Rede

„Freiburger Weg: Sicherheitspartnerschaft weiterentwickelt“

Die zweite Fortschreibung der Sicherheitspartnerschaft zwischen Stadt und Land bringt nicht nur eine Stärkung des Polizeipräsidiums mit sich, sondern auch einen bunten Strauß an Maßnahmen für ein besseres Miteinander im öffentlichen Raum. Hilfe für Suchtkranke durch einen Drogenkonsumraum, ein Haus des Jugendrechts, mehr Nachtmediation – in seiner Rede begründet Lars Petersen, warum der Freiburger Weg zwischen Prävention und Repression der richtige ist.

Rede von Stadtrat Lars Petersen  zu TOP 8 der Gemeinderatssitzung vom 23.04.2024: „Zweite Fortschreibung der Sicherheitspartnerschaft zwischen dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Freiburg sowie Ausbau der Nachtmediation“ (G-24/067)

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Ich freue mich, heute hier – vielleicht zum letzten Mal – zur Sicherheitspartnerschaft sprechen zu dürfen. Und besonders freue ich mich, dass einer der ganz großen Aufreger der letzten Jahre nur ein Punkt unter vielen ist.

Stadtrat Lars Petersen (Bild: Britt Schilling)

Hier werden ja oft und gern Sprichworte zitiert. Ich will an dieser Tradition festhalten und aus meinen Asterix-Latein-Kenntnissen nur folgendes sagen: „Manhemium locuta, causa finita“. Der VGH hat gesprochen. Der VD wird aufgestockt; wir nehmen das zur Kenntnis. Ob es aber in der Vergangenheit wirklich nötig war, sich wegen dieses Themas den Untergang der Stadt Freiburg in eine Art Bronx oder – auf der anderen Seite – den direkten Weg in einen uniformierten Überwachungsstaat vorzustellen – ich weiß es nicht. Bei mir bleibt folgendes hängen: Immerhin habe ich bei einem – gelegentlich auch von mir – geschätzten Kollegen in einem meiner Redebeiträge zu diesem Thema hier offenbar so die Knöpfe gedrückt, dass er in seiner Rede mit erkennbar erhöhtem Puls sogar meinen Namen vergessen hat.

Aus dem bunten Strauß an Maßnahmen, über die wir in der Drucksache lesen können, möchte ich nur ein paar schlaglichtartig beleuchten.

Zunächst zum Haus des Jugendrechts:

Als ich vor 25 Jahren noch Jugendstaatsanwalt war, kam erstmals die Idee auf, die Professionen enger miteinander zu vernetzen, die regelmäßig mit „jugendlichen Intensivtätern“, so hieß das damals, zu tun hatten: Polizei, Jugendämter und Staatsanwaltschaft. Die Idee ist also nicht ganz neu. Ich freue mich deshalb, mich nach einem Vierteljahrhundert wieder mit einem Haus des Jugendrechts befassen zu dürfen. Inzwischen spricht man übrigens von „besonders auffälligen jugendlichen Straftätern (BajuS)“.

In Freiburg sind die Beteiligten auf einem guten Weg, Ende des Jahres können wir mit einem konkreten Plan zur Umsetzung der Ideen für ein HdJ rechnen. Meiner Fraktion wäre eine möglichst zentrale Lage des HdJ sehr wichtig. Wünschenswert wäre es, wenn vor Ort auch gleich auf Prävention geachtet werden könnte. Prävention ist Opferschutz – als Beispiel mag das HdJ in Offenburg gelten, wo gleich auch eine Schuldnerberatung Tipps geben kann. Oder Mannheim, wo es Workshops zu Deeskalation und Zivilcourage gibt. Klar ist aber: Ein Haus des Jugendrechts ist sicher kein Allheilmittel gegen Jugendkriminalität, aber mit dem richtigen Geist gelebt, kann das HdJ ein Erfolgsmodell werden.

Zum Drogenkonsumraum:

Meine Fraktion hat bereits im Juni 2022 nach „konkreten Überlegungen zur Reali-sierung eines Drogenkonsumraums in Freiburg“ gefragt, vor 11 Monaten hat mein Kollege Hannes Wagner sich hier über konkrete Pläne zur Einrichtung eines Dro-genkonsumraums freuen dürfen und am 22.02.2024 wurde er eröffnet.

Aus meiner eigenen beruflichen Erfahrung kann ich nur unterstreichen, dass ein Drogenkonsumraum natürlich nur ein Baustein zur Verbesserung der Situation der Schwerstabhängigen in Freiburg sein kann. Die Zustände im „zugewiesenen Bereich“ (Käfig) sind schon lange nicht mehr tragbar. Schwerstabhängige brauchen medizinische und psychologische Unterstützung. Damit wird zwar nicht gleich alles gut, aber es ist zweifellos von Vorteil, die Klientel unmittelbar vor Ort mit Angeboten und wertschätzender Ansprache auch besser erreichen zu können. Bekanntlich unterstützte die Polizei die Errichtung eines Drogenkonsumraumes ebenfalls.

Ich freue mich in diesem Zusammenhang auch auf die Umgestaltung des Colombiparks und möchte ausdrücklich dem Lokalverein Innenstadt danken, der keinen Zweifel daran gelassen hat, dass zu einem gesamtheitlichen innerstädtischen Drogenkonzept eben keine Vertreibung der Szene passt und der deshalb auch die Verlagerung des „Käfigs“ an die Ecke Rosa-/Colombistraße mitgetragen hat.

Zu den Nachtmediatoren:

Mir scheint das tatsächlich ein Erfolgsmodell zu sein. Aus dem Umfeld des Seeparks hört man nur Gutes. Die Nachtmediatoren haben bereits in ihrer ersten Saison allein im Seepark fast 13.000 Menschen angesprochen, 340 x auf zu laute Boxen hingewiesen und 409 „Müllansprachen“ durchgeführt. Der Bürgerverein Betzenhausen bezeichnet die Night Owls als „genau die richtigen Menschen, um die PlatznutzerInnen zu erreichen“ und freut sich, dass „die Menschen im vergangen Sommer endlich wieder bei geöffnetem Fenster schlafen konnten“

Das zeigt m.E. eindrucksvoll, dass die Night Owls schon jetzt ein nicht mehr wegzudenkendes Mosaiksteinchen auf dem Weg sind, schonend, verhältnismäßig, mit Augenmaß – aber auch Augenzwinkern sich an der Quadratur des Kreises im Spannungsfeld zwischen Nutzung des öffentlichen Raumes und berechtigter Interessen der AnwohnerInnen zu versuchen. Im übertragenen Sinn kann inzwischen das gesamte Konzept des „Freiburger Wegs“ als die praktische Umsetzung der „Säule der Toleranz“ gesehen werden: Erst wenn die Ampel wirklich auf rot steht und vorherige niederschwellige Appelle auf Augenhöhe nicht gefruchtet haben, kommen uniformierte Kräfte. Es ist deshalb unbedingt erforderlich, die Nachtmediatoren personell aufzustocken, damit diese vermehrt auch an anderen Hot-Spots der Stadt zum Einsatz kommen können.

Zum Beispiel auch am Stühlinger Kirchplatz, der ja leider auch in der überregionalen Wahrnehmung primär mit dem Dreiklang „Drogenhandel, Gewaltexzesse, Razzien“ in Zusammenhang gebracht wird. Zur Legalisierung von Cannabis kann man sicher geteilter Meinung sein. Ich selbst bin nach wie vor schwankend. Eines ist aber hoffentlich unstreitig: Die Cannabis-Prohibition der letzten Jahrzehnte ist gescheitert. Ob der Stühlinger Kirchplatz aufgrund der künftig legalen Verfügbarkeit von Marihuana seinen Charakter als Hot-Spot für den Umsatz weicher Drogen verlieren wird, wird sich zeigen. Unabhängig davon ist es sehr zu begrüßen, den Platz endlich aufzuwerten. An diesem Prozess sind die sich dort aufhaltenden Geflüchteten und Obdachlosen, aber natürlich auch – und unter entsprechender jugendgerechter Ansprache – Jugendliche zu beteiligen.

Auf das „sozio-kulturelle und integrative Gesamtkonzept“ dürfen wir deshalb gespannt sein. Schön wäre es, wenn es künftig einen zentralen Ansprechpartner bei der Stadtverwaltung gäbe, den man kurzfristig und frühzeitig bei sich ggf. abzeichnenden negativen Entwicklungen kontaktieren kann. So wünscht es sich auch der BV Stühlinger.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss.

Auf mich wirkt der vorliegende Vertragsentwurf im Vergleich zu den beiden Vorgängerversionen insgesamt deutlich umfangreicher und gehaltvoller. Man merkt, dass die Beteiligten die Sicherheitspartnerschaft „qualitativ“ weiterentwickeln woll-ten. Es ist ihnen gelungen.

Und wenn der Teil, den die Polizei in die Partnerschaft einzubringen gedenkt, zu-nächst auch noch etwas wenig konkret mit „dauerhaft (…) personell gestärkt“ be-schrieben wird, so ist doch inzwischen bekannt, dass es wohl deutlich über 100 neue Stellen sein werden, die das Polizeipräsidium Freiburg bekommen wird. Auf den Revieren Freiburg-Nord und Freiburg-Süd und auf der Straße wird das spürbar sein.

Meine Fraktion nimmt die Drucksache deshalb zustimmend zur Kenntnis.

Wir werden aber weiterhin darauf achten, dass die „Freiburger Liberalität nicht unter die Räder kommt“. So hat es mein Kollege David Vaulont schon in seiner Rede zur Sicherheitspartnerschaft am 04. April 2017 gesagt.

Und dabei bleibt es.

Vielen Dank.