NS Dokuzentrum – Ohne Erinnerung gibt es keine Zukunft

Stadtrat Karim Saleh (Bild: Britt Schilling)

Der Gemeinderat hat heute dem pädagogischen Gesamtkonzept für das NS Dokumentationszentrum zugestimmt. Dies orientiert sich an den zentralen Fragen: Was ist geschehen? Wie konnte es geschehen? Welche Schlüsse ziehen wir daraus für die Gegenwart? Die grüne Fraktion freut sich auf die Eröffnung des Dokumentationszentrums 2021.

Rede von Karim Saleh zu TOP 7  „Konzeption des zukünftigen Dokumentations- und Informationszentrums über den Nationalsozialismus in Freiburg“ in der Gemeinderatssitzung am 3. März 2020

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Gäste,

Mit der heutigen Vorlage haben wir für das „Dokumentationszentrum Nationalsozialismus Freiburg“ ein rundes Gesamtkonzept, das Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verbindet. Diese Verbindung ist entscheidend.

Denn: Ohne Erinnerung gibt es keine Zukunft. Ohne Erinnerung gibt es keine faschismusfreie Zukunft.

Mit der Dauerausstellung und dem Gedenkraum wird an die historischen Ereignisse erinnert und der Menschen gedacht, die durch den Nazi-Terror verfolgt und ermordet wurden. Es ist sehr gut, dass in dem geplanten Gedenkraum aller Menschen namentlich gedacht werden soll, unabhängig davon, welcher Gruppierung sie angehörten. Und es ist sehr gut, dass für ein würdiges Gedenken, entsprechende Umbaumaßnahmen vorgenommen werden.

Den Brückenschlag von der Vergangenheit in die Gegenwart und Zukunft schafft das pädagogische Konzept. Das Dokuzentrum richtet sich vor allem an Jugendliche und junge Erwachsene. Sie sind es im Besonderen, die erreicht werden müssen, damit sich Geschichte nicht wiederholt. Jede Generation muss sich aufs Neue mit der deutschen Vergangenheit auseinandersetzen. Muss verstehen lernen, wie das nationalsozialistische System funktionierte

Muss verstehen, wie eine menschenverachtende Ideologie erst die breiten Massen für sich gewinnen konnte, um dann die Welt anzuzünden, einen Krieg anzuzetteln, der Abermillionen Menschen das Leben kostete, – muss verstehen wie es dazu kam, dass Menschen in Vernichtungslagern industriell ermordet wurden – einfach weil sie vermeintlich „anders“ waren.

Jede Generation muss die Prozesse und Mechanismen verstehen, die zu diesem Kapitel deutscher Geschichte geführt haben. Dafür muss sie erkennen, dass das was passiert ist, nicht einfach nur in Berlin oder München, in Auschwitz  oder in der ägyptischen Wüste vor Al-Alamein stattgefunden hat – weit weg also von der eigenen Haustür.

Es ist überall passiert – die Propaganda von der eigenen Überlegenheit und der Ungleichwertigkeit der vermeintlichen Anderen – hat überall gewirkt – auch in Freiburg. Deswegen ist es so wichtig, dass sich die Menschen vor Ort, mit der Rolle ihres Ortes in Nazi-Deutschland auseinandersetzen. Deswegen ist es so wichtig, dass dieses Dokumentationszentrum Nationalsozialismus hier in Freiburg – sichtbar mitten in der Stadt – realisiert wird.

Jede Generation muss seine eigenen Zugänge zu diesem Kapitel deutscher Geschichte finden. Ich konnte selbst noch in der 10. Klasse Zeitzeug*innen befragen und habe noch Großeltern, die diese Zeit zumindest noch als kleine Kinder erlebt haben. Die Zeitzeugen gehen aber nach und nach von uns.

Mit Ihnen geht die Eindrücklichkeit ihrer Schilderungen, die die Vergangenheit greifbar gemacht hat, die emotional das Erlebte in die Gegenwart transportiert hat. Wir werden also zukünftig Generationen haben, die den Zugang über die eigene Familie und physisch anwesende Zeitzeug*innen nicht mehr haben werden. Und wir haben schon jetzt viele junge Menschen, die den Zugang über die Familie nicht haben, weil sie selbst oder die Familie aus anderen Ländern mit eigenen Geschichten stammen.

Wir haben hier nun ein pädagogisches Konzept vorliegen, das unseres Erachtens diesen Herausforderungen Rechnung trägt

Die zentralen Fragen, um die das Konzept kreisen lauten:

  • Was ist geschehen?
  • Wie konnte es geschehen?
  • Welche Schlüsse ziehen wir daraus für die Gegenwart?

Ziel ist es, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen diesen Gedenk- und Lernort mit dem Gedanken verlassen:„Es geht mich an, hat mit mir und meinem Leben zu tun.“ Mit den Workshops, Stadtrallyes, Kunst- und Theaterprojekten wartet das Konzept mit einer breiten Palette an inhaltlichen Angeboten und Methoden auf, um junge Menschen für das Thema zu sensibilisieren.

Besonders hervorheben möchte an dieser Stelle die Workshops, die die Fragen aufwerfen, wo wir in der Gegenwart Diskriminierung, menschenverachtenden Einstellungen und anderen Elementen rechter Ideologie begegnen und was wir dagegen tun können. In Zeiten, in denen rechtsextreme Terroristen Anschläge verüben und fast wöchentlich rechte Zellen enttarnt werden, sind solche Angebote bitter nötig.

Das pädagogische Angebot des Dokumentationszentrums kann und soll die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus im Schulunterricht natürlich nicht ersetzen. Ein solcher außerschulischer Lernort kann – das weiß ich aus eigener beruflicher Erfahrung  – eine sehr sinnvolle Ergänzung sein. Die Dinge werden greifbarer, die Perspektiven werden erweitert, die Zugänge zur Materie individueller und das Gelernte verbleibt eindrücklicher und nachhaltiger im Gedächtnis.

Wie eingangs erwähnt: Wir haben hier mit der Ausstellung, dem Gedenkraum und dem pädagogischen Konzept eine runde Sache. Ich freue mich auf den weiteren Entwicklungs- und Gestaltungsprozess und bin gespannt auf die Eröffnung Ende 21.