Spiegelvariante: „Foul kurz vor der Strafraumgrenze“

Rede von Fraktionsvorsitzender Maria Viethen zu TOP 9 der Gemeinderatssitzung von 23.05.2017: „Bebauungsplan neues Fußballstadion am Flugplatz“

Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

Heute ist ein guter Tag. Wir kommen mit dem heutigen Beschluss der Erledigung des Auftrags aus dem Bürgerentscheid vom Februar 2015 einen guten Schritt näher. Wir billigen heute den Bebauungsplan für das Fußballstadion im Westen als Grundlage für die gesetzlich vorgeschriebene Offenlage und beschließen weiter die notwendigen naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen, die belastbar und umgesetzt werden müssen, bevor mit den ersten sogenannten vorbereitenden Maßnahmen begonnen werden kann. Und wir genehmigen die verkehrliche Erschließung im Rahmen der im Bürgerentscheid zu Grunde liegenden Finanzbudgets von stolzen 36,8 Mio einschließlich dem Solarzaun für eine umweltgerechte Stromversorgung des Stadions.

Fraktionsvorsitzende Maria Viethen
Fraktionsvorsitzende Maria Viethen (Bild: Britt Schilling)

Es ist auch ein guter Tag, weil die eingeholten Gutachten zu dem Ergebnis gekommen sind, dass der Bau des Stadions und der Universitätsgebäude weder die Luftqualität im Stadtteil Mooswald beeinträchtigen werden, noch das Stadtklima insgesamt. Entgegen einer mehrfach verbreiteten Horrorvision wird es weder mehr Hitzetote durch steigende Temperaturen geben, noch eine dramatisch eingeschränkte Belüftung des Stadtteils bzw. der Gesamtstadt. Die strengen Vorgaben des Artenschutzes können bis auf eine einzige Ausnahme erfüllt werden, insbesondere was den Erhalt der Lebensräume  der Haselmaus, der Zauneidechse und der Zwergfledermaus angeht. Lediglich wegen des Verlustes von Nahrungsflächen für brütenden Dohlen wird einer Ausnahmegenehmigung eingeholt werden müssen. Wobei ich aus dem Dialogverfahren am Anfang des Projektes die Erkenntnis mitgenommen habe, dass die geschützten Dohlen ein seltsames Völkchen sind, das gerne auch zwischen Autobahnen übernachtet und brütet. Dohlen haben keine Angst vor Verkehrslärm, sondern vor streunenden Hunden.

Und es ist gelungen, ausreichende und qualitativ gute Ersatzflächen für den Magerrasen auszuweisen. Per Zufall tagte der Wirtschaftsbeirat letzte Woche im Gewerbepark Breisgau. Dort ist man glücklich darüber, dass die entwidmeten Teile der Landebahn gegen angemessenes Entgelt für den Bedarf Freiburgs an Ersatzflächen für Magerrasen zur Verfügung gestellt werden kann. Eine klassische Win-win-Situation.

Und es ist auch ein guter Tag, weil nach den eingeholten Gutachten auch in punkto Flugsicherheit Entwarnung gegeben werden kann. Es gibt keine Luftverwirbelungen, die befürchtete Blend-Wirkung des Stadions kann durch bauliche Vorgaben ausgeschlossen werden. Kleiner Wermutstropfen: an Spieltagen führte der Andrang großer Menschenmengen, die zum Stadion hin und nach dem Spielende wieder zurück streben, zu einem Flugverbot von 6,5 Stunden, bei sog. KO-Spielen, bei denen es möglicherweise in die Verlängerung oder gar ins Elfmeterschießen geht, sind das 7,5 Stunden pro Spieltag. Das ist unangenehm, aber für den Flugbetrieb vertretbar. Die Fallschirmspringer müssen weichen, aber – ich vermute, das wir dies auch Herrn Broglin und Herrn Uekermann zu verdanken haben, die die Leitung der Flugplatz GmbH übernommen haben –für die Segelflieger ist eine Lösung auf dem Platz gefunden worden. Und soweit ich gehört habe, konnten im Bauausschuss auch die Bedenken von Frau Schrempp – ich gebe nur das Stichwort: Flugsimulator – zufriedenstellend geklärt werden.

Einigermaßen erstaunt war ich dann doch über den Vorschlag des Kollegen Udo Harter und seiner MitstreiterInnen über die so genannte Spiegel-Variante. Das Stadion soll schlichtweg auf die andere Seite der Landebahn verlegt werden, die dort befindlichen Hangars und sonstigen Flughafengebäude wechseln im Gegenzug ebenfalls die Seiten und voilà,, fertig ist die Lösung. Dass da bis heute noch keiner drauf gekommen ist…Selbstverständlich muss auch dieser Vorschlag als Einwendung im Rahmen der Offenlage sorgfältig sachlich geprüft werden. Tatsächlich fallen jedoch selbst Laien wie mir sofort einige Punkte ins Auge, die ein solches Vorhaben nicht ganz so einfach erscheinen lassen. Beispielsweise würden damit die Synergie-Effekte aus der gemeinsame Nutzung von Einrichtungen zusammen mit der Universität entfallen und dann wohl auch der daran knüpfte Zuschuss des Landes von 11 Mio Euro. Völlig ungeklärt ist auch die Frage der Abstandsflächen zur Möbelmeile. Wir sind mitten im Vergabeverfahren, die Bewerber für den Bau des Stadions haben für die Erstellung ihrer Angebote beträchtliche Summen ausgegeben. Eine Planänderung in diesem Umfang würde daher mit Sicherheit Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe auslösen. Ganz abgesehen davon, dass ein Umschwenken auf eine neue Planvariante den ganzen Prozess um Jahre zurückwerfen würde mit den bekannten Folgen für den Sportclub. Aber das ist ja wohl auch die Absicht. Festzuhalten bleibt, alle sachlichen Fragen müssen im Rahmen der Offenlage von der Verwaltung bearbeitet werden.

Politisch bewertet handelt es sich bei diesem Vorschlag allerdings um einen ziemlich alten Hut, der zu einem völlig abstrusen Zeitpunkt auf den Tisch kommt. Diese Variante wurde bereits einmal in dem sogenannten Speer-Gutachten aus dem Oktober 2011, also vor nunmehr fünfeinhalb Jahren, betrachtet und verworfen. Damals wurde festgestellt, dass wegen der gegebenen Rahmenbedingungen bei einem Bau des Stadions an dieser Stelle der Flugplatz geschlossen werden müsste. Völlig neu ist auch, dass die Besitzer der auf dem Platz stehenden Gebäude, darunter auch der Kollege Harter mit seiner Flugschule, sich plötzlich bereit erklären, diese Gebäude aufzugeben und an anderer Stelle neu zu errichten. Zu Beginn der Planungen hat sich damals herausgestellt, dass es einigen auf dem Flugplatz angesiedelten Unternehmen unter Umgehung des Gemeinderates gelungen war, mit der Flugplatz GmbH Vertragsverlängerung bis zum Jahre 2031 auszuhandeln. In meinen Unterlagen befinden sich mehrere Schreiben, mit denen der Oberbürgermeister dann in deutlichem Ton angemahnt wurde, dass nicht nur diese Verträge einzuhalten sind, sondern dass die Stadt gegenüber diesen Unternehmen eine Fürsorgepflicht zukommt und deshalb auch verpflichtet sei, den Landeplatz für den motorisierten Flugverkehr an diesem Ort weiterzubetreiben. Offenbar träumen diese Unternehmen nun davon, diese Gebäude auf Kosten der Stadt neu errichten zu lassen und dann eine Verlängerung der Verträge bis in das Jahr 2070 auszuhandeln. Meine Damen und Herren, das kommt überhaupt nicht infrage. Ich schätze einmal, dass weder Frau Schrempp, noch ich im Jahre 2031 noch in diesem Gemeinderat sind. Aber eine Bindung der dann zuständigen Entscheidungsträger durch eine Bestandsgarantie für den Flugplatz bis zum Jahre 2070 hinaus ist völlig indiskutabel.

Bei allem Respekt gegenüber den Kolleginnen und Kollegen aus dem Gemeinderat, die diesen Vorschlag unterstützen: das Motiv ist völlig durchsichtig. Um es in der Fußballsprache auszudrücken: das ist ein Foul kurz vor der Strafraumgrenze, sozusagen eine astreine „Notbremse“. Es soll sozusagen in letzter Sekunde noch einmal versucht werden, das Verfahren ins Stocken zu bringen oder doch wenigstens die Grundlage für Abwägungsfehler der Verwaltung und damit einen jahrelangen Rechtsstreit zu legen. Meine Damen und Herren, ein solches Verhalten ist undemokratisch, es verletzt den eindeutigen Auftrag, den uns der Bürgerentscheid erteilt hat. Tatsächlich sollte sich der BefürworterInnen dieser Spiegel-Variante auch überlegen, ob sie nicht dabei sind, ein Eigentor zu treten: bei Abriss und Neu-Errichtung der Gebäude auf dem Fluggelände würde ein neues Planfeststellungsverfahren erforderlich. Und dieses würde mit großer Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass der Bestandsschutz für den Verkehrslandeplatz wegfällt und ein Flugbetrieb an dieser Stelle mitten in einer Stadt und in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem großen Klinikgelände nicht mehr genehmigt würde.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.