Rede

Macht Verkehrswende, setzt Euch die Ziele des FR Entscheids als Messlatte!

Grüne Gemeinderät*innen auf dem temporär umgestalteten Schlossbergring

Verkehrswende und zwar flott! Wir setzen uns für die Umsetzung der Ziele des Fuss- und Radentscheids ein. Unsere Stadträtin Annabelle Kalckreuth appelliert an die Stadtspitze: „Trauen Sie sich nun auch, unseren Straßenraum gerecht zu verteilen!“

Rede von Stadträtin Annabelle von Kalckreuth zu TOP 32 der Gemeinderatssitzung am 8.12.2020: Fuß- und Radentscheid

Sehr geehrte Damen und Herren,

Meinen heutigen Beitrag beginne ich mit einem Zitat zu den Plänen der Pariser Bürgermeisterin Anne Hildago, die Anzahl an Autos in ihrer Stadt drastisch zu reduzieren:

“Wer mag, kann Anne Hidalgos Pläne gerne radikal nennen. Wahrscheinlich sind sie aber vor allem alternativlos. Wie praktisch alle großen Städte hat auch Paris ein Platzproblem. Der Siegeszug des Autos im 20. Jahrhundert hat das Gleichgewicht im öffentlichen Raum in Richtung Kraftfahrzeug verschoben. Es geht nicht einseitig darum, den Verkehr zu reduzieren, sondern gleichzeitig die Stadt als Lebensraum für alle aufzuwerten.
Ganz egal, wie man zu den tiefgreifenden Plänen der aktuellen Bürgermeisterin von Paris steht: Genau so eine Diskussion fehlt uns in Deutschland. Weil sie den Menschen in den Mittelpunkt der Verkehrswende stellt und Raum schafft, für kreative Lösungen.”

Dieses Zitat stammt nicht aus der TAZ, nicht vom Verkehrsclub Deutschland oder dem ADFC, nein es handelt sich um einen Beitrag in der Zeitschrift Auto, Motor und Sport aus diesem Februar.

Stadträtin Annabelle von Kalckreuth (Bild: Britt Schilling)

Der Fuß- und Radentscheid hat genau diese Diskussion – nämlich die, den Menschen in den Mittelpunkt der Verkehrsplanung zu stellen, auch  in Freiburg angestoßen. Mit großem Erfolg. In kurzer Zeit haben mehr als 20.000 Menschen ihre Unterschrift  für mehr Lebensqualität, Klimaschutz, Sicherheit und Flächengerechtigkeit abgegeben. Das ist ein großartiger Erfolg und ich danke all denen, die sich dafür engagiert haben!

Nun hat unser Rechtsamt den Bürgerentscheid für unzulässig erklärt. Diese Entscheidung möchte ich nicht anzweifeln.

Es wird kein Bürgerbegehren geben!

Nach all den Bekundungen der Stadtspitze, grundsätzlich hinter dem FR Entscheid  zu stehen hätte ich mir gewünscht, dass die Ziele in den Vorlagen aufgegriffen oder übernommen werden. Wir sind in Deutschland Vorreiterstadt für nachhaltige Mobilität und das wollen wir unbedingt bleiben!

Die präsentierten Vorlagen sind gut, ihnen fehlt meiner Ansicht nach aber ein klares politisches Bekenntnis.

Die Mehrheit der Gemeinderät*innen möchte die vom FR Entscheid eingeforderte Verkehrswende.

Ich freue mich sehr,  dass wir heute nach anfänglichen Unwägbarkeiten und zähen Verhandlungsrunden auf einen gemeinsamen Nenner gekommen sind und auch anfängliche Skeptiker*innen mit ins Boot holen konnten.

Wir beauftragen die Verwaltung heute, die Zielvorstellungen des FR Entscheids umzusetzen! Das hätte ich vor wenigen Wochen echt nicht gedacht! Dank an Bürgermeister Martin Haag!

An alle Skeptiker*innen:

Das Auto verliert für Großstädter*innen meiner Generation und der darunter an Stellenwert. 44% der Freiburger Haushalte leben ohne Auto. Dennoch steigt die Anzahl der Fahrzeuge hier rapide an. Wir haben in der Stadt den Luxus, super mobil sein zu können, auch ohne das eigene Kraftfahrzeug vor der Haustür stehen zu haben. Laut ADAC Umfrage sind 42 % der Großstädter dafür, Zu Fuß Gehenden und Radlern mehr Platz zulasten des Autoverkehrs zu geben. Nur 19 % sind dagegen, der Rest hat keine Meinung.

Die von Herrn Schillinger gern angebrachte Karstadt-Verkäuferin, die im Umland wohnt und ihr Kind vor der Arbeit in die Kita fahren muss, stünde in einer Stadt, wie wir sie uns vorstellen, wahrscheinlich weniger im Stau. Idealerweise findet sie mithilfe einer Parkplatz-App sogar problemlos einen Parkplatz. Denn wenn Parkplätze und Autostraßen zugunsten von Fuß und Radwegen zurückgebaut werden nimmt der Autoverkehr ab und der Rad- und Fussverkehr zu, so die induzierte Verkehrsforschung.

Herr Horn, Herr Haag, trauen sie sich!  Sie haben sich getraut, öffentlich Tempo 30 zu fordern und haben dafür viel Wut abbekommen, obwohl Sie darüber gar nicht entscheiden können. Wir haben uns hinter Sie gestellt!

Trauen Sie sich nun auch, unseren Straßenraum gerecht zu verteilen, gerne auch erst einmal temporär. Das haben Sie in der Hand! Was man einmal erlebt hat, das nimmt einem oft die Angst und das nimmt einem keiner mehr weg.

Ich möchte auch Herrn Breiter in die Verantwortung nehmen:

Wenn das Parken auf Gehwegen kosequent geahndet werden würde könnten viele Zu Fuß Gehenden sicherer unterwegs sein. Es ist gut, dass sie das nun in zwei Pilotquartieren konsequent angehen, den Parkraum bewirtschaften und die Parkplätze auf den Gehwegen streichen. Wir haben beantragt, diese Pilote sukzessive auf die ganze Stadt auszuweiten.

Die Sicherheit der Zu Fuß Gehenden steht vor dem Recht auf einen Parkplatz. Dies ist einklagbar und wird auch vom Verkehrsministerium so propagiert. Nun müssen wir es „nur noch“ umsetzen.  Sie befürchten in Ihrer Vorlage, dass das konsequente Ahnden von Falschparken zu gesellschaftlichen Verwerfungen führen wird. Kommt doch darauf an, wie man es kommuniziert. Mich erreichen sehr viele Zuschriften von Menschen, die sich bedanken, dass wir mehr Platz für sie auf den Gehwegen schaffen wollen. Das sind Menschen, die sich jetzt nie beschweren, obwohl sie strukturell benachteiligt werden. Kommunizieren Sie das positiv.

Fast jeder fünfte Unfall mit Fußgängern in Deutschland passiert im ruhenden Verkehr. Und Freiburg führt die Unfallstatistik in Baden Württemberg leider  – noch – an.

Eine kommunale Verkehrswende lässt sich nur verwirklichen, wenn nachhaltigen und umweltverträglichen Mobilitätsformen ein deutlich größerer Anteil des öffentlichen Verkehrsraums zugestanden wird.

Es ist gut, dass deutlich mehr Personal als bisher sich um Mobilitätsthemen – inklusive Pendler*innen, Multimodallität, ÖPNV- beschäftigen soll. Wir erteilen diesem neuen Personal (und auch dem alten) einen klaren Auftrag: Macht Verkehrswende, setzt Euch die Ziele des FR Entscheids als Messlatte, versucht umzusetzen, was gefordert wird. Für mehr Lebensqualität, Klimaschutz, Sicherheit und Flächengerechtigkeit! Das wird gut!

Auch wenn die Kassen klamm sind müssen diese Ziele sich im Haushalt widerspiegeln. Verkehrswende ist mehr als  FR 3 bauen!

Anne Hidalgo ist, obwohl sie 70% der öffentlichen Parkplätze abschafft, Autostraßen zu Radwegen umfunktioniert etc mit einer eindeutigen Mehrheit wieder gewählt worden. Keiner ihrer Konkurrenten hat ihr die Projekte strittig gemacht.

Nehmen Sie unseren Antrag als klaren Auftrag, jetzt zu handeln. Stimmen sie ihm zu, Herr Horn! Zukunft wird aus Mut gemacht. Den brauchen Sie jetzt – eine Mehrheit der hier vertretenen Personen unterstützt sie dabei! Und wenn sie mutig genug sind, dann unterstützen sie vielleicht auch bald diejeneigen, die jetzt noch skeptisch sind.

Dankeschön!

Gemeinderatssitzung am 8.12.2020 Rede von Annabelle von Kalckreuth