Wahlrecht für alle: wichtiges Zeichen Richtung Bundesebene

Etwa 10 % der Freiburger*innen können aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht wählen, obwohl sie seit Jahren hier wohnen und arbeiten. Stadträtin Anke Wiedemann erklärt, warum sich unsere Fraktion für ein Wahlrecht für alle einsetzt und einen Beitritt zur Erklärung „Unsere Städte – unsere Stimmen“ befürwortet.

Rede von Stadträtin Anke Wiedemann zu Punkt 11 der Gemeinderatssitzung vom 25.4.2023: Beitritt zur Erklärung „Unsere Städte – unsere Stimmen“

Lieber Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren, 

Stadträtin Anke Wiedemann (Bild: Britt Schilling)

vielleicht erinnern Sie sich noch daran, wie sie zum ersten mal wählen durften. Wie aufgeregt Sie waren, endlich am politischen Prozess teilzuhaben und ihre Stimme abgebeben zu dürfen. Ich erinnere mich noch sehr gut: Ich war Tage vorher schon aufgeregt, habe Parteiprogramme gewälzt, Wahlkampfstände besucht, mit Freunden und Familie diskutiert und trug am Tag selbst in meiner Euphorie die Farben der Partei, die ich wählte. Ich habe diese erste Wahl als wichtiges Ereignis auf dem Weg zum Erwachsensein empfunden und als Schritt der gesellschaftlichen Teilhabe. Ich muss gestehen, dass die Euphorie von damals nicht mehr bei jeder Wahl in diesem Ausmaße gegeben ist. Und gleichzeitig ist dieses Wahlrecht ein Privileg, andere sprechen auch von einer demokratischer Pflicht.

Vielen Menschen, die oft seit Jahren, gar Jahrzehnten, in unserer Stadt leben, sich engagieren und Steuern zahlen, wird dieses Recht, dieses zentrale politische Beteiligungsinstrument, NICHT zugestanden. Freiburgerinnen und Freiburger mit Migrationshintergrund, die weder die deutsche, noch  eine EU-Staatsangehörigkeit besitzen, sind bis heute auf allen staatlichen Ebenen – Bund, Land und Kommune – von der Teilhabe an der politischen Willensbildung über Wahlen ausgeschlossen. Aktuell betrifft das in Freiburg in Bezug auf die Kommunalwahl knapp 24.000 Menschen, d.h. rund 10 % der Freiburger*innen besitzen keine EU-Staatsbürgerschaft und dürfen somit nicht wählen. So wird ein großer Teil unserer Bevölkerung durch die städtischen Gremien nicht repräsentiert, obwohl in ihnen wichtige Entscheidungen für sie getroffen werden.

Viele andere EU-Staaten sind hier weiter und Drittstaatsangehörige dürfen auf kommunaler  Ebene  über Wahlen an der politischen Willensbildung mitwirken. Zahlreiche zivilgeselschaftliche Initiativen und MigrantInnenvertretungen setzen sich seit vielen Jahren für eine Gesetzesänderung in Deutschland ein, auch von Freiburg aus und für Freiburg. Vielen Dank an dieser Stelle an den Verein „Wahlkreis 100 %“ und den MigrantInnenbeirat, die sich seit vielen Jahren für das kommunale Wahlrecht für Drittstaatsangehörige einsetzen und dazu informieren. Wahkreis 100 % organisert in Freiburg regelmäßig zu Wahlterminen symbolische Wahlen.

Mittlerweile gibt es auf Bundesebene im Bereich Migration und Integration Bewegung – aus unserer Sicht ein gutes Zeitfenster, um die Forderung nach einem kommunalen Wahlrecht bundesweit erneut zu bekräftigen. Durch die Initative deseuropäische Netzwerk „Voting Rights for ALL Residents“ gibt es dazu inzwischen die europäische Städte-Erklärung „Unsere Städte, unsere Stimmen“, die bereits von einigen deutschen Kommunen – darunter Mannheim – unterzeichnet wurde.

ESfA, SPD/Kulturliste, JUPI, FDP/BfF und meine Fraktion haben im Februar einen interfraktionllen Antrag gestellt und befürworten die Unterstützung der Initiative und wünschen uns, dass Freiburg der Städteerklärung „Unsere Städte -unsere Stimmen“ beitritt. 

Hierbei handelt es sich um einen symbolischen Akt, da wir auf kommunaler Ebene keine Gesetzesänderungen und eine Änderung des Wahlrechts beschließen können, jedoch wird hier der Willen der Stadt zum Ausdruck gebracht und wir hoffen, dass sich viele andere Städte und Kommunen anschließen und dementsprechend ein wichtiges Zeichen Richtung Bundesebene gesendet wird und die erforderlichen Gesetzesänderungen angepackt werden. Nicht zuletzt geht es uns um ein Zeichen der Solidarität mit alle Freiburgerinnen und Freiburger, die von der kommunalpolitischen Teilhabe durch Wahlen ausgeschlossen sind. Wir wünschen uns, dass sich das ändert.

Vielen Dank.