„Keine Erbbaugrundstücke mehr verkaufen!“ 24. Oktober 201816. Juni 2021 Eine nachhaltige Bodenpolitik ist die Voraussetzung für bezahlbare Wohnungen. Deshalb haben wir uns als Grüne dafür eingesetzt, dass die Stadt umsteuert und künftig keine Erbbaugrundstücke veräussert. Nun hat unser Antrag eine Mehrheit im Stadtrat gefunden. Die Gegenargumente waren wenig überzeugend, denn „kein Erbbauberechtigter verliert sein Eigenheim, wenn er sein Grundstück nicht mehr erwerben kann. Es bleibt einfach nur alles wie bisher“, so Stadtrat Gerhard Frey in seiner Rede. Rede von Stadtrat Gerhard Frey zu TOP 6 der Gemeinderatssitzung vom 23.10.2018: Verkauf von Erbbaugrundstücken Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Horn, Sehr geehrter Herr Bürgermeister Breiter, Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sehr geehrte Damen und Herren, Ende letzten Jahres war der Ministerpräsident Gast des Gemeinderats. In einer Diskussion unter anderem über die Immobilienmärkte in Großstädten waren sich alle Anwesenden einig, dass diese komplett aus den Fugen geraten sind. Meine Fraktion hat damals bereits angemerkt, dass ohne Markteingriffe der Politik bezahlbare Wohnungen in den Boom Städten nicht weiterhin realisiert werden können. Stadtrat Gerhard Frey (Bild: Britt Schilling) Das Thema „bezahlbare Wohnungen“ hat sicherlich viele Aspekte, aber ein Punkt gerät immer stärker in den Fokus der Diskussion, nämlich die Frage nach dem Bodenpreis und dem Umgang mit dem Eigentum an Grund und Boden. Der Preis des Grundstücks ist zu einem zentralen Preistreiber bei Immobilien in Städten geworden. In einem Artikel von Heribert Prantl in der Süddeutschen habe ich zwei beindruckende Zahlen gefunden, die das Problem veranschaulichen: Die Bodenpreise in Berlin sind in den letzten fünf Jahren um 345 Prozent gestiegen. Und der ehemalige Münchner OB, Hans-Jochen Vogel, hat die Bodenwertsteigerung von 1950 bis 2015 in seiner Heimatstadt auf sage und schreibe 34 263 Prozent beziffert. Beide Zahlen belegen, dass der Markt bei Grund und Boden nicht mehr funktioniert. Auch die Bodenrichtwerte, auf deren Basis städtische Grundstücke in Freiburg veräußert werden, entsprechen bei weitem nicht mehr der Preisphantasie der Investoren. Und die Spekulation, dass Grundstückspreise in Freiburg nur eine Richtung kennen, aktuell eine steile Kurve nach oben, veranlasst Erwerber für Immobilien Preise zu bezahlen, die weit vom Ertragswert einer Immobilie, nämlich dem was mit der Immobilie an Einnahmen zu erzielen ist, entfernt sind. Thomas Hauser hat das Thema in der BZ wie folgt beschrieben: „Über Immobilienbesitz läuft derzeit eine große Umverteilung von unten nach oben. Während selbst gutverdienende Menschen und Familien ohne ausreichendes Vermögen in Gefahr geraten sich arm zu wohnen, eröffnen sich für clevere Vermögende und Immobilienunternehmen ungeahnte Möglichkeiten nahezu leistungsloser Kapitalvermehrung.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Ein Schlüsselereignis im Gemeinderat war für meine Fraktion der Verkauf des Grundstücks „Am Kronenmühlebach“. Ausschreibekriterien, die bei Gutleutmatten ein bis zwei Jahre vorher Immobilieninvestoren eher noch abgeschreckt haben, waren für Investoren nun kein Grund mehr, sich nicht zu bewerben. Den Zuschlag erhielt nicht das Mietshäusersyndikat mit einem interessanten, sympathischen Angebot, sondern die Firma Weissenburger, die ausschließlich geförderte Mietwohnungen errichten will, mit einer Bindungsdauer von 60 Jahren. Geht man davon aus, dass geförderte Mietwohnungen maximal die Herstellungskosten bei niedrigen Finanzierungszinsen decken, muss der erwartete Profit der Investoren beim Weiterverkauf der Immobilie nach Fertigstellung auf der Bodenspekulation basieren. Konkret: Auf der Differenz zwischen dem Verkaufspreis der Stadt / dem Bodenrichtwert und dem Marktwert des Grundstücks. D. h. die bisherige Begründung des Gemeinderats, städtische Grundstücke nicht nach dem Höchstgebot, sondern nach dem Gutachterpreis zu verkaufen, um als Stadt nicht als Preistreiber bei Wohnungsimmobilien zu wirken, funktioniert heute nicht mehr. Genossenschaften, Stadtbau oder das Mietshäusersyndikat, die ihre Wohnungen langfristig im Bestand halten, werden bei einer Ausschreibung Immobilien-Finanzinvestoren unter den aktuellen Rahmenbedingungen unterlegen sein. Um der Bodenspekulation in Freiburg entgegen zu wirken, braucht es nach Meinung der Grünen Fraktion eines Paradigmenwechsels, nämlich einer Renaissance des Erbbaurechts. Heribert Prantl von der Süddeutschen berichtet am 21.September von Überlegungen, aus Konferenzen über eine nachhaltige Boden- und Immobilienpolitik in Städten, dass „ Grundstücke von der öffentlichen Hand an Private gar nicht mehr verkauft werden dürfen. Grund und Boden wird, aus Verantwortung für die nachfolgenden Generationen, an Privatleute und Unternehmen nur noch per Erbpacht vergeben. Nachhaltigkeit bei der Bodenpolitik könnte also Erbpacht heißen.“ Wir schließen uns dem an: Städtische Grundstücke für den Wohnungsbau sollten weitgehend nur noch in Erbpacht vergeben werden. Ich habe versucht einen größeren Bogen zu spannen, um den Kontext deutlich zu machen, in welchem wir auch den Verkauf bebauter städtischer Erbbaugrundstücke beenden wollen. Es ist uns bewusst, dass mit den 2014 im Gemeinderat gefassten Grundsätzen, bereits viele Erbbaugrundstücke gar nicht mehr zum Verkauf stehen und die Erwerber Selbstnutzer ihrer Immobilien und keine Finanzinvestoren sind. Angesichts der aktuellen Preisentwicklung bei Grundstücken in Freiburg und anderen Städten braucht es jedoch eine gehörige Portion an Naivität, um zu glauben, dass die Aspekte der Wertsteigerung des Grundstücks bei den potentiellen Erwerbern der Erbbaugrundstücke keine Rolle spielt. Der Bodenrichtwert spiegelt auch bei diesen Grundstücken bei weitem nicht mehr den Marktwert wieder. Niedrige Darlehenszinsen und eine bisherige Spekulationsfrist von nur 10 Jahren sind kein Hindernis sondern ein Kaufanreiz für den Grundstückserwerb. Die Wertentwicklung bei Grund und Boden macht diese Immobilien perspektivisch zu teuren Immobilien – zu keinen bezahlbaren Wohnungen für die Mitte der Gesellschaft. Der Gemeinderat sollte deshalb zukünftig im Grundsatz keine Erbbaugrundstücke mehr verkaufen. Kleinimmobilien auf Erbbaugrundstücken sollen weiterhin Immobilien für die Mittelschicht werden. Nach der Absetzung der Entscheidung im letzten GR zum weiteren Vorgehen bei Erbbaugrundstücken, schlägt die Verwaltung nun in einer Ergänzungsdrucksache selbst vor, die Grundsätze der Erbbaurechtsverwaltung zu überarbeiten. In Beschluss-Ziffer 1 ist aber die Zielsetzung nicht klar definiert. Deshalb kommt erneut ein dieses Mal interfraktioneller Antrag, der von mehreren Fraktionen bereits im letzten GR wortgleich gestellt wurde: Die Zielsetzungen sollen sein: künftig im Grundsatz keine bestehenden städtischen Erbbaugrundstücke mehr zu veräußern sonstige städtische Grundstücke künftig vorrangig im Erbbaurecht zu vergeben und nur in begründeten Ausnahmefällen zu verkaufen Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag. Eine Anmerkung zum CDU-Antrag: Kein Erbbauberechtigter verliert sein Eigenheim, wenn er sein Grundstück nicht mehr erwerben kann. Es bleibt einfach nur alles wie bisher. Die vielen Erbbauberechtigten der kommunalen oder kirchlichen Stiftungen in Freiburg sind nie in den Genuss eines Kaufangebots gekommen. Die Stadt würde zukünftig wieder genauso verfahren. Zum Schluss noch eine haushaltspolitische Anmerkung: Der städtische Haushalt konnte die Einnahmen aus den Grundstücksverkäufen als außerordentliche Erträge in den letzten Jahren gut gebrauchen. Die deutlich überdurchschnittlichen städtischen Investitionen der letzten Jahre und der gleichzeitige Schuldenabbau waren eine nachhaltige Verwendung dieser Sondereinnahmen. Meiner Fraktion ist bewusst, dass diese Einnahmen zukünftig dem Finanzhaushalt nicht mehr zur Verfügung stehen. Angesichts des Wohnungsmangels und des Fehlens an bezahlbaren Wohnungen bedarf es jedoch einer Neuausrichtung der Prioritäten. Eine nachhaltige Bodenpolitik ist die Voraussetzung für bezahlbare Wohnungen. Vielen Dank.
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