„Land und Bund müssen sich stärker engagieren“

Rede von Stadtrat Timothy Simms zu TOP 9 der Gemeinderatssitzung vom 24.10.2017: „Perspektivplan Stadtwerke/Freiburger Verkehrs AG 2022-2026“

Sehr geehrter Oberbürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

Viel lieber spricht man über eine frohe Botschaft als über eine Vorlage, die zeigt, dass die finanzielle Entwicklung unserer Stadtwerke uns Sorgen bereiten muss. Und natürlich ist die finanzielle Entwicklung nichts, was überraschend vom Himmel fällt, sondern diese war für jeden, der sich mit der Finanzierung des Öffentlichen Verkehrs befasst, absehbar.

Stadtrat Timothy Simms
Stadtrat Timothy Simms (Bild: Britt Schilling)

Es ist daher nur gut, wenn wir nun einen Plan vorgelegt bekommen, wie sich die Entwicklung en Detail darstellt. Sicherlich kann man über die getroffenen Annahmen im einzelnen diskutieren. Ist der Fahrgastzuwachs vielleicht mit 0,25% zu gering kalkuliert? Aber das sind Details, die das Gesamtbild letztlich nicht verändern.

Diese Entwicklung ist direkte Folge eines starken Engagement dieser Stadt für den Umweltverbund und den Öffentlichen Nahverkehr als zentralem Element des Umweltverbundes. Der Öffentliche Nahverkehr ist nicht kostendeckend – weder in Freiburg noch anderswo. Mehr Linien, mehr Strassenbahnen, mehr Angebot, mehr Fahrleistung. Das bedeutet eben in der Regel: Höheres Defizit. Wir sind sozusagen selbst dran schuld: Dass wir mit dem ÖPNV-Ausbau Stadtentwicklung vorantreiben, dass wir Klimaschutzziele erreichen wollen, dass uns die Luftqualität wichtig ist, dass wir eine lebenswerte Stadt sein wollen.

Und wir sind bislang mit unserem ÖPNV sehr erfolgreich. Dieser Erfolg beruht auf zwei Säulen: Dem Angebotsausbau und dem einfachen Tarifsystem mit der Regiokarte als zentralem Angebot. Beides zusammen hat den ÖPNV hier so stark werden lassen.

Die Finanzierung des ÖPNV ruht auf zwei Säulen: Fahrkarteneinnahmen und öffentliche Zuschüsse. Klar ist: Fahrkartenpreise sind nicht beliebig zu erhöhen, denn irgendwann ist die Schmerzgrenze beim Kunden erreicht. Jedes Jahr haben wir Tarifanpassungen und bislang werden diese von den Fahrgästen mitgetragen. Das wird aber nicht bis St. Nimmerlein so weiter gehen können. Wir werden nicht umhin kommen – wie ja auch in der Vergangenheit, denken wir z.B. an die Einführung der Abo-Regiokarten oder der RegiokarteBasis – über unsere Tarife nachzudenken.

Die zweite Säule der Finanzierung des ÖPNV ist die Öffentliche Hand – sei es durch Zuschüsse, sei es durch Verlustübernahmen wie z.B. im Rahmen des Stadtwerkekonzerns. Während die Fahrgasteinnahmen immer weiter gestiegen sind, sind die Zuschüsse seitens des Landes und des Bundes – z.B. die Ausgleichsmittel für den Schülerverkehr – seit Jahren gedeckelt. Eine Bezuschussung z.B. der Beschaffung von Strassenbahnen gab es lange Jahre aus garnicht mehr. Es ist positiv, dass die grünschwarze Landesregierung mit einem Sonderprogramm zur Schienenfahrzeugfinanzierung einen ersten Schritt getan hat.

Aber das reicht nicht: Bund und Land sind gefordert, den ÖPNV besser zu fördern. Und vielleicht auch neue Finanzierungsinstrumente zu ermöglichen, ich nenne hier das Stichwort Nahverkehrsabgabe. Denn mit den Finanzierungsproblemen im ÖPNV steht Freiburg beileibe nicht alleine da. Sie betrifft letztlich alle Städte, die den ÖPNV ausbauen und eigene Verkehrsbetriebe haben. Darauf verweist auch der Städtetag immer wieder zurecht und ich möchte mich an dieser Stelle bei unserem Oberbürgermeister bedanken, dass er als Präsident des Baden-Württembergischen Städtetags die Interessen der Städte gegenüber der Landesregierung mit soviel Engagement vertritt. Ich bin mir sicher, dass die Landesregierung einen harten Verhandlungspartner in ihm hat.

Der vorliegende Perspektivplan ist keine frohe Botschaft. Denn die Hauptprämisse – kein weiterer Ausbau des ÖPNV – ist nicht das, was wir für den ÖPNV wünschen und was umwelt- und verkehrspolitisch nötig wäre. Stadtwerke und VAG haben mit dem Perspektivplan die Hausaufgaben gemacht. Und herausgearbeitet, wie es – unter den aktuellen Rahmenbedingungen -weitergehen kann.

Wenn man den ÖPNV nicht durch endlose Fahrpreiserhöhungen schwächen und einen weiteren Ausbau ermöglichen möchte, müssen sich nun Land und Bund stärker engagieren. Sei es durch höhere Zuschüsse für den ÖPNV oder eine Entlastung der Kommunen. Vielen Dank!