die Sanierungsmaßnahmen der FSI (Freiburger Stadt Immobilien), in der die Stadtbau seit drei Jahren mit der hauseigenen Mannschaft die rund Tausend früheren städtischen Wohnungen betreut.

Der „Gewinn“ oder Jahresüberschuss der FSB von knapp über 9 Mio Euro im Jahr 2015 stammt allein in Höhe von 2,5 Mio Euro aus der Auflösung von Rückstellungen und Wertberichtigungen. Rund 4,0 Mio Euro kommen aus dem Bauträgergeschäft, also der Errichtung und dem Verkauf von freifinanzierten Eigentumswohnungen bzw. Reihenhäusern. 1,3 Mio Euro des Jahresergebnisses trug die Vermietung der rund 8.300 gesellschaftseigenen Mietwohnungen bei, was im Durchschnitt einem monatlichen Ertrag von gerade einmal 13 Euro pro Wohnung entspricht. Die restlichen Überschüsse sind v.a. Einnahmen aus dem Betrieb von Fotovoltaikanlagen, Zuschüsse und Beteiligungserträge.

Mit dem gesamten genannten Jahresgewinn wird der Bau von öffentlich gefördertem Mietwohnraum bzw. die Sanierung und Modernisierung des Mietwohnungsbestands finanziert. Somit verbleiben 100% des Gewinnes in der Gesellschaft selbst zur Erfüllung ihres kommunalpolitischen Auftrages.

Die beiden zitierten Stadträte Guzzoni und Krögner wissen auch genau, dass nur ein eigenkapitalstarkes Unternehmen den Anteil der Fremdfinanzierung beim Bau neuer Wohnungen drücken und von Banken günstige Kredite bekommen kann. Im Jahre 2015 konnte denn auch die Eigenkapitalquote des Unternehmens um beachtliche zwei Prozentpunkte, nämlich von 30,4% auf 32,6%, angehoben werden.

Die GRÜNEN haben 2006 im Gemeinderat für einen Verkauf der Stadtbau-Wohnungen gestimmt, allerdings mit einer beispielhaften und belastbaren Sozialcharta. Dass die BürgerInnen der Stadt dies mehrheitlich anders entschieden haben, hat sich im Nachhinein als Segen herausgestellt. Denn wider Erwarten und diametral entgegen aller vorausgegangenen Prognosen erholten sich schon kurze Zeit nach dem Bürgerentscheid die städtischen Finanzen v.a. aufgrund der konjunkturellen Entwicklung derart schnell und positiv, dass die ansonsten befürchteten drastischen Kürzungen in allen Bereichen (Zuschüsse, Investitionen, Schließung öffentlicher Infrastrukturangebote) glücklicherweise vermieden werden konnten.

Die Freiburger Stadtbau ist heute die einzige Baugesellschaft in der Stadt, die in großem Stil geförderte Mietwohnungen errichtet. Und natürlich ist der soziale Mietwohnungsbau in einer Stadt wie Freiburg aufgrund unzulänglicher Förderbedingungen, hoher Bau- und Bodenpreise und angesichts der Mietpreisbeschränkung (Kaltmiete muss ein Drittel unter der Mietspiegelmiete liegen) defizitär: Sonst würden es doch auch die Investoren machen. Nur durch die Gewinne aus dem Bauträgergeschäft und die Einnahmen aus der Wohnungsvermietung kann die Stadtbau überhaupt neue Sozialmietwohnungen bauen!

Fazit: Veranstaltungen, in denen gegen besseres Wissen an der Wirklichkeit vorbei diskutiert wird, sind genauso überflüssig wie politische Akteure, die keinen konstruktiven Beitrag zur Wohnungsmisere leisten, sondern nur ihr ideologisches Gärtchen pflegen wollen.

Maria Viethen, Fraktionsvorsitzende

Gerhard Frey, stv. Fraktionsvorsitzender