Rede

Rede zum Tag der Unabhängigkeit Israels

Wir dokumentieren die Rede von Stadtrat Lars Petersen auf der Feier zum Tag der Unabhängigkeits Israels auf dem Platz der alten Synagoge.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich freue mich sehr, anlässlich des Unabhängigkeitstages Israels nicht nur mit meiner Band musizieren zu dürfen, sondern auch als Stadtrat der Grünen Gemeinderatsfraktion zu Ihnen sprechen zu dürfen.

Es ist heute ein Tag, an dem gefeiert werden sollte.

Denn als Ben Gurion vor 76 Jahren die Gründung des Staates Israel ausrief, erhielt das jüdische Volk endlich einen eigenen Staat – nach Jahrhunderten von Gewalt, Verfolgung und Antisemitismus und nach dem Zivilisationsbruch der Shoah – Sie wissen, dass an diesem Platz die Freiburger Synagoge stand, die in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 von der Freiburger SS in Brand gesetzt wurde.

Aus dieser historischen Tatsache erwächst die besondere Verantwortung Deutschlands für den Staat Israel, deshalb wird Deutschland auch weiterhin an der Seite Israels stehen und Israel kann weiterhin auf die Freundschaft Deutschlands zählen. Ein bewegendes Zeichen dafür war, wie vor 3 Jahren erstmals deutsche und israelische Kampfflugzeuge gemeinsam über das Konzentrationslager Dachau flogen und sich die Kommandeure der israelischen und deutschen Luftwaffe gegenseitig versicherten „Never again!“.

Der heutige Tag sollte uns aber auch immer eine Mahnung sein. Mit der Gründung des Staates Israel trat weder Frieden in Nahost ein, noch war der Antisemitismus verschwunden. Im Gegenteil: Noch in der Gründungsnacht erklärten Ägypten, Saudi-Arabien, der Libanon, der Irak und Syrien dem neuen Staat den Krieg.

Und den traurigen Höhepunkt jahrzehntelanger Auseinandersetzungen stellte der 07.10.2023 dar, als Terroristen der Hamas aus Gaza heraus den größten Massenmord an Juden seit dem Holocaust verübten und über 200 Geiseln verschleppten. Etwa 100 sind bis heute in der Gewalt der Terroristen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

diese Geiseln sind sofort freizulassen!

Der Jahrestag der Staatsgründung Israels wird von vielen Palästinenserinnen und Palästinensern aber bis heute mit Flucht und Vertreibung in Verbindung gebracht und als Nakba beschrieben. Für diese Menschen gehören zur Wahrheit auch die Besetzung des Westjordanlandes, die Annexion des Golan und Ostjerusalems und der Bau illegaler Siedlungen.

Für die Israelis gehören dazu Intifadas, Selbstmordattentäter in Bussen und Restaurants, Raketenangriffe auf Kindergärten – und der 07.10.2023.

Wer hier allerdings aufrechnet, ob Nakba gegen Holocaust oder von einem „Genozid“ spricht, den Israel angeblich begehe, verdient entschiedenen Widerspruch – wie übrigens auch diejenigen Widerspruch verdienen, die Israel das Existenzrecht absprechen und „From the River to the Sea, Palestine will be free“ fordern.

Wer das Existenzrecht Israels in Frage stellt, verlässt den Boden unseres Grundgesetzes!

Aber trotzdem: Jürgen Trittin hat Recht: „Ohne den Holocaust hätte es die Nakba nicht gegeben“. Hieraus erwächst für uns Deutsche die besondere Verantwortung, sich für eine Friedenslösung einzusetzen. Gerade die enge Freundschaft zu Israel ermöglicht es uns doch, Israel auch zu kritisieren, Israel an die Einhaltung des humanitären Völkerrechts zu erinnern und ggf. auch eine „Justizreform“ als das zu bezeichnen, was sie ist: Ein Angriff auf den Rechtsstaat Israel.

Und es ist auch mitnichten so, dass man in Deutschland Israel nicht kritisieren darf, ohne gleich als Antisemit bezeichnet zu werden. Wer das behauptet, ist einfach denkfaul und zieht sich bequem hinter vermeintliche „Sprechverbote“ zurück.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

als Stadtrat darf ich ein Thema nicht aussparen:

Freiburg ist die einzige Stadt Deutschlands, die mit Isfahan eine Städtepartnerschaft zu einer Stadt in Iran unterhält, einem Land, dass das Existenzrecht Israels bestreitet, einer der Finanziers der Hamas ist und Israel vor wenigen Wochen angegriffen hat.

Ich habe das Bestehen der Städtepartnerschaft – gerade auch als Freund der jüdischen Gemeinde – immer verteidigt. Auch bei einer Rede in der Synagoge.

Aber die jüngere Vergangenheit hat mich nun doch nachdenklich gemacht.

Bekanntlich soll man sich aber erst zu Entscheidungen durchringen, wenn man wirklich gut informiert ist. Dieser Moment ist bei mir noch nicht erreicht, ich bin aber inzwischen durchaus schwankend – und nehme diese Haltung auch in Teilen meiner Fraktion wahr.

Für den heutigen Tag danke ich Ihnen allen sehr für ihre Verbundenheit mit dem Staat Israel, ich danke allen Organisatoren im Hintergrund dieser Veranstaltung, ich danke der Freiburger Polizei für ihre – leider immer noch erforderliche – Anwesenheit bei Veranstaltungen dieser Art und ich danke meiner Band, die sich selbstverständlich bereit erklärt hat, heute hier für Sie zu musizieren.

Am Israel chai!