Rede

„Ja zum Boxen-Stopp!“

Die Debatte um die Nutzungskonflikte im Öffentlichen Raum geht weiter, denn nach wie vor ist die Situation für die Anwohner*innen am Seepark nicht zufriedenstellend. Wieso eine gesonderte Grünflächen- bzw. Parkanlagensatzung ein sinnvolles zusätzliches Element sein kann, erläutert Stadtrat Lars Petersen in seiner Rede.

Rede von Stadtrat Lars Petersen zu TOP 13 der Gemeinderatssitzung vom 16.05.2022 „Beschluss einer Satzung über öffentliche Park-, Spiel und Sportanlagen der Stadt Freiburg (Parkanlagensatzung)“ (G-23/107)

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Ein schlauer Jurist hat mal folgendes gesagt:

„Wenn es NICHT notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann IST es notwendig, KEIN Gesetz zu machen.“

Lassen Sie uns die heute zur Diskussion stehende Grünflächensatzung mal als ein „Gesetz“ in diesem Sinn verstehen.

Ist es also notwendig, eine Grünflächensatzung zu machen? Wenn nicht, ist es dann notwendig, KEINE Grünflächensatzung zu machen?

Zu letzterem: Ich meine nein, denn es IST notwendig, eine Grünflächensatzung zu machen.

Ich selbst bin ja ein großer Freund von Appellen an die Vernunft, um Menschen von einem sozialverträglichen Verhalten zu überzeugen und sie in die gewünschte Richtung zu bewegen. Ja, ich oute mich, dass ich immer noch ein Freund der „Säule der Toleranz“ bin. Wer es zunächst mal mit freundlicher Ansprache oder eben einer Art „Verhaltensampel“ versucht, hat keine Häme, sondern Unterstützung verdient. Auch in diesem Zusammenhang deshalb ein kleiner Gruß an unsere NachtmediatorInnen.

Aber als Strafrechtler weiß ich nur zu gut, dass Appelle eben nicht immer genügen, sondern leider nicht zu selten auch ein staatliches Verbot notwendig ist. Und für den Fall, dass Verbote ausgesprochen werden müssen, die ggf. auch die Grundlage für die Anwendung von Zwang sein können, müssen staatliche Eingriffsnormen klar und unzweideutig sein – unter anderem dadurch zeichnet sich ein Rechtsstaat aus.

Wie sieht das nun bei der Grünflächensatzung aus?

Neben den zahlreichen dort geregelten Aspekten begrüße ich zunächst das künftige Verbot von „Einweggrills“. Ansonsten möchte ich mich hier auf das einzig wohl wirklich neue und strittige Thema beschränken: Den „Boxen-Stopp“. Und da geht´s nicht um im Kreis fahrende Rennautos, sondern um tragbare Musikabspielgeräte, die künftig ab 23:00 schlicht verboten sind.

Ich darf daran erinnern, dass Grüne, SPD-Kulturliste, CDU, FW und FDP-BFF am 11.04.2022 an Sie, Herr Oberbürgermeister, und an den Polizeipräsidenten Semling einen offenen Brief über die Situation am Seepark gerichtet haben. Im Ergebnis blieb dieser Brief wohl folgenlos, denn aus dem Sommer 2022 sind vor allem aus dem Seepark wieder schlimme Nachrichten zu hören. Die Menschen leiden tagsüber wie auch nachts unter permanenter Musikbeschallung durch „nervige Boomboxen im Park“. Stefan Schillinger ist von uns allen mit Sicherheit derjenige mit der absolut größten Textsicherheit bei Popsongs der letzten Jahrzehnte. Warum? Bestimmt, weil er gern unter Dusche singt, vermutlich aber eher, weil er Seepark-Anwohner ist.

Ich empfehle allen in diesem Gremium, mal mit den AnwohnerInnen des Seeparks zu sprechen. Der Leidensdruck der Menschen dort, die sich auf Versammlungen mit Sätzen wie „ich wohne zum Glück in zweiter Reihe“ vorstellen, ist schlicht unvorstellbar. Die Menschen wünschen sich nichts sehnlicher als ein nächtliches Verbot von Boxen und sie verdienen in dieser Hinsicht unsere Solidarität.

Ich halte das Boxenverbot deshalb für richtig.

Es trifft zwar zu, dass wir in der derzeit geltenden Polizeiverordnung auf den ersten Blick eine Eingriffsermächtigung haben, in der es um Geräuschbelästigungen geht. Boxen dürfen nach § 1 der PolVO nur in solcher Lautstärke betrieben oder gespielt werden, dass unbeteiligte Personen „nicht erheblich belästigt oder gestört“ werden. Diese Formulierung, die gleich drei unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, ist zum Schutz der konkret von nächtlichem Lärm an ihrer Gesundheit beschädigten AnwohnerInnen ungeeignet. Man sieht das nicht zuletzt daran, dass unsere Vollzugsdienst-MitarbeiterInnen sich vor Ort fragen lassen müssen, wie laut die Musik denn tatsächlich auf dem Balkon des Anrufers ankomme und ob denn das Dezibel-Messgerät überhaupt geeicht sei. Ich finde, dass wir die Arbeitszeit unserer Vollzugsdienst-MitarbeiterInnen sinnvoller einsetzen sollten.

Die Polizeiverordnung ist aber auch deshalb unpraktikabel, weil Polizeiverordnungen eben nur Ge- und Verbote zur Abwehr abstrakter Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung regeln dürfen. Hier geht es aber um die Ausgestaltung der konkreten Nutzungsregelungen einer öffentlichen Einrichtung, und zwar, z.B. neben recht kleinteiligen Regelungen über Slackline und sonstige Trendsportarten ganz konkret um das tagelange Unmöglichmachen von nächtlichem Schlaf.

Und da ist eben ein glasklar formuliertes Verbot von Boxen eine geeignete und mit Blick auf die zeitliche Geltung ab 23:00 Uhr auch verhältnismäßige Maßnahme.

Satzungen erlassen ist aber das eine, Anwendung und Umsetzung in der Realität das andere. Wir werden daher auch weiterhin mit den AnwohnerInnen, aber auch der frisch installierten „Präventionsgruppe Seepark“ in Kontakt bleiben und schauen, ob die neuen Regelungen den gewünschten Effekt haben oder ob es unerwünschte Nebenwirkungen gibt – wir können dann zu gegebener Zeit ggf. auch eine Novelle der Satzung in Angriff nehmen. Ich bin sicher, dass man schon im Herbst eine erste Einschätzung wird vornehmen können, ob unsere Maßnahmen Wirkung erzielt haben.

Wir werden der vorgeschlagenen Satzung deshalb zustimmen.

Ach so: man sagt ja, dass man immer schlauer ist, wenn man das Rathaus verlässt, deshalb noch kurz folgendes: Der schlaue Jurist, den ich eingangs zitierte, war weder Johannes Gröger und schon gar nicht ich selbst – sondern Montesqieu.

Vielen Dank!