Flüchtlingsunterbringung in Freiburg

Wohnheime in Holzmodulbauweise an der Merzhauser Straße. (Foto: Timothy Simms)

Gerhard Frey: Rede zum TOP 11 der Gemeinderatssitzung am 10.05.2016 zum Thema:“Flüchtlingsunterbringung in Freiburg: a) Aktueller Sachstand, b) Standorte, c) Genehmigung von überplanmäßigen/außerplanmäßigen Auszahlungen und Aufwendungen, d) Grundsätzliche Mittelbereitstellung für einzelne weitere Vorhaben“
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrter Herr Bürgermeister von Kirchbach,
Sehr geehrte Damen und Herren,

bereits in der letzten Gemeinderatsitzung haben wir beim Tagesordnungspunkt zur Gründung des Amts für Migration und Integration unseren Dank an die Projektgruppe Flüchtlinge ausgesprochen. Diesen Dank möchte ich heute im Namen der Fraktion wiederholen.

Stadtrat Gerhard Frey
Stadtrat Gerhard Frey (Bild: Britt Schilling)

Wir sind angetan von der Motivation und dem Engagement, mit dem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Projektgruppe innerhalb kürzester Zeit nicht nur die Aufnahme von Tausenden von Flüchtlingen managten, sondern auch gleichzeitig konzeptionelle Vorschläge zur Integration ausarbeiteten. Und es freut uns, dass dies in einer sonst durch viele Regelungen und Vorschriften doch oft schwerfällig wirkenden Verwaltung möglich war. Vielen Dank hierfür.

Nun zur Drucksache selbst:
Keiner kann heute einschätzen, wie sich die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland in den nächsten Monaten und Jahren weiter entwickeln wird. Die Reise der Bundeskanzlerin nach Italien oder die Zustände in den Lagern an der mazedonischen Grenze machen jedoch deutlich, dass ein Abschotten von Grenzen keine Lösung von Fluchtursachen ist.
Es ist deshalb richtig, dass die Verwaltung von einem weiteren Zuzug von Flüchtlingen ausgeht.  Und es ist richtig, wie am letzten Montag im Hauptausschuss beraten, die wenigen Gewerbeflächen in städtischem Eigentum mit Ausnahme von Haid-Süd vorerst nicht zu veräußern.

Auf Seite 8 der Vorlage formuliert die Projektgruppe, dass es vorrangiges Ziel ist, die ankommenden Flüchtlinge in Wohnungen unterzubringen. Gleichzeitig wissen wir alle, dass dies angesichts der Wohnungsknappheit ein schwieriges und langwieriges Unterfangen sein wird. Wie die Projektgruppe halten auch wir es deshalb für erforderlich, dass die Wohnheime wohnungsähnliche Strukturen und eine gute Bausubstanz aufweisen. Die bereits viel gelobten Wohnheime in Holzmodulbauweise, die gut gedämmt und ästhetisch ansprechend sind, verteilt auf viele Quartiere und Ortschaften der Stadt, werden auch einen zu erwartenden längeren Aufenthalt der Flüchtlinge mit den ab 2018 vorgeschriebenen 7,5 qm pro Person ermöglichen. Meine Fraktion unterstützt deshalb auch die Planung der neuen Standorte in Waltershofen und im Rankackerweg, die als zusätzliche Dauerwohnheime konzipiert sind.

Der Hauptteil der Beschlussvorlage behandelt jedoch die finanzielle Seite der Flüchtlingsunterbringung. Hier wird deutlich, welch finanzielle Dimension die Aufnahme der Flüchtlinge für die Stadt haben wird. Allein in 2015/2016 sind Investitionen in Wohnheime von rund 46 Mio. € erforderlich, die weitgehend aus dem städtischen Haushalt vorfinanziert werden müssen.
Frau Öney, die scheidende Integrationsministerin, hat in einem Schreiben an die Kommunen bereits deutlich gemacht, dass das Land nicht bereit ist, die Investitionskosten zu übernehmen, sondern nur die daraus resultierenden jährlichen Abschreibungen, jedoch ohne den kalkulatorischen Zins zu ersetzen.

Zudem lösen die zusätzlichen Flüchtlingswohnheime im laufenden Betrieb jährliche Kosten von rund 27,8 Mio. € aus, wie in Punkt 7 des Beschlussantrags formuliert. Das Land hat zugesagt, diese Kosten im Rahmen der Spitzabrechnung vollständig zu übernehmen, und wir gehen davon aus, dass sich daran auch nach der neuen Regierungsbildung nichts ändert.

Ein Aushandlungsprozess in den nächsten Monaten zwischen Bund, Länder und Kommunen wird jedoch sein, wie lange die Spitz-Abrechung Gültigkeit behält und wie die Kosten in der Anschlussunterbringung, nach Abschluss der Asylverfahren zwischen Bund, Länder und Gemeinden aufgeteilt werden.

Die konjunkturelle Lage in Deutschland ist gut, sie ist gut im Südwesten der Republik und sie ist auch in der Stadt Freiburg gut. Die Mehrerlöse von rund 30 Mio. € aus der Gewerbesteuer 2015 und die Schlüsselzuweisungen decken weitgehend die Investitionen und die Vorfinanzierung der Aufwendungen für die Flüchtlingsunterbringung. Es spricht für die Solidität der städtischen Finanzpolitik in den letzten Jahren, dass dies so möglich ist. Und gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass dies nicht jedes Jahr wiederholbar sein wird.

Der nächste Doppelhaushalt wird zeigen, dass neben den berechtigten Lohnsteigerungen beim Personal auch viele andere Kosten vor allem im Sozial- und Jugendhilfehaushalt steigen werden. Und auch bei den Investitionen werden im nächsten Doppelhaushalt dicke Brocken zu finanzieren sein.

Das heißt, die Städte und Gemeinden brauchen von Bund und Land, wie in Beschlusspunkt 9 formuliert, für die Unterbringung und für die Integration der Flüchtlinge zusätzliche Finanzmittel.

Zur Finanzierung dieser zusätzlichen Ausgaben hat Bundesfinanzminister Schäuble bereits einen interessanten Vorschlag unterbreitet. Er schlägt einen Aufschlag je Liter Benzin zwischen 10 und 20 Cent vor, um die europäische Flüchtlingsthematik zu finanzieren. Europaweit brächte der Vorschlag je nach Höhe des Aufschlags zusätzliche Einnahmen zwischen 35 und 70 Milliarden €.

Ich will den Vorschlag nicht weiter kommentieren und bewerten, aber ohne zusätzliche Finanzmittel wird es nicht gehen.
Konkret: Meine Fraktion erwarten, wie auch immer sie gegenfinanziert werden, dass der Bund die Kosten der Flüchtlingsunterbringung, der Anschlussunterbringung und der Integration übernimmt und über die Länder an die Kommunen weiterreicht.

Und nun ein letzter Punkt:
In der aktuellen Vorlage wird mehrfach auf eine weitere Vorlage hingewiesen, die im Rahmen des nächsten Finanzberichts sich mit den weiteren Aufgaben und Kosten der Integration befassen wird. Die heutige Vorlage behandelt ausschließlich die Unterbringung bzw. das Wohnen der Flüchtlinge.
Integration ist aber auch Bildung – beginnend mit dem Spracherwerb, der Schule, der Aus- und Weiterbildung, der Kitas.
Integration ist die Vermittlung des deutschen und europäischen Wertekanons.
Und Integration ist, die Menschen herauszuholen aus dem Transferleistungsbezug und sie in Arbeit zu vermitteln.
Diese Grundlagen der Integration sind immer leicht und schnell formuliert. Die Umsetzung – und das zeigen alle Studien – wird aber aufwändig und vor allem langwierig sein. Wir sollten dabei in Generationszyklen denken. Integration in den Städten und Gemeinden kann gelingen und unserer Meinung nach wird sie auch gelingen. Sie braucht jedoch einen langen Atem und langfristige Investitionen in die Zukunft der Zuwanderer.

Freiburg hat bereits wahrnehmbar einen Masterplan für Integration von Flüchtlingen. Auch, weil Migration und Zuwanderung als Entwicklungschance unserer Stadt verstanden wird. Wir bauen darauf, dass Bund und Land die hierfür notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellt.

Vielen Dank.