„Keine Veranlassung für eine soziale Erhaltungssatzung“

Genossenschaftswohnungen in der Quäkerstrasse

Position der Gemeinderatsfraktion der GRÜNEN zu möglichen Veränderungen im Wohnquartier Wiehre der Wohnungsbaugenossenschaft Familienheim, insbesondere zum Aspekt einer aktuell diskutierten „Milieuschutzsatzung“

Die Grüne Fraktion sieht derzeit keine Veranlassung für eine soziale Erhaltungssatzung im Bereich des Wohnquartiers der  Baugenossenschaft Familienheim in der Wiehre.

Stadtrat Eckart Friebis
Stadtrat Eckart Friebis (Bild: Britt Schilling)
Stadtrat Gerhard Frey
Stadtrat Gerhard Frey (Bild: Britt Schilling)

Eine soziale Erhaltungssatzung nach dem Baugesetzbuch (Milieuschutzsatzung) wurde in Freiburg erst- und einmalig in einem Quartier in St. Georgen (Imberyweg) angewandt. In einer ehemaligen Bergarbeitersiedlung wohnen dort überwiegend MieterInnen mit unterdurchschnittlichem Einkommen zu sehr günstigen Mieten. Ein neuer Eigentümer etlicher Immobilien, ein nicht unbekannter Freiburger Bauträger, beabsichtigte die Mietshäuser in abgeschlossene Wohneinheiten aufzuteilen, baulich aufzuwerten und sie auf dem Wohnungsmarkt als Eigentumswohnungen zu veräußern.

Ein solches Vorgehen würde aller Erfahrung nach dazu führen, dass die aktuellen MieterInnen sukzessive vertrieben würden und günstiger Mietwohnraum verloren ginge. Eine Erhaltungssatzung soll dieser auch städtebaulich unerwünschten Entwicklung einen Riegel vorschieben und u.a. bauliche Veränderungen unter Genehmigungsvorbehalt stellen.

Ganz anders gestaltet sich die Sachlage beim genossenschaftlichen Mietwohnungsbestand in der Wiehre. Familienheim hatte angekündigt, ihre Häuser in der Quäkerstraße 1-9 abreißen zu wollen und sie durch Neubauten sowie eine ergänzende Wohnüberbauung vorhandener Garagenhöfe, mit insgesamt deutlich mehr Wohnraum, zu ersetzen. Von unterschiedlicher Seite, so auch der grünen Fraktion, wurden daraufhin Fragen zum baulichen Zustand und zur Sanierungsfähigkeit des aktuellen Wohnungsbestands sowie zur Weiter-entwicklung des gesamten Quartiers aufgeworfen. Familienheim hat als Antwort alle Gemeinderatsfraktionen darüber informiert, dass noch erheblicher interner Diskussionsbedarf bestehe und noch keine Entscheidung über das weitere Vorgehen getroffen worden sei.

Baurechtlich wären die ursprünglichen Planungsabsichten von Familienheim nach § 34 Baugesetzbuch möglich, solange das Bauvorhaben innerhalb des Maßes der vorhandenen Umgebungsbebauung bleibt. Nach unserer Kenntnis liegen der Stadtverwaltung noch keine konkreten Bau- oder Abrissanträge vor. Den guten Gepflogenheiten zwischen der Stadt Freiburg und den Baugenossenschaften folgend, gehen wir davon aus, dass schlussendlich beabsichtigte Umbau- oder Neubaumaßnahmen in enger Abstimmung mit Bauverwaltung und Gemeinderat erfolgen.

Eine „soziale Erhaltungssatzung“ wie im Bereich St. Georgen/Imberyweg soll vermeiden, dass Investoren bislang günstige Mietwohnungen luxussanieren und in teures Wohneigentum umwandeln, als dessen Folgen dann eine Vertreibung der vorhandenen Bewohnerschaft und eine Gentrifizierung des Gebiets drohen.

Die drei großen Freiburger Wohnungsbaugenossenschaften wie auch die Freiburger Stadtbau – mit insgesamt rund 15.000 Mietwohnungen – sind dagegen ein Garant für bezahlbaren Mietwohnraum in unserer Stadt. Deshalb werden auch immer mehr Menschen in Freiburg Mitglied einer der Wohnungsbaugenossenschaften und hoffen auf eine „Genossen“-Wohnung.

Die Wohnungsbaugenossenschaften stellen aktuell Überlegungen an, wie sie ihre Neubau-aktivitäten in Freiburg ausweiten könnten, um etwas gegen den eklatanten Wohnungsmangel zu unternehmen. Hierzu haben bereits Gespräche mit allen Fraktionen und der Verwaltungs-spitze stattgefunden.

Ähnlich der Freiburger Stadtbau versuchen auch die Wohnungsbaugenossenschaften angesichts der Knappheit geeigneter Baugrundstücke, Neubaupotentiale auf den eigenen Bestandsflächen zu erschließen. Das Uni-Carré des Bauvereins lässt beispielsweise durch Abriss von Nachkriegsbauten und die Errichtung moderner Neubauten auf der ‚alten‘ Fläche rund ein Drittel mehr Wohnraum entstehen, beim Projekt ECA-Siedlung der Freiburger Stadtbau in Haslach-Schildacker verdoppelt sich die Wohnfläche sogar.

Verständlicherweise sind solche Entscheidungen für die BestandsmieterInnen mit Unannehmlichkeiten verbunden, müssen sie doch bei Gebäudeabbrüchen in angebotene Ersatzwohnungen umziehen. Das eingespielte und großzügige Umzugsmanagement von Freiburger Stadtbau und Genossenschaften wird aber allseits sehr gelobt.

Grundsätzlich wird die Schaffung zusätzlichen genossenschaftlichen Mietwohnraums durch nachbarschaftsverträgliche Innenentwicklung und Nachverdichtung, beispielsweise auch in der Wiehre durch Familienheim, von der Grünen Fraktion ausdrücklich begrüßt.

Die Familienheim hat den von einem möglichen Gebäudeabriss betroffenen Mieterinnen und Mietern geeigneten Ersatzwohnraum in der Wiehre angeboten und auch weiterhin angemessene Mieten in Aussicht gestellt. Eine Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen findet nicht statt. Auch von möglicherweise befürchteten Luxussanierungen ist nirgendwo die Rede. Im Falle eines Wohnungsneubaus ist dagegen auf freiwilliger Basis ein deutlicher Anteil von Sozialmietwohnungen zugesagt. Eine breite Verdrängung der Mieterschaft aus dem Quartier Wiehre können wir deshalb nicht erkennen.

Die Grüne Fraktion setzt weiterhin auf einen konstruktiven Dialog mit den Freiburger Baugenossenschaften. Wir sind überzeugt davon, dass – ähnlich wie beim Quartier Uni-Carré des Bauvereins – ein einvernehmliches Vorgehen zwischen Stadtverwaltung, Kommunalpolitik und Wohnungsgenossenschaften möglich ist – bei weitestgehendem Interessens-ausgleich aller Beteiligten sowie zum Vorteil der Gesamtstadt und der Wohnungssuchenden.

Eine Anwendung der „sozialen Erhaltungssatzung“ auf Projekte der Freiburger Wohnungsbaugenossenschaften halten wir für kontraproduktiv, nicht zuletzt weil die Genossenschaften dadurch unter den Generalverdacht der Mietervertreibung, der Mietpreistreiberei und der Gentrifizierung gestellt würden – was alles genauso unzutreffend wie absurd wäre.

Für die Gemeinderatsfraktion B‘90/DIE GRÜNEN

Gerhard Frey, stv. Fraktionsvorsitzender

Eckart Friebis, Stadtrat/Mitglied des Bauausschusses