Rede

„Eine Partnerschaft ist nicht immer einfach“ – Diskussion zu Freiburgs Städtepartnerschaften

Der Freiburger Rathausplatz
Vor dem Freiburger Rathaus sind die Wappen der zwölf Partnerstädte gelegt.

Heute wurde im Gemeinderat über die zahlreichen internationalen Kooperationen, die die Stadt Freiburg pflegt, diskutiert. Das hatten wir beantragt. Die Beziehungen zu den Partnerstädten werden von der Stadt und auch eigenen Vereinen und vielen anderen Aktiven mit Leben gefüllt. Stadträtin Anke Wiedemann lobt in ihrer Rede diese Aktivitäten. Aufgrund der kontroversen Diskussionen zu unserer Partnerschaft mit Isfahan fordert sie einen runden Tisch mit Zivilgesellschaft und Verwaltung, der Leitlinien für den Umgang mit unseren Partnerstädten erarbeitet werden soll, in denen Menschenrechte nicht geachtet werden. Da wir noch keine Partnerstadt auf dem afrikanischen Kontinent haben, soll diese Lücke bald geschlossen werden.

Rede von Stadträtin Anke Wiedemann zu TOP 6 der Gemeinderatssitzung am 5.10.2021 „Sachstandsbericht zu den internationalen städtischen Partnerschaften und Kooperationen“

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, 

und, das freut mich besonders, liebe Vertreterinnen und Vertreter der Vereine, die die Städtepartnerschaften mit Leben füllen – schön, dass Sie heute da sind und vielen herzlichen Dank für Ihr großes bürgerschaftliches Engagement!

Die Vorlage zeigt beeindruckend, mit welchen Städten wir Partnerschaften führen und was alles auf unterschiedlichen Ebenen stattfindet: Mit zwölf aktiven Städtepartnerschaften und zahlreichen weiteren Kooperationen fördert die Stadt Freiburg die Begegnungen zwischen Freiburger*innen und Bürger*innen aus der ganzen Welt. 

Städtepartnerschaften gelten nach wie vor als wichtiges Mittel der Aussöhnung und Verständigung. Neben den klassischen Partnerschaften, die teils seit Jahrzehnten bestehen (die älteste Partnerschaft ist heute 62 Jahre alt), kam es in den letzten Jahren zu einer verstärkt projektbezogenen Zusammenarbeit in den Themenfeldern Klimaschutz, erneuerbare Energien und nachhaltige Stadtentwicklung und es bestehen multilaterale Kooperationen in verschiedenen Netzwerken und zu einer Vielzahl von Themen. Es freut mich besonders, dass die Stadt auch zunehmend Projekte der kommunalen Entwicklungszusammenarbeit vorantreibt, wie beispielsweise in einem Projekt zur Trinkwasserversorgung im ländlichen Raum Wiwilis, unserer Partnerstadt in Nicaragua. Auch die Klimaprojektpartnerschaften mit Kommunen in Peru sind ein gelungenes Beispiel dafür, wie die Zusammenarbeit in einem Themenbereich aussehen kann. Den Bereich der kommunalen Entwicklungszusammenarbeit gilt es auszubauen und zu stärken. 

Eine Kooperation in diesem Sinne würde sich besonders mit einer Kommune auf dem afrikanischen Kontinent anbieten – bisher gibt es keine afrikanische Kooperation und diese Lücke gilt es bald zu schließen. Erste Besuche fanden mit der Stadt Accra in Ghana statt, das Interesse von städtischer Seite ist vorhanden und NGOs sind sowohl in Freiburg, als auch in Accra aktiv. 

Aber warum überhaupt Kooperationen ausbauen und vertiefen? Ich könnte Ihnen als Politikwisisenschaftlerin jetzt erzählen, warum Kooperationen sinnvoll sind und sich lohnen, aber, liebe Kolleginnen du Kollegen, wir teilen hier ja auch immer wieder persönliche Erfahrungen miteinander und ich möchte gerne einen persönlichen Zugang zur heutigen Diskussion mit Ihnen teilen:

Ich durfte die meiste Zeit meines bisherigen Lebens in dieser schönen Stadt verbringen, aber ich hatte auch das große Privileg, an vielen anderen Orten der Welt zu leben, unter anderem mehrere Monate in der Provinz Aceh im äußersten Norden Indonesiens. Die Region, die jahrzehntelang von einem Bürgerkrieg geprägt war, 2004 so schlimm von einem Tsunami getroffen wurde und in der die Sharia-Gesetzgebung herrscht. Ich habe dort viele Menschen kennengelernt, die nicht unbedingt immer mein westliches, eurozentrisch geprägtes Weltbild, meine Vorstellungen von Demokratie und Menschenrechten, geteilt haben. Viele Gespräche regten zum Nachdenken an, zur vertieften Beschäftigung mit verschiedenen Themen. Wir entwickelten oftmals ein gegenseitiges Verständnis füreinander und ich bin nach wie vor überzeugt, dass sich unsere Denkweisen erweiterten, es uns möglich war „über den eigenen Tellerrand zu schauen“, ohne unbedingt die eigenen Positionen verlassen zu müssen.

Warum erzähle ich Ihnen das?

Weil ich davon überzeugt bin, dass der Dialog der richtige Weg ist. 

Wir haben heute auch einen Antrag vorliegen, der die Städtepartnerschaft mit Isfahan gerne – und ich zitiere „auf  politisch-repräsentativer Ebene auf Eis legen möchte“.  Das halte ich aus gleich zwei Gründen für naiv: Erstens suggeriert „Auf Eis legen“, dass die Städtepartnerschaft auch schnell wieder aufgetaut werden kann: Die geforderten Punkte und damit ein kompletter politischer Wandel wird in absehbarer Zeit nicht passieren: Auf Eis legen heißt hier konkret, die Städtepartnerschaft mit Isfahan aufzukündigen und alle Kontakte abzubrechen.

Zweitens halte ich es für naiv, zu glauben, dass wir uns auf der einen Seite von der „politisch-repräsentativen Ebene“ zurückziehen können und gleichzeitig als Stadt und Mandatsträger*innen Kontakte zu oppositionellen Gruppierungen und Zivilgesellschaft führen können. „Hallo Bürgermeister von Isfahan, wir möchten Dich nicht so gerne treffen, aber wären vielleicht Gespräche mit der Opposition drin?“. So funktioniert das nicht. Vom nicht miteinander Reden ist noch keine Demokratie entstanden.

Wie beschrieben halte ich die Aufrechterhaltung eines Dialoges für den richtigen Weg, aber ein solcher Dialog muss auch eine kritische Auseinandersetzung mit Menschenrechten und das Anmahnen von Menschenrechtsverletzungen umfassen, das ist richtig und wichtig.

Anke Wiedemann

Und das nicht nur mit Isfahan, sondern auch in anderen Partnerstädten, deren Regime Menschenrechte nicht achten, wie etwa in Wiwili. Eine kritische Auseinandersetzung muss möglich sein und gelebt werden. Und für uns ist es wichtig, dass der Kontakt zu den Zivilgesellschaften gepflegt und ausgebaut wird und der Austausch auch mit beispielsweise Oppositionellen möglich ist. Das wünsche und erwarte ich mir in unseren Städtepartnerschaften – und eine Partnerschaft ist nicht immer einfach.

Wir möchten aber nicht „Schluss“ machen. Uns geht es nicht darum, eine Städtepartnerschaft auf Eis zu legen oder aufzukündigen, aber darum die aktuellen und die zukünftigen Partnerschaften gemeinsam anzuschauen und zu überlegen: Wie können wir politisch auf Menschenrechtsverletzungen reagieren? Wie gehen wir mit offiziellen Partner*innen um, deren Parteien Menschenrechtsverletzungen zu verantworten haben? Welche doch recht überschaubaren Mittel bzw. Handlungsoptionen haben wir auf kommunaler Ebene zur Hand? Was kann die Stadt Freiburg implementieren, um die lokalen Zivilgesellschaften zu stärken? Was braucht es, damit auch kritische Partnerschaften gelebt werden können? Welche Kriterien legen wir an? An dieser Stelle hätten wir uns in der Vorlage konkretere Antworten auf unsere Anfrage vom vergangenen Oktober gewünscht.

Wir sollten uns auch anschauen, wie die Städtepartnerschaft im Iran und Nicaragua rezipiert wird. Es darf nicht passieren, dass sich der Iran mit einer deutschen Städtepartnerschaft  schmückt und versucht dadurch auch Legitimation der eigenen politischen Existenz zu verschaffen.

Um die genannten Themen und Fragen möchten wir gerne einen runden Tisch zum Thema Städtepartnerschaften und Menschenrechte vorschlagen, an dem verschiedene Akteure aus Verwaltung, Gemeinderat, den Vereinen aber auch Expert*innen aus anderen Bereichen zusammen kommen und diese  Fragen behandeln. 

Daraus erhoffen wir uns einen – in der recht hitzigen Debatte-  konstruktiven Dialog und wir freuen uns sehr, dass so viele Rätinnen und Räte und damit ein sehr breites politisches Spektrum diese Idee unterstützt. Vielen Dank schon jetzt.

Es hat große Freude bereitet, die Vorlage zu lesen und es ist beeindruckend, welch vielfältige Projekte die Stadt Freiburg lebt. Ein herzliches Dankeschön geht an dieser Stelle an Herrn Burger und das gesamte Team des Referates für Internationale Kontakte.

Die Vorlage hat, neben viel Fernweh, auch den Wunsch aufkommen lassen, regelmäßig – und wir schlagen einen Turnus von zwei Jahren vor –  von den Aktivitäten zu erfahren. Wie viele Begegnungen fanden auf welchen Ebenen und in welchen Bereichen statt? Welche Kooperationen wurden vertieft oder neu angestoßen? Seit dem letzten Bericht sind sechs Jahre vergangen und wir wünschen uns regelmäßiger einen Sachstand, der das wichtige Engagement zum Ausdruck bringt und ihr Engagement würdigt.

Nun gilt es, nach 1,5 Jahren „Corona-Pause“ die Partnerschaften wieder zum Leben zu erwecken und unsere Bitte hier: denken Sie die Jugend ganz besonders gut mit, denn die wurde in der Pandemie besonders vergessen und die Begegnungen und Erfahrungen, die jung gemacht werden, prägen fürs Leben.

Vor weiteren Berichten wünschen wir uns nun aber zunächst sehr, dass nach einer so langen erzwungenen Pause durch Corona, echte Begegnungen bald wieder möglich sind. Wir freuen uns sehr darauf.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Gemeinderatssitzung am 5.10.2021

Rede von Anke Wiedemann