Rede

Jom Ha’Atzma’ut 2024

Wir dokumentieren die Rede von Stadtrat Jonathan Ben-Shlomo auf der Feier zum Tag der Unabhängigkeits Israels auf dem Platz der alten Synagoge.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Zunächst einmal bedanke ich mich herzlich für die Einladung und die Möglichkeit, einige Worte anlässlich des heutigen Gedenktages Jom Ha’Atzma’ut an Sie richten zu dürfen.

Stadtrat Dr. Jonathan Ben-Shlomo (Bild: Britt Schilling)

Zu meiner Person: Mein Name ist Jonathan Ben-Shlomo. Als Mitglied der Grünen Fraktion bin ich seit 2023 im Freiburger Stadtrat. Seit 2013 bin ich Vize-Präsident von MAKKABI Deutschland und dort verantwortlich für den Bereich Finanzen. 

Jom ha’Atzma’ut ist der Tag der Unabhängigkeit Israels und markiert nicht nur die Gründung des modernen Staates Israel, sondern auch ein symbolisches Wiedererwachen der jüdischen Nation.

Er erinnert uns daran, dass die Errichtung eines souveränen Staates für das jüdische Volk nicht nur ein politischer Akt, sondern auch ein tiefer Ausdruck seiner historischen und kulturellen Identität ist. 

Es ist ein Tag der Feier, des Stolzes und der Dankbarkeit für diejenigen, die unermüdlich für die Errichtung und Erhaltung dieses Staates gekämpft haben.

Die Bedeutung von Jom ha’Atzma’ut geht jedoch weit über den politischen Aspekt hinaus. 

Es ist ein Tag, an dem die kulturelle Vielfalt und die unerschütterliche Entschlossenheit des israelischen Volkes gewürdigt wird, selbst inmitten von Herausforderungen und Hindernissen. 

Man erinnert an die Verpflichtung, für Frieden, Gerechtigkeit und Sicherheit in Israel und auf der ganzen Welt einzutreten. Jom ha’Atzma’ut ist eine Erinnerung daran, dass die Freiheit nicht selbstverständlich ist und dass wir sie stets verteidigen müssen.

Angesichts des Massakers vom 7. Oktober 2023 steht die jüdische Gemeinschaft, aber auch alle Verfechter demokratischer Werte vor einer neuen, möglicherweise unerwarteten, vor allem aber überaus schwierigen Herausforderung.

Denn es ist traurige Realität, dass die Gefahr durch Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit seit Jahrzehnten nicht so hoch war wie aktuell.

Wie bereits erwähnt, engagiere ich mich seit vielen Jahren ehrenamtlich im Präsidium von MAKKABI Deutschland.

MAKKABI Deutschland ist, wie Sie wahrscheinlich alle wissen, der Dachverband des jüdischen Sports in Deutschland: Aktuell führen wir etwa 40 Ortsvereine und mittlerweile rund 7.000 Mitglieder – Tendenz rasant steigend! 

Die Entsendung der deutsch-jüdischen Nationalauswahl zu den jüdischen Weltspielen der Maccabiah in Israel, zu Europameisterschaften oder die Veranstaltung eigener Großevents – zuletzt die historischen MAKKABI Deutschland WinterGames im bayerischen Ruhpolding – diese Aufgaben wurden längst erweitert. 

Warum?

MAKKABI Deutschland hat sich, wie auch seine Ortsvereine, geöffnet. 

Unsere Vereine und Events sind zugänglich für Menschen jeglichen Hintergrundes, sie sind also interreligiös und interkulturell und somit bestens geeignet, um Brücken zu bauen, Wissen zu transportieren und Werte zu vermitteln.

Doch auch außerhalb des eigentlichen Aktionsradius von MAKKABI zeigt sich der Bedarf nach dieser Aufklärungsarbeit mehr und mehr.

Der gesellschaftliche Wandel, die sich verändernde Parteienlandschaft und – wie wir spätestens seit dem 07. Oktober 2023 alle sehr deutlich spüren – der Einfluss von außen.

Nachrichten, insbesondere über die sozialen Medien, werden ungefiltert und ohne weitere Recherche übernommen und weiterverteilt. 

Insofern ist die Arbeit von MAKKABI Deutschland, maßgeblich die unseres Bildungsteams von Zusammen1, nicht nur einzigartig, sondern von dringender Notwendigkeit. 

Insbesondere im Fußball sind antisemitische Strömungen ohnehin seit jeher etabliert. Sprechchöre in den Stadien, individuelle Beschimpfungen, Statements auf Kleidung oder Transparenten.

Gerne nenne ich Ihnen einige äußerst unschöne Zahlen:

Laut einer wissenschaftlichen Studie zu den Antisemitismuserfahrungen der Mitglieder unserer MAKKABI-Ortsvereine 

  • waren 39 Prozent aller MAKKABI-Mitglieder, unabhängig ob jüdisch oder nicht, schon mindestens einmal von einem antisemitischen Vorfall selbst betroffen. 
  • Im Fußball liegt dieser Wert sogar bei 68 Prozent.
  • fühlen sich 38 Prozent der Befragten beim Tragen von MAKKABI-Kleidung außerhalb der Sportanlagen unsicher.
  • Fast die Hälfte (42 Prozent) der Befragten ist der Meinung, dass Makkabi-Mitglieder oftmals als Repräsentant*innen der israelischen Politik wahrgenommen werden.

Leider dürften die genannten Zahlen nach dem 7. Oktober noch negativer ausfallen.

Denn die von der islamistischen Terror-Organisation Hamas am 7. Oktober 2023 verübten Massaker und die weltweite Welle antisemitischer Gewalt sind ein Wendepunkt für die jüdische Gemeinschaft.

Positiv anzumerken ist, dass sowohl die Politik als auch die deutschen Sportverbände entschieden reagiert haben – doch ist das ausreichend?

Überhaupt ist die Resonanz im organisierten Sport auf unsere Bildungs- und Beratungsangebote erfreulich groß.

Ein innovatives Beispiel für unsere Maßnahmen sind pädagogische Trainings – also die Bildung gegen Antisemitismus und Diskriminierung direkt auf dem Platz und in Bewegung. 

Unsere Zielgruppen reichten bisher von Schulklassen und Kreisligisten bis zum Nachwuchsleistungszentrum des FC Bayern München oder der U21 Nationalmannschaft.

Darüber hinaus werden Workshops und Vorträge für Teamverantwortliche, Schiedsrichter*innen, Verbandsvertreter*innen und viele mehr angeboten.

Schwieriger ist es, wenn auf globaler Sportbühne der Hass gegen Israel zum Ausdruck gebracht wird.

Jüngstes Beispiel ist der Ausschluss des israelischen U20-Teams von der Eishockey Weltmeisterschaft – vermeintlich aus Sicherheitsgründen. Diese Entscheidung wurde nach Intervention glücklicherweise revidiert.  

Es gibt weitere Beispiele wie diverse Male, dass israelischen Sportlern der Handschlag verweigert wurde oder Gegner nicht antraten, weil der Kontrahent Israeli ist.

Aber auch von Seiten der Organisatoren wurde diese Form des Antisemitismus teils offen zur Schau gestellt, etwa beim Schwimm-Weltcup in Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten im Jahr 2013, als die Ergebnisse israelischer Schwimmer, und somit auch die israelische Flagge, nicht angezeigt und Siegerehrungen mit israelischer Beteiligung kurzerhand abgesagt wurden.

All das zeigt, dass sich politische Themen auch im Sport sehr deutlich zeigen. Insofern MÜSSEN wir das positive Potenzial des Sports nutzen als Plattform dafür, dass Menschen unterschiedlichster Hintergründe und Voraussetzungen zusammenkommen. Auch in unserer Sportstadt Freiburg, wo wir ein gutes Miteinander in vielen Sportvereinen leben, müssen wir das weiter fördern.

Entsprechend unserer Erfahrung können in unseren Vereinen auf niederschwellige Weise Vorurteile und Ressentiments abgebaut werden. Denn bei aller Tragik der letzten Monate gibt es bis heute wenigstens ein überaus positives Resümee: In unseren Ortsvereinen mit einem jüdischen Anteil von teils unter 20% bzw. einem teils sehr hohen muslimischen Anteil sind nach dem 7. Oktober bis heute keine antisemitischen Vorfälle bekannt.

Dennoch, die Geschehnisse in den unterschiedlichen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens, ob in Universitäten, beim Eurovision Song Contest, auf der Documenta oder auf Kundgebungen, sie zeigen uns die grausame Realität eines israelbezogenen Hasses, sie machen betroffen und sie fordern uns, die wir möglicherweise selbst einen Bezug haben, aber mindestens Verfechter unserer demokratischen Werteordnung sind, auf, für diese Werte einzustehen.

Jom Ha’Azma’ut ist ein israelischer Gedenktag. Doch heute mehr denn je steht die weltweite jüdische Gemeinschaft Seite an Seite,

In diesem Sinne möchte ich allen Israelis, egal wo sie sich auf der Welt befinden, herzlich zum Jom ha’Atzma’ut gratulieren. 

Auch wenn es aktuell schwer vorstellbar ist: Hoffen wir auf eine Zeit des Friedens, gegenseitigen Respekts sowie der Hoffnung und Zuversicht.

Am Israel chai!

Am 9. Juni sind Kommunal und Europa-Wahlen – stärken Sie unsere Demokratie und gehen Sie wählen!

Herzlichen Dank!