„Auch andere Maßnahmen zur Stärkung des stationären Handels sollten wir diskutieren!“

Das erfolgreiche Märkte- und Zentrenkonzept wird fortgeschrieben. Gut so! Aber Stadtrat Timothy Simms weisst in seiner Rede darauf hin, dass der Druck durch den Onlinehandel auf die Händler_innen in Innenstadt und Stadtteilzentren nicht alleine durchs Planungsrecht in Griff zu bekommen ist. Er fordert, dass die Stadt mit diesen Herausforderungen ähnlich innovative Lösungen findet, wie man das 1992 mit dem bundesweit kopierten Märkte- und Zentrenkonzept getan hat.

Rede von Stadtrat Timothy Simms zu Tagesordnungspunkt 9 der Gemeinderatssitzung vom 23.10.2018: Gesamtfortschreibung des Einzelhandels- und Zentrenkonzeptes

Sehr geehrter Oberbürgermeister Horn,
sehr geehrter Bürgermeister Haag,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,

Stadtrat Timothy Simms
Stadtrat Timothy Simms (Bild: Britt Schilling)

vor fünf Jahren erschien mit dem Essay „Die City. Strassenleben in der geplanten Stadt“ der Literaturwissenschaftlerin Hannelore Schlaffer ein breit diskutierter Beitrag zur Entwicklung unserer Innenstädte. Der zurecht als politisches Buch des Jahres 2014 ausgezeichnete Band beschreibt vieles, was Fußgängerzonen und Innenstädte langweilig macht. Er kritisiert die künstliche Welt der Einkaufszentren und der Malls, er blickt auf die steigende Uniformität und beschreibt Orte ohne Leben und ohne echte Einwohner*innen, die nur im Strom der aus dem Umland einpendelnden Angestellten und Konsumenten existieren können. Und in der Tat erkennt man viele dieser Entwicklungen und Beschreibungen mehr oder weniger in den Städten, die man besucht, wieder.

Mehr z.B. in Stuttgart, wo in den letzten Jahren zwei riesige Malls entstanden sind, mit dem immer gleichen Angebot und offensichtlich starken Folgen für die bisherige Haupteinkaufsstrasse, die Königsstrasse.

Weniger dieser Entwicklungen und dieser Misere sehe ich in Freiburg und bin froh darüber. Woran liegt das?

Ich meine: Zu einem guten Teil an dem Märkte- und Zentrenkonzept, dessen Fortschreibung heute beschlossen wird. 1992 war Freiburg Pionier mit einem Märkte- und Zentrenkonzept. Ziele waren, eine weitere Verlagerung des Handels aus der Innenstadt zu vermeiden und Stadtteilzentren zu stärken. Damit wurde nicht nur eine wichtige Grundlage gelegt, eine vitale Innenstadt mit einem vielfältigen Handelsangebot zu bewahren, mit der Stärkung von Stadtteilzentren wurde auch eine wichtige Basis für die Stadt der kurzen Wege gelegt. Und diese Stadt der kurzen Wege ist eine Voraussetzung dafür, dass Menschen wichtige Besorgungen zu Fuß oder mit dem Fahrrad bestreiten können. Das ist nicht nur für unseren Modal Split und die Umwelt gut, es stärkt auch die Stadtteile als Orte sozialer Begegnungen.

Die Rahmenbedingungen haben sich seit 1992 geändert und deshalb war es nötig, nun eine grundlegende Anpassung des Märkte- und Zentrenkonzepts vorzunehmen. Dies ist sehr detailliert geschehen, dass zugrundeliegende Gutachten setzt sich auf über 200 Seiten mit Standorten, Sortimenten, Ladenflächen und allen anderen relevanten Parametern auseinander. Ich glaube: Was die planungsrechtlichen Möglichkeiten anbelangt sind wir damit wieder up-to-date und tun, was wir können, um unseren Bürgern eine gute Versorgung zu ermöglichen, dem Handel ein gutes wirtschaftliches Fundament zu geben und damit zugleich dem verkehrspolitischen Leitbild der Stadt der kurzen Wege und dem gesellschaftspolitischen Leitbild lebendiger Stadtquartiere gerecht zu werden.

Die Rahmenbedingungen haben sich seit 1992 geändert – aber nicht nur was planungsrechtliche Möglichkeiten anbelangt. 1992 war sicherlich eines der Hauptprobleme eine Konkurrenz der Stadtorte – nämlich auf der grünen Wiese zulasten der Stadtteilzentren und der Innenstadt – so stellen sich heute sicherlich andere Probleme für den stationären Wandel, die planungsrechtlich leider nicht in den Griff zu bekommen sind.

Einkaufen hat sich verändert. Es gibt den Onlinehandel – 24 Stunden am Tag, auch sonntags. Einerseits kann das Chance als zusätzlicher Verkaufskanal für den stationären Handel sein, aber es birgt auch das Risiko einer Verdrängung. Tarifgebundene Arbeitsplätze in der Stadt können so verdrängt werden von schlechter bezahlten Arbeitsplätzen in den Versandzentren auf der Grünen Wiese. Paketdienste verstopfen die Strassen. Leerstände und wenig attraktive Stadtteilzentren oder gar Innenstädte können die Folge sein. In kleineren Gemeinden sind diese Folgen teilweise schon eingetroffen.

Wir sollten deshalb überlegen, wie wir unserem Handel stärken können und als Kommune dabei unterstützen können, die Chancen der Digitalisierung zu ergreifen. Ich denke, dass wird auch ein Thema sein, bei der aktuell entstehenden Digitalen Agenda für Freiburg. Auch andere Maßnahmen zur Stärkung des stationären Handels sollten wir diskutieren. Im Freiburger Umland locken beispielsweise zahlreiche Gemeinden mit Events auch am Sonntag. In Freiburg wird gerade ein City-Logistik-Konzept erarbeitet, auch das könnte für den Handel gut sein.

Vielen Dank an die Verwaltung und den beteiligten Gutachtern für nunmehr 26 Jahre Märkte- und Zentrenkonzept. Planungsrechtlich sind wir top. Den Fehler großer innerstädtischer Malls haben wir auch nie gemacht. Aber das alles wird vermutlich künftig nicht reichen. Auch in anderen Fragen der Stärkung des Handels sind innovative Konzepte gefragt – so wie wir vor 26 Jahren mit dem Märkte und Zentrenkonzept innovativ waren und zum Vorbild vieler anderer Städte wurden.