Interview

„Positiv, dass nun angemessene Bewohnerparkgebühren höchstrichterlich bestätigt wurden.“

Gestern hat in Leipzig das Bundesverwaltungsgericht die Freiburger Bewohnerparkgebührensatzung für ungültig erklärt. Wir haben mit unseren Stadträt*innen Annabelle Kalckreuth und Timothy Simms über das Urteil und die Folgen gesprochen.

Wie habt Ihr die Entscheidung aus Leipzig aufgenommen?

Annabelle: Es war ein langer Prozess, bis wir in Freiburg ein entsprechendes Gebührenmodell ausgearbeitet hatten und die politischen Mehrheiten dafür organisiert hatten. Insofern ist es natürlich erstmal total ärgerlich, dass die Satzung nun durch das Gericht gekippt wurde. Wir hatten eigentlich alle nach dem Urteil in der letzten Instanz die Hoffnung, dass unsere Regelung Bestand hat. 

Wie bewertet ihr das Urteil?

Stadtrat Timothy Simms (Bild: Britt Schilling)

Tim: Als wir 2021 die neuen Bewohnerparkgebühren von im Schnitt 360 Euro auf den Weg gebracht haben, ging es uns darum, endlich angemessene Preise für die Nutzung des öffentlichen Raums aufzurufen und durch die damit generierten Einnahmen den Ausbau von Fuß- und Radwegen zu finanzieren. Positiv an dem Urteil ist deshalb, dass nun höchstrichterlich bestätigt wurde, dass Gebühren in dieser Höhe zulässig sind – denn die angeblich unverhältnismäßige Gebührenhöhe war eigentlich der zentrale Kritikpunkt im Gemeinderat. 

Wenn die Gebührenhöhe okay ist – warum ist die bestehende Satzung dann ungültig?

Annabelle: Das Gericht führt in seiner Pressemitteilung drei Gründe an.

Stadträtin Annabelle von Kalckreuth (Bild: Britt Schilling)

Erstens ist das Gericht der Auffassung, dass die Staffelung der Gebühren nach Fahrzeuglängen so nicht verhältnismäßig und gerecht ist. Nur drei Kategorien 240, 360, 480 Euro sind zu wenig, weil das im Extremfall dazu führt, dass 50cm Längenunterschied zu einer doppelt so hohen Gebühr führen. Dass wir zu diesem Modell kamen, hatte rein pragmatische Gründe: Eine noch stärkere Staffelung mit mehr Kategorien wäre deutlich aufwendiger für die Verwaltung gewesen. Eigentlich hätten wir am liebsten ein Modell gehabt, dass sich an der Länge und Breite orientiert und gar keine Kategorien hat. Aber dazu braucht es erstmal die nötigen Datenschnittstellen, dass automatisch Gebührenhöhen berechnet werden können. Kann also gut sein, dass man da künftig eine Lösung findet, die auch gerichtsfest ist.

Zweitens: Einen zentralen Aspekt unseres Freiburger Gebührenmodells – eine soziale Abfederung durch ermäßigte Gebühren für Menschen, die Sozialleistungen beziehen – werden wir bei einer künftigen Neuregelung nicht so einfach umsetzen können. Das Gericht hat leider festgestellt, dass für Ermäßigungen für Menschen mit kleinerem Geldbeutel die Rechtsgrundlage fehlt. Das heißt: Wir können leider diese Ermäßigungen erst dann in der bisherigen Form wieder einführen, wenn das Bundesverkehrsministerium entsprechend rechtliche Grundlagen schafft. Angesichts dessen, dass der Minister von der FDP ist und die FDP ja bei der Schaffung sozialer Teilhabe gerne auf dem Bremspedal steht, stehen die Chancen leider eher schlecht, dass hier etwas geschieht.

Drittens: Das Gericht hat ja deutlich gemacht, dass keine Satzung zulässig ist, sondern das in Form einer Verordnung geregelt werden muss. Das Land schreibt in seiner Delegationsverordnung aber vor, dass nur eine Satzung zulässig ist… Muss man jetzt nicht verstehen, aber das bedeutet, wir werden jetzt halt eine Verordnung beschließen müssen, weil es nicht Satzung heißen darf. Ob es hierfür noch eine entsprechende Änderung der entsprechenden Delegationsverordnung des Landes bedarf, wird man sehen…

Wie geht es weiter?

Tim: Die Stadt wird sicher die detaillierte Urteilsbegründung abwarten, damit die nächste Regelung dann auch rechtlich wasserdicht ist. Uns als Gemeinderät*innen stehen nun wieder Gespräche untereinander bevor, um ein neues Gebührenmodell zu erarbeiten, das eine politische Mehrheit findet. Wir werden alles tun, um eine rasche Lösung zu finden.