Tag der Debatte: Gemeinsam gegen Antisemitismus und Rassismus

Als Teil des Bündnisses FreiVAC hat sich auch der Kreisverband Freiburg von Bündnis90/Die Grünen am „Tag der Debatte“ am 19. Februar 2022 beteiligt. Für die Gemeinderatsfraktion hat Stadtrat Lars Petersen ein Grußwort gehalten.


Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich freue mich sehr, heute hier ein kleines Grußwort meiner Grünen Fraktion aus dem Freiburger Gemeinderat sprechen zu dürfen.
Nebenan demonstrieren wieder Tausende gegen eine vermeintliche Corona-Diktatur oder wähnen sich in einem Apartheid-Regime. Was für eine Verhöhnung von tatsächlichen Opfern von Rassismus und Diktatur. Die Teilnehmer*innen der Demo werden von Polizeibeamten dieser angeblichen Diktatur geschützt – zu Recht! Und sie können auch erfolgreich gegen diese Diktatur vor dem hiesigen Verwaltungsgericht klagen, Erfolg haben und danach doch die von ihnen gewünschte Route nehmen. Das ist alles Ausdruck eines funktionierenden Rechtsstaats und ich bin froh, dass das so ist. Wir leben nicht in einer Diktatur!
Man könnte diese Demonstrationen also durchaus als das abtun, was sie sind. Eine Meinungskundgebung, deren Inhalte man nicht teilen, aber hinnehmen muss.
Wenn aber auf diesen Demonstrationen auch mal der Hitlergruß gezeigt wird oder Pappschilder mit dem Begriff „Nürnberger Kodex“ hochgehalten werden, muss man dagegen aufstehen. Der Nürnberger Kodex stammt aus dem Urteil des Nürnberger Ärzteprozess von 1947, in dem hochrangige Nazi-Mediziner für unfassbar grausame und brutale Menschenversuche verurteilt wurden. Er besagt, dass medizinische Versuche an Menschen nur mit deren Einwilligung stattfinden dürfen. Wer die Menschheitsverbrechen der Nazi-Ärzte mit Corona-Impfungen gleichsetzt, verdient deshalb entschiedenen Widerspruch, denn er schlägt den Opfern der Nazi-Diktatur ins Gesicht.
Und deshalb bin ich froh, dass FreiVac und der Grüne Kreisverband diese Veranstaltung organisiert haben und wir hier gemeinsam ein Zeichen gegen den zunehmenden Antisemitismus, politischen Extremismus, aber auch antimuslimischen Rassismus setzen können.
Über 2.300 antisemitische Straftaten haben die Behörden im Jahr 2020 registriert, rund 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Das ist ein neuer Höchststand seit Beginn der Erfassung antisemitischer Straftaten. Im vergangenen Jahr haben die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen erheblich dazu beigetragen, antisemitische Vorurteile zu verbreiten.

Stadtrat Lars Petersen (Bild: Britt Schilling)

Ich meine jetzt nicht ausdrücklich die Freiburger Demos, aber man sah Armbinden mit der Aufschrift «ungeimpft», es war vom «Spritzenholocaust» die Rede und man forderte: «Keine Konzentrationslager für Ungeimpfte». Und natürlich müsse man «Rockefeller, Rothschild und Co.» auf die Finger klopfen. Dieser offen zur Schau gestellte Antisemitismus lässt mich schaudern.
Denn gleichzeitig findet jüdisches Leben in Deutschland immer noch nicht wieder mit einer Selbstverständlichkeit statt, wie wir uns das alle wünschen. Man werfe einen Blick auf die lange „Liste von antisemitischen Anschlägen und Angriffen im deutschsprachigen Raum nach 1945“. Sie beginnt 1950 und endet (Stand gestern) mit einem Reizgasangriff Anfang Oktober 2021 auf einen jungen Mann in Berlin, der einen Pulli mit einem Abzeichen der israelischen Armee trug.
Ich möchte, dass in Deutschland Jüdinnen und Juden zu jeder Zeit und an jedem Ort sichtbar Davidstern oder Kippa tragen können.
Und natürlich gilt das auch für Menschen muslimischen Glaubens. In den letzten zehn Jahren haben Angriffe auf Moscheen stark zugenommen, 2019 waren es 95, nach anderen Erhebungen über 140. Rein rechnerisch findet jeden Tag ein Übergriff auf Muslime oder Moscheen statt. Diese Angriffe gehen zu 90 % von Rechtsextremisten aus. Heute, am Jahrestag des schrecklichen rechtsextremen Anschlags in Hanau, bei dem der Täter acht Menschen mit Migrationshintergrund und eine deutsche Romni erschoss, muss aber auch daran erinnert werden, dass die AfD bis heute mit Begriffen wie „Kopftuchmädchen, alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse“ das Feindbild Islam pflegt. Mit Begriffen wie „Volksaustausch“ oder „Überfremdung“ wird vor einer vermeintlichen Gefahr für unseren Staat, unsere Gesellschaft und unsere Werteordnung gewarnt. Tatsächlich ist es nichts anderes als antimuslimischer Rassismus, gegen den wir unsere Stimme erheben müssen, wenn er sich uns zeigt.
Lassen Sie uns deshalb gemeinsam gegen Antisemitismus, antimuslimischen Rassismus und politischen Extremismus aufstehen. Friedlich, freundlich, bestimmt – aber unnachgiebig in der Sache.
Vielen Dank!