„Europa ist die zentrale Idee einer Überwindung nationalstaatlichen Denkens und friedlichen Zusammenlebens“

Rede von Stadtrat Timothy Simms im Gemeinderat vom 20.03.2018 zu TOP 9: Umbenennung Europaplatz

Sehr geehrter Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kollegen und Kolleginnen,

Stadtrat Timothy Simms
Stadtrat Timothy Simms (Bild: Britt Schilling)

Demokratie heisst Unterschiede auszuhalten und auch Respekt für andere Position zu haben, auch wenn man diese nicht teilt, es aber gute Argumente auch für andere Positionen gibt. Das gilt insbesondere auch für die Entscheidungen rund um die Aufstellung des Siegesdenkmals, die heute mit einer Benennung des Platzes einen Schlusspunkt finden.

Die Platzierung und Neuaufstellung des Siegesdenkmals hat diesen und den vorherigen Gemeinderat mehrfach beschäftigt und wir haben hierzu sehr engagierte Debatten erlebt. Mit gut begründeten Positionen und stellenweise hochkarätigen und interessanten Reden. Denn es gibt in der Tat gute Argumente für eine Entsorgung des Siegesdenkmals, aber auch für die Wiedererrichtung. Gute Argumente für den aktuellen Standort, aber auch für Alternativstandorte. Und eines ist mir wichtig: Keine dieser bisherigen Entscheidungen drückt aus, dass irgendjemanden hier in diesem Hause eine Absage an Krieg und Nationalismus weniger wichtig wäre als dem anderen. Und das gilt auch für die heutige Entscheidung.

Verständlich ist der Wunsch, dem Siegesdenkmal einen Kontrapunkt entgegenzusetzen und hierzu die Möglichkeit zu nutzen, den bislang namenlosen Platz erstmals zu benennen. Verschiedene Vorschläge liegen hierzu auf dem Tisch. Alle sind gut begründet und in ihrer jeweiligen Logik sinnvolle Benennungsvorschläge. Für unsere Fraktion ist Europaplatz der beste dieser Vorschläge, der auch am besten in die aktuelle Zeit passt und eine Perspektive für die Zukunft öffnet. Aber lassen sie mich zunächst kurz einige der anderen Vorschläge würdigen.

Wolf-Dieter Winkler beantragt, den Platz nach dem Siegesdenkmal selbst zu benennen. Er hat recht: So heißt der Platz bislang bei vielen Freiburgerinnen und ob sich eine Neubenennung durchsetzen wird, ist unsicher. Denn nur wenige setzen sich für eine Neubenennung ein. Nur 368 Unterschriften aus Freiburg hat die Petition zum Friedensplatz in mehreren Monaten zusammengebracht. Wenn es nach Unterstützung ginge, sollten wir lieber über den Tanzbrunnen reden, da haben in kürzerster Zeit 2300 Freiburgerinnen unterschrieben oder über die Beibehaltung des Urban Gardening vor dem Theater, dass über 1800 Freiburgerinnen unterstützte. Aber: Wir leben in einer repräsentativen Demokratie und müssen hier aufgrund der Argumente und nicht irgendwelcher Unterstützerzahlen debattieren und entscheiden.

Dass sich heute hier eine Mehrheit für einen neuen Namen aussprechen wird, das hat viel mit dem Unbehangen zu tun, dass sicherlich nicht nur ich verspüre, wenn ich das Denkmal aus der Nähe betrachte und seine Inschriften. Ein Unbehagen, das auch mir sagt: Mit einer Gedenktafel ist es nicht getan, es wäre auch gut, wenn der Platz einen anderen Namen hätte.

Jean Jaures ist sicherlich eine respektable Persönlichkeit gewesen, einen besonderen Bezug zu Freiburg können wir aber nicht erkennen. Wir sind uns auch nicht sicher, ob man dem Denkmal ausgerechnet eine Einzelperson entgegenstellen sollte.

Friedensplatz ist uns zu abstrakt und erinnert uns schon ein wenig an das Pathos mit dem in realsozialistischen Staaten oft Namensgebungen erfolgt sind – ohne dass die Ideale, die man verherrlichte jemals eingelöst worden wären. Es gab und gibt Momente in der Geschichte, in der Frieden alleine die falsche Forderung ist, sondern wo durchaus ein militärisches Einschreiten nötig ist. Beispiele aus der Geschichte kennen sie.

Damit komme ich zum Europaplatz. Aus Grüner Sicht – eine Mitgliederversammlung hat sich mit dieser Begründung für eine Umbenennung des Platzes in Europaplatz ausgesprochen – steht vor allem die Europäische Zusammenarbeit für den Frieden, den wir gottseidank seit über 70 Jahren erfahren. Europa ist das große Projekt, das aus der deutsch-französischen Freundschaft entstanden ist. Auch deshalb muss ein Europaplatz ins Zentrum der Stadt und deshalb ist der Platz mit dem Siegesdenkmal so gut geeignet. Wenig Verständnis habe ich dafür, dass nun Europa als Platzbenennung schlechtgeredet wird, weil es ja auch problematische Sicherheitspolitiken in der Europäischen Union gibt. Dazu zweierlei: Ich finde es gut, dass die Europäische Union sich auch verteidigungspolitisch stärker integriert. Ich finde es scheinheilig, wenn bei der Aufzählung deutsch-französischer Freundschaftsprojekte immer verschämt die deutschfranzösische Brigade ausgelassen wird. Ich finde es gut, wenn wir eine europäische Armee bilden. Denn die nationalstaatlich organisierten Armeen sind eine zentrale Basis nationalstaatlichen Denkens. Gut wenn wir das überwinden.

Zum anderen: Europa ist doch nicht die EU. Europa ist die zentrale Idee einer Überwindung nationalstaatlichen Denkens und friedlichen Zusammenlebens auf unserem Kontinent. Keine Abstrakte Idee, sondern etwas sehr greifbares in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen. Von offenen Grenzen bis zur Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Von Städtepartnerschaften bis zum Europarat. Es sind diese ganzen unterschiedlichen Bausteine Europas, die einen Krieg hierzulande undenkbar machen und deshalb passt dieser Name für uns so gut.

Ich komme zum Schluss: Es liegen mehrere gute, nachvollziehbare Platzbenennungsvorschläge auf dem Tisch. Wir sind gespannt auf die Argumente und die Diskussion und hoffen, dass diese von Respekt gezeichnet ist. Unsere Fraktion plädiert für den Europaplatz und wir hoffen dass dieser eine klare Mehrheit bekommt.