„Digitalisierung muss immer in enger Abstimmung mit der Bürgerschaft und uns als gewählter Vertretung dieser Bürgerschaft erfolgen!“ 10. Dezember 201928. August 2020 Freiburg hat heute eine Digitalisierungsstrategie! Gut so. Denn damit ist eine gute Grundlage geschaffen, die Potentiale der Digitalisierung so zu gestalten, dass sie nachhaltig und gemeinwohlorientiert wirken. In seiner Rede plädiert Stadtrat Timothy Simms dafür, auch künftig die Bürgerschaft und den Gemeinderat einzubinden und Befürchtungen aus der Bevölkerung ernstzunehmen Rede von Stadtrat Timothy Simms zu Tagesordnungspunkt 2 der Gemeinderatsratsitzung vom 10.12.2019: Digitalisierungsstrategie der Stadt Freiburg Sehr geehrter Oberbürgermeister Horn, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Stadtrat Timothy Simms (Bild: Britt Schilling) Freiburg. Digital. Gestalten. Gemeinwohlorientiert und nachhaltig. Erstmals legt die Stadt eine umfassende Digitalisierungsstrategie vor. Und erstmals diskutieren wir damit ein Thema umfassend, das bislang nur im Rahmen von Einzelmaßnahmen hier diskutiert wurde. Denn Digitalisierung war auch in den letzten 10 Jahren schon Thema, wir haben über Open Data und Open Government gesprochen, über die Digitalisierung unserer Schulen, über Infrastrukturaufgaben wie Öffentliches WLAN und Breitbandausbau. Aber jetzt ist die Gelegenheit, sich grundsätzlich mit dem Thema zu befassen. Deshalb seien mir einige einige grundsätzliche Vorüberlegungen zur Digitalisierung und dem Umgang damit erlaubt, bevor ich auf Drucksache und Beschlussvorschlag zu sprechen kommen. Das Verhältnis von Technik und Gesellschaft ist Komplex. Das gilt auch für die Digitalisierung. Gerade bei der Digitalisierung hat man oft den Eindruck, dass ein simpler Technikdeterminismus – dass also das Technische das Gesellschaftliche bestimmt – eine vorherrschende Denkrichtung ist. Eine Logik, der man sich nicht entziehen kann und die rasch in einen „technological fix“ kippt: Dass nämlich man glaubt durch Technologieeinsatz würden sich soziale Probleme in Wohlgefallen auflösen. So als würden Schulen automatisch besser, wenn jeder Schüler ein Tablet. So als würde die Demokratie und die Politik automatisch bürgernäher, wenn alle in sozialen Netzwerken aktiv sind. So als würde autonomes Fahren unsere Verkehrsproblem in Luft auflösen. Dem ist nicht so. Verbunden wird diese Erzählung mit einem Bild von technischem Wandel, der diesen als Naturkraft beschreibt, der man sich garnicht entziehen könne. Die Schulen müssen volldigitalisiert werden, wenn sie erfolgreich bilden wollen, Politiker müssen bei Facebook aktiv sein, wenn sie erfolgreich sein wollen und so weiter. Aber ist dem so? Die beiden Stimmenköniginnen in diesem Gemeinderat sind nicht in sozialen Medien aktiv und die Waldorfschulen haben Zulauf – und aus meiner Erfahrung sind die Absolventinnen gut gebildete, kluge Menschen. Um es mit Dirk Baecker zu sagen, der eine beachtliche Theorie der Digitalisierung vorgelegt hat: „Die Digitalisierung ist keine Naturgewalt.“ Aber, so Baecker weiter: „Sie wirft politische, wirtschaftliche rechtliche, erzieherische, religiöse und Ästhetische Fragen auf, die allesamt beantwortet werden müssen und auf absehbare Zeit keine eindeutigen Antworten finden werden.“ Digitalisierung ist also ein Prozeß, den wir aktiv gestalten können und sollten. Wie bei jeder Technik gilt: Es gibt Chancen und Risiken. Es wäre daher unklug, Digitalisierung nur zu bejubeln. Technikeinsatz alleine macht erstmal nichts besser. Und ist daher auch verständlich, dass es Sorgen und Befürchtungen gibt. Die große Beteiligung an der 5G-Bürgerversammlung legt davon Zeugnis ab. Vor Verstrahlung habe ich keine Angst, in meinen Augen sind die Funktechnologien ausreichend erforscht. Aber: Es geht nicht alleine darum. Ich habe mit vielen Menschen in den letzten Monaten gesprochen, schon während des Wahlkampfs, die Angst haben, was ein unkritischer Technikeinsatz – z.B. im Sinne des oben beschriebenen Technological Fix – für Folgen haben kann. Die Angst haben, dass vor lauter Technik in der Schule die Kinder mit ihren Bedürfnissen vergessen werden. Die Befürchtungen haben, dass ihr Leben lückenlos überwacht wird. Die eine Verflachung des politischen Diskurses sehen, wenn nur noch Überschriften gelesen werden und selbst der eigentliche Zeitungsartikel zum kleingedruckten wird. Und diese Befürchtungen sind ja nicht unberechtigt. Man denke z.B. an Donald Trump. Es ist daher gut, dass alle Fragen der Bürgerversammlung sauber aufgearbeitet werden und hier zu einem späteren Zeitpunkt beraten werden. Ich komme zu unserer Digitalstrategie. Diese ist unter breiter Beteiligung der Bürger in Online- und Offlineverfahren erarbeitet worden. Und diese Strategie ist gut, denn sie macht nicht den Fehler, Technologie einfach als naturgegeben hinzunehmen, sondern erhebt den Anspruch diese mitzugestalten. Der Oberbürgermeister verweist deshalb zurecht immer wieder auf den Untertitel: Gemeinwohlorientiert und nachhaltig. Darauf kommt es an: Chancen zu nutzen – z.B. für besseren Bürgerservice – und Risiken zu vermeiden – z.B. in dem Datenschutz eine wichtige Rolle spielt. Ich habe – aufgrund langjähriger guter Zusammenarbeit – das Gefühl, dass die Digitalisierungstrategie bei Herrn Mutter und seinem Team in guten Händen ist. Gut finden wir auch, dass nun ein Grundsatzbeschluss erfolgt und nicht eine Carte Blanche mit zig Millionen vergeben wird. Sondern dass wir vielmehr jede einzelne Maßnahme mit einem eigenen Beschluss freigeben werden. Denn bei aller Bedeutung, bei allen Chancen, die sich bieten, werden wir immer überlegen müssen, ob es nicht andere Maßnahmen gibt, die für die Stadtgesellschaft wichtiger sind. Angesichts der Klimakrise gilt dies besonders. Denn Digitalisierung darf kein Selbstläufer in der Verwaltung sein, sondern muss immer in enger Abstimmung mit der Bürgerschaft und uns als gewählter Vertretung dieser Bürgerschaft erfolgen – damit gemeinwohlorientiert und nachhaltig nicht nur Schlagworte bleiben, sondern immer wieder in den Vordergrund rücken. Vielen Dank!
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