„Großer Schritt in Richtung neuer Stadtteil“ 5. April 20176. April 2017 Rede von Stadtrat David Vaulont zu TOP 4 der Sitzung des Gemeinderats am 4. April 2017: Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme Dietenbach – Auslobungstext zum Städtebaulichen Wettbewerb – Drucksache G-17/022 Sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister Neideck, sehr geehrter Herr Prof. Dr. Haag, meine sehr verehrten Damen und Herren, Auch wenn es die meisten von uns nach einer Vielzahl von Beschlüssen des Gemeinderats zum neuen Stadtteil vermutlich nicht direkt vor Augen haben, steht heute eine historische Entscheidung an. Nach jahrelanger Vorprüfung und Planung wird es nun endlich konkret. Mit dem Beschluss des Auslobungstextes für den städtebaulichen Wettbewerb beginnt der neue Stadtteil an Form zu gewinnen. Wir legen heute den Grundstein für die Gestaltung von Dietenbach. Stadtrat David Vaulont (Bild: Britt Schilling) Bislang war es lediglich eine Testplanung und eine Sammlung der einzelnen Anforderungen. Nun werden alle Vorarbeiten gebündelt und in den nächsten Monaten werden aus den theoretischen Überlegungen konkrete Modelle. Auch wenn der eine oder andere der Anwesenden bei der Entwicklung von Rieselfeld oder Vauban bereits beteiligt war, so betreten wir alle Neuland. Dietenbach ist deutlich größer als das Rieselfeld und stellt alle vor zusätzliche Herausforderungen. Die zahlreichen Grundstückseigentümer, Hochspannungsleitungen, Lärmschutz, Hochwasserschutz – dies sind nur einige der großen Probleme. Die Verwaltung hat diese Probleme größtenteils gelöst. Es war ein Kraftakt, der nicht einfach war. Vielen Dank an alle Beteiligten! Dieser Dank gilt auch insbesondere den Grundstückseigentümern, die zusammen mit ihrem Rechtsanwalt Herr Dr. Burmeister an dem guten Konzept der Abwendungsvereinbarung gearbeitet haben. Ohne ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit und ohne diese Vereinbarung wäre die zeitnahe Entwicklung des Stadtteils nicht möglich. Nun gehen wir den großen Schritt in Richtung neuer Stadtteil. Diesen Wohnraum brauchen wir dringend. Der ein oder andere mag anderer Ansicht sein. Nach meiner Erfahrung, sind diese Personen aber alle nicht auf Wohnungssuche. Vor einigen Tagen unterhielt ich mich mit mehreren Bekannten. Alle Anfang dreißig. Alle gehören zur mittleren Einkommensgruppe. Und alle konnten eine Geschichte zum Freiburger Wohnungsmarkt erzählen. Der eine zieht weg aus Freiburg. Auf der Suche nach einem Nachmieter hatte er nach acht Minuten, nachdem er die Wohnung ins Internet eingestellt hatte, 18 Angebote. Ein anderer ist auf der Suche nach einer Wohnung und hatte bei jeder Wohnung zwischen 100 bis 400 Konkurrenten. Als er schließlich bei einer Wohnung in die engere Auswahl kam, erhielt ein Mitbewerber den Zuschlag, da dieser freiwillig anbot, mehr Miete zu bezahlen. Ein dritter fand keine Wohnung und musste schließlich eine für ihn eigentlich zu große Wohnung nehmen. Ja, wir haben ein großes Problem auf dem Freiburger Wohnungsmarkt und wir brauchen zusätzliche Wohnungen. In den eigenen vier Wänden lässt es sich leicht dagegen wettern. Es braucht daher einen neuen Stadtteil für alle. Einen modernen Stadtteil, in dem man leben und arbeiten kann. Der Freiraum bietet und doch verkehrlich gut erschlossen ist. Ein Stadtteil, der den Herausforderungen der Zukunft gerecht wird. Vauban und Rieselfeld haben gezeigt, dass Freiburg mit der Entwicklung und Erprobung zukunftsweisender Konzepte erfolgreich ist und hat als Stadt davon profitiert. Reisegruppen aus der ganzen Welt kamen und kommen, um sich diese Stadtteile anzusehen. Nun müssen wir diese mehr als zwanzig Jahre alten Konzepte weiterentwickeln. Auch diesem Bereich wollen wir weiterhin eine Vorreiterrolle haben. Gerade für die mittlere Einkommensgruppe – Berufsanfänger und junge Familien – braucht es Angebote, damit wir sie nicht ans Umland verlieren. Sie sind für das Zusammenleben in einem Stadtteil enorm wichtig. Für uns Grüne ist auch deren Wunsch nach Eigentumsmaßnahmen nachvollziehbar. Der eine oder andere möchte in der eigenen Wohnung wohnen. Im Hinblick auf eine starke Bindung an den Stadtteil und eine Festigung der Bevölkerungsstruktur sind Eigentumswohnungen sinnvoll. Eigentumsmaßnahmen für niedrige und mittlere Einkommensgruppen sollen nach dem Antrag von CDU, SPD, JPG, Freien Wähler und der FDP aus dem Auslobungstext – ebenso wie Baugruppen – gestrichen werden. Diesem Antrag werden wir nicht zustimmen. Gutleutmatten hat gezeigt, dass gerade Baugruppen innovativer Motor eines neues Quartiers sind. Zustimmen werden wir demgegenüber dem Antrag zur Gebäudehöhe. Es ist sinnvoll, die mögliche Maximalhöhe der Bebauung des Stadtteils auf bis zu acht Geschosse anzuheben. Die konkrete Ausgestaltung, also an welcher Stelle im Quartier welche Gebäudehöhe errichtet werden soll, wird dem Wettbewerb überlassen. Bereits jetzt enthält der Auslobungstext eine Öffnungsklausel, nach der die Entwürfe an einzelnen Stellen auch noch höhere Gebäude vorsehen können. Verkehrlich wird Dietenbach gut erschlossen. Mit einer Straßenbahnlinie quer durch den Stadtteil und einer direkten Anbindung an die Radvorrangroute entlang der Dreisam kann jeder ohne Auto komfortabel in die Innenstadt fahren. Perspektivisch wäre eine Anbindung der Straßenbahnlinie an die Linie 1 an der Paduaallee denkbar. Wir möchten daher, dass dies in den städtebaulichen Entwürfen mitgedacht wird und daher von der Endhaltestelle eine Trasse bis an den Rand des Stadtteils vorgehalten wird. So wird eine zukünftige Entwicklung nicht verbaut. Wer dennoch auf das Auto angewiesen ist, für den gibt es zahlreiche Carsharingparkplätze im Straßenraum. Das eigene Auto wird – wie erfolgreich im Vauban erprobt – in Quartiersgaragen untergebracht. Diese werden modular errichtet. Es werden also nicht alle Parkplätze auf einmal gebaut, sondern nur ein Teil der Garagen. Die übrigen Flächen werden als Freiraum genutzt. Je nach Bedarf können dann problemlos weitere Garagen gebaut oder bestehende aufgestockt werden. Werden sie nicht benötigt, gibt es mehr Freiraum für die Bewohnerinnen und Bewohner. Dieses Verkehrskonzept bindet den Stadtteil verkehrlich gut an und spart viel Geld, setzt es doch zahlreiche Anreize auf ein Auto zu verzichten. Im Ergebnis wird nicht jede Wohnung einen eigenen Stellplatz brauchen – das spart erhebliche Kosten. Wer heute einen Stadtteil plant, muss in Jahrzehnten rechnen. Das letzte Gebäude im Rieselfeld wurde vor kurzem errichtet, das letzte Gebäude im Vauban befindet sich gerade im Bau – jeweils gut zwanzig Jahre nach dem Baubeginn des Stadtteils. Das letzte Haus wird in Dietenbach vermutlich nach dem Jahr 2040 errichtet werden. Wenn wir das Ziel des Freiburger Gemeinderats erreichen wollen, als Stadt bis 2050 klimaneutral zu sein, müssen wir das bereits jetzt berücksichtigen. Die schwarz-rote Bundesregierung hat im November letzten Jahres ihren Klimaschutzplan 2050 veröffentlicht. Darin wird als Ziel ausgegeben bis 2050 einen „nahezu klimaneutralen Gebäudebestand in Deutschland“ zu schaffen. Auf dem Weg dazu sei das Jahr 2030 eine wichtige Etappe. Denn wegen der langen Lebensdauer von Gebäuden gelte insbesondere in diesem Handlungsfeld, dass bis zum Jahr 2030 die Basis dafür gelegt sein müsse, dass das Ziel eines nahezu klimaneutralen Gebäudebestands im Jahr 2050 erreicht werden könne. Für die bis 2030 zu errichtenden Neubauten bedeute dies, dass der energetische Standard von Wohn- und Nichtwohngebäuden schrittweise gegenüber dem derzeitigen Niveau nochmals deutlich weiterzuentwickeln sei. Als Maßnahme nennt die schwarz-roten Bundesregierung unter anderem: „Für Neubauten wird deshalb der ab 2021 geltende Niedrigstenergiegebäudestandard schrittweise weiterentwickelt, um mittelfristig einen Neubaustandard zu erreichen, der nahezu klimaneutral ist. Das bedeutet dass spätestens zum Jahr 2030 der energetische Standard von Gebäuden schrittweise auf einen Wert deutlich unterhalb des heute geförderten „Effizienzhaus 55“-Standards weiter zu entwickeln ist.“ Diesen Ausführungen und Zielen der schwarz-roten Bundesregierung können wir uns voll und ganz anschließen. Der neue Stadtteil Dietenbach muss klimaneutral sein. Dazu wird ein ambitioniertes Energiekonzept angestrebt. Die konkrete Ausgestaltung wird aber nicht heute entschieden. Es ist dennoch bemerkenswert, dass einzelne die Vorgaben zur Klimaneutralität aufweichen wollen, sind sie doch auf Bundesebene an der Regierung beteiligt, die die Errichtung von klimaneutralen Gebäuden als Ziel ausgibt. Bis das erste Haus im neuen Stadtteil gebaut wird, vergehen noch mindestens fünf Jahre. Eher mehr. In dieser Zeit wird es bei der Erzeugung Erneuerbarer Energien und der Gebäudedämmung weitere Innovationen geben. Es ist daher abzusehen, dass der Effizienzgrad von Photovoltaikmodulen weiter ansteigen wird. Damit wird man in Zukunft weniger Module brauchen, um die gleiche Menge Strom zu erzeugen. Die Angst mancher hier im Rat, sämtliche Dächer müssten mit PV-Modulen belegt werden, so dass überhaupt keine Dachterrassen möglich seien, ist daher unbegründet. Auch kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht exakt berechnen, was die Umsetzung des Energiekonzeptes im nächsten und übernächsten Jahrzehnt kosten wird. Über diese und viele weitere Detailfragen werden wir in der Zukunft noch ausführlich diskutieren. Für die Frage des städtebaulichen Entwurfs sind sie jedoch nicht akut. Und um diesen städtebaulichen Entwurf geht es heute. Nur um diesen Entwurf. Die Diskussion um die konkrete Ausgestaltung des zukunftsweisenden Konzepts werden wir in der nächsten Zeit noch ausführlich führen. Dann wissen wir, wie der Stadtteil städtebaulich aussehen wird und können auch die Kosten sehr viel genauer beziffern als jetzt. Bislang sind die Fakten für eine belastbare Rechnung noch viel zu unscharf. Wir sind zuversichtlich, dass es bis dahin dann auch mit einem Großteil der Eigentümer eine Einigung gibt. Wir stehen am Anfang eines langen Wegs und nach langer Planung haben wir nun den gepackten Rucksack auf dem Rücken und gehen heute den ersten Schritt. Vielen Dank.
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