„Die Frage, ob wir zur Behebung der dramatischen Wohnungsnot einen neuen Stadtteil benötigen, kann man nur mit JA beantworten!“

Dietenbach – 100% sozial und ökologisch! Das ist die Position der Grünen Fraktion. In Ihrer Rede begründet unsere Fraktionsvorsitzende Maria Viethen warum wir den neuen Stadtteil benötigen und warum wir dafür beim Bürgerentscheid werben werden.

Rede von Fraktionsvorsitzender Maria Viethen zu TOP 2 der Gemeinderatssitzung am 27.11.2018: Bürgerentscheid Dietenbach

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

Wir beschließen heute die Durchführung eines Bürgerentscheids über die Frage, ob das Gelände am Dietenbach westlich der Besançon-Allee mit einem neuen Stadtteil bebaut werden soll. Die Bürgerinitiative, die sich gegen dieses Projekt einsetzt, hat die erforderlichen Stimmen für ein Bürgerbegehren gesammelt, der Gemeinderat wird diesem Begehren folgen.

Fraktionsvorsitzende Maria Viethen
Fraktionsvorsitzende Maria Viethen (Bild: Britt Schilling)

Die Grünen begrüßen grundsätzlich die Durchführung von Bürgerentscheiden. Ein Bürgerentscheid ist ein kraftvolles Mittel, mit dem Bürgerinnen und Bürger wichtige Entscheidungen in der Kommune in die eigene Hand nehmen können. Ein Projekt, das durch einen Bürgerentscheid bekräftigt wurde, erfährt dadurch eine besonders starke Legitimation. Ich will an dieser Stelle noch einmal in Erinnerung rufen, dass es die Grünen waren, die in Baden-Württemberg viele Jahre lang eine Herabsetzung der Hürden für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide gefordert haben, und dies dann auch umgesetzt haben, als sie erstmals Regierungsverantwortung im Land übernommen haben. Dass das Quorum für einen erfolgreichen Bürgerentscheid in diesem Land auf 20 % der Stimmberechtigten gesenkt wurde und sich auch auf Entscheidungen der Bauleitplanung erstreckt, ist maßgeblich auf die Grünen zurückzuführen.

Nun kann man meiner Meinung nach sehr wohl unterschiedliche Auffassungen dazu haben, ob eine Stadt ein Fußballstadion benötigt oder nicht. Darum haben wir zusammen mit der erforderlichen Mehrheit dieses Gemeinderates vor rund drei Jahren beschlossen, diese Frage der Bürgerschaft vorzulegen und einen Bürgerentscheid beschlossen, der, wie Sie alle wissen, zu einem Votum der Bürgerschaft für den Bau eines neuen Stadions geführt hat. Bei dem nun vor uns liegenden Bürgerentscheid zum neuen Stadtteil Dietenbach wird mir jedoch trotz aller grundsätzlichen Befürwortung das Herz schwer. Nach Meinung meiner Fraktion kann man die Frage, ob wir zur Behebung der dramatischen Wohnungsnot in der Stadt neben weiteren, bereits im Siedlungsgebiet vorhandenen Flächen und der konsequenten Weiterführung der Nachverdichtung noch einen neuen Stadtteil benötigen, nur mit JA beantworten. Die vom Bürgerbegehren vorgegebene Fragestellung des Bürgerentscheides, ob das Gebiet Dietenbach unbebaut bleiben soll, also nur mit NEIN.

Die dramatische Knappheit von Wohnraum und bebaubarem Grund und Boden führt zu abstrusen Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt. Unter den galoppierenden Mieten leiden vor allen Dingen junge Menschen, die nach Freiburg kommen, junge Familien, die mit noch geringem Einkommen für sich und die Kinder sorgen müssen, Alleinerziehende, aber auch die Mittelschicht, also die ganz normalen Menschen mit normalen Einkommen wie Erziehe*nnen, Krankenpfleger*innen, Busfahrer*innen usw. Davon, dass geflüchtete Menschen nach wie vor in Sammelunterkünften ausharren müssen, weil es keinen Wohnraum gibt, ganz zu schweigen, ebenso davon, dass es uns nicht gelingt, Wohnsitzlose in ausreichendem Maß mit bezahlbaren Wohnraum zu versorgen. 

Die Befürworter*innen des Bürgerentscheides wollen die Menschen in der Stadt glauben machen, dass die Prognosen über den wachsenden Wohnungsbedarf nicht zutreffen und der Druck vom Wohnungsmarkt in absehbarer Zeit von selbst abnehmen wird. Das Gegenteil wird der Fall sein. Ich kenne niemanden, der irgendwelche ernst zu nehmenden Anzeichen oder Prognosen für eine solche Entwicklung benennen kann.

Die Befürworter*innen des Bürgerentscheides wollen weiter glauben machen, dass der Bedarf, so er denn vorhanden ist und nicht von selbst verschwindet, durch Maßnahmen der Innenentwicklung abgedeckt werden kann. Auch dies ist schlichtweg unseriös. Wir leben nicht in China, wo ganze Stadtviertel abgerissen werden und die Bewohnerinnen vier Wochen vorher von der Regierung informiert werden, dass sie ihre Wohnungen aufzugeben haben. Nachverdichtung ist noch an vielen Stellen in der Stadt möglich und wir Grünen sind mit an vorderster Front, dies zu fordern und umzusetzen. Jedoch hat auch die Nachverdichtung Grenzen des Machbaren und des Zumutbaren, wenn unsere Stadt ihr Gesicht behalten soll und ein zuträgliches Zusammenleben möglich bleiben soll. 

Die Befürworter*innen des Bürgerentscheides wollen uns glauben machen, dass auf Dietenbach eine ökologisch wertvolle Fläche vernichtet wird zu Gunsten eines Investoren-Stadtteils mit gesichtslosen Hochhäusern und Villen für Besserverdienende. Auch dies ist falsch. Die Grünen haben sich in der Grundsatzentscheidung am 24.07.2018 der Zielvorstellung angeschlossen, dass auf Dietenbach 50 % öffentlich geförderte Mietwohnungen errichtet werden sollen. Wenn dies heute noch einmal bekräftigt werden soll, so halten wir das zwar für überflüssig, werden dem jedoch selbstverständlich zustimmen. Wir als Grüne wollen jedoch darüber hinausgehen, wir wollen auch bei bezahlbaren Wohnraum auf Dietenbach 50 % plus. Über die 50 %-Quote hinaus wolle zusätzlich gebundene Wohnungen mit Mieten unter dem Mietspiegel und erschwingliche Eigentumswohnungen für Leute mit schmalem Geldbeutel. Und das alles ist nicht unrealistisch. Wie der Kollege Michael Moos in seinem Interview im Sonntag in der Zeitung »Der Sonntag« vor wenigen Tagen zutreffend erklärt hat, gibt es sehr wohl Beispiele, und zwar aus jüngster Zeit, dass dies umzusetzen ist, etwa im Baugebiet Gutleutmatten. Darüberhinaus wollen wir die grassierende Spekulationen Grund und Boden entgegentreten und so viele der Grundstücke auf Dietenbach wie möglich in städtischem Eigentum behalten oder überführen und nur in Erbpacht weitergeben. Darüber wie dies umzusetzen ist, werden wir in den nächsten Monaten und Jahren diskutieren.

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Und wir Grünen wollen, dass Dietenbach ein ökologisch nachhaltiger Stadtteil wird, so wie dies in den Anträgen des Gemeinderates vom 24.07.2018 festgehalten ist, die von der Verwaltung übernommen worden sind. Wir wollen Dietenbach als klimaneutralen Plus-Energie-Stadtteil mit einer optimalen Anbindung an den ÖPNV und möglichst autofrei, mit umweltschonenden Baustoffen wie etwa Holz und mit einer hohen Lebensqualität realisieren. Wir sind zudem davon überzeugt, dass auf Dietenbach hochwertige Freiräume und Grünflächen und geschaffen werden können, um mehr als bei der jetzigen Bewirtschaftung vorwiegend mit Futtermais Lebensräume für Tiere und Pflanzen zu sichern.

Wir werden also mit allen anderen hier im Gemeinderat, die den Bau des neuen Stadtteils für notwendig halten, um den dringend benötigten bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, in den kommenden Monaten unsere Argumente für einen lebendigen, ökologischen und sozial gerechten Stadtteil den Menschen in der Stadt vortragen und für die Umsetzung dieses Stadtteils kämpfen.