Planungsgewinne gerechter abschöpfen!

Auf Tour im Güterbahngelände: Die Grüne Fraktion.

Die Grundstückswerte kennen im Baugebiet Güterbahnhof nur eine Richtung: Nach oben. Über städtebauliche Verträge schöpft die Stadt einen Teil des Planungsgewinns, der durch zusätzliche Baurechte entsteht, ab. Damit werden z.B. Sozialwohnungen finanziert oder städtische Infrastruktur, z.B. Kitas. Wir fragen nun nach, wie die Stadt damit umgeht, dass der Grundstückswert deutlich über dem liegt, was damals Berechnungsgrundlage der städtebaulichen Verträge war.

Grundstückswertentwicklung im Baugebiet Güterbahnhof-Nord: Erhebliche Diskrepanz zwischen Bodenwertansätzen in den zugrunde liegenden städtebaulichen Verträgen und den tatsächlich erzielten Verkaufspreisen – Relevanz für alle städtebaulichen Verträge und Aufzeigen von Änderungsoptionen

Fraktionsanfrage nach § 24 Abs. 4 GemO außerhalb von Sitzungen vom 26.4.2019

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

wenn Grundstücke durch Gemeinderatsbeschluss, beispielsweise im Wege eines Bebauungsplan-verfahrens, eine Nutzungsaufwertung erfahren, kann die so entstehende Bodenwertsteigerung bis zu zwei Drittel für erforderliche Erschließungsmaßnahmen, für Kitas, für sozialen Mietwohnungs-bau, Ausgleichsmaßnahmen etc. herangezogen werden – was ansonsten zu Lasten der öffentlichen Hand ginge. Geregelt ist dies in den baulandpolitischen Grundsätzen der Stadt Freiburg.

Stadtrat Eckart Friebis
Stadtrat Eckart Friebis (Bild: Britt Schilling)

Der Wertunterschied – beispielsweise zwischen bisherigem Ackerland und späterem Wohnbauland, aber auch bei einer Umwandlung von bisherigem Gewerbegebiet zu Mischgebiet oder Wohngebiet – wird über die entsprechenden aktuellen Bodenrichtwerte des Gutachterausschusses ermittelt (Differenz zwischen Eingangs- und Ausgangswert). Abgesichert werden die entstehende Wertsteigerung und deren konkrete anteilige Verwendung in sog. Städtebaulichen Verträgen zwischen Stadt und den betroffenen GrundstückseigentümerInnen vor dem Vollzug der Offenlage des entsprechenden Bebauungsplanes.

Im konkreten Fall des Bebauungsplans Güterbahnhof-Nord wurden im Jahr 2017 als Grundlage für die Ermittlung des Wertzuwachses infolge einer Teilbebauungsplanänderung (von vormals Gewerbegebiet zu Mischgebiet) für die künftig ermöglichte Mischgebietsnutzung Bodenwerte von 570 Euro/m² und 600 Euro/m² festgelegt, jeweils abhängig von der baulichen Nutzung auf den einzelnen Baufeldern. Daraus errechnete sich sodann die planungsbedingte Wertsteigerung, deren städtischer Anteil für Maßnahmen wie die o.g. eingesetzt wurde.

Laut dem Anfang April d.J. erschienenen Immobilienmarktbericht 2018 der Stadt Freiburg wurden im vergangenen Jahr im Stadtteil Brühl fünf Bauplätze verkauft, mit einem durchschnittlichen Kaufpreis von 2.297.- Euro/m² Grundstücksfläche. Es ist davon auszugehen, dass alle diese Grundstücke im Baugebiet Güterbahnhof-Nord liegen.

Der Unterschied zwischen o.g. Bodenwertansatz zur Ermittlung des “Planungsgewinns“ für den/die Grundstückseigentümer von max. 600.- Euro pro Quadratmeter zu den tatsächlich erzielten Verkaufspreisen von durchschnittlich fast 2.300.- Euro/m² Grundstücksfläche ist eklatant! Den entsprechenden Mehrerlös von rechnerisch 1.700.- Euro/m² haben alleine die Eigentümer realisiert, die Stadt Freiburg bzw. die Allgemeinheit sieht davon keinen Cent!

Die großen „Gewinner“ bei diesem Projekt sind somit die Grundeigentümer, wohingegen die Allgemeinheit davon überhaupt nicht profitiert, beispielsweise zugunsten von mehr und qualitätsvolleren öffentlichen Grünflächen, weiteren Kitas, zusätzlichen Sozialmietwohnungen oder einem generell noch attraktiveren Stadtquartier.

Diese Feststellung gilt selbstverständlich nicht nur für das Bebauungsplangebiet Güterbahnhof-Nord, sondern für alle sonstigen Bebauungspläne analog! Denn die tatsächlich am Markt erzielbaren Bodenverkaufspreise weichen stadtweit regelmäßig, insbesondere innerhalb der letzten fünf bis zehn Jahre, ganz erheblich von den zuvor angesetzten Bodenrichtwerten nach oben ab.

Allein schon aus Gerechtigkeitsaspekten stellt sich die Frage, wie gewährleistet werden könnte, dass einerseits die von den Privateigentümern erzielbaren Grundstückspreise in vertretbarem Rahmen gehalten werden können und wie andererseits auch die Stadt Freiburg von moderaten Bodenpreissteigerungen einen angemessenen Anteil für öffentliche Zwecke zugunsten der Allgemeinheit „abschöpfen“ kann.

Vor diesem Hintergrund bitten wir um die Beantwortung nachfolgender Fragen:

    1. Kann über städtebauliche Verträge künftig eine Begrenzung der tatsächlichen späteren Boden-verkaufspreise an Dritte erreicht werden? Mit welchen konkreten vertraglich bindenden Regelungen?
    2. Kann die planungsbedingte Wertsteigerung an den faktisch erzielten Bodenverkaufspreisen anstelle von zeitlich und betragsmäßig überholten Bodenrichtwerten orientiert werden?
    3. Ist beispielsweise eine Preisgleitklausel hierfür in den städtebaulichen Verträgen möglich?
    4. Welche sonstigen Optionen sieht die Stadt Freiburg, um
      1. die – teilweise spekulative – Bodenpreisentwicklung im Einflussbereich der Stadt (beispielsweise über Bebauungspläne) in verträglichen Grenzen zu halten?
      2. die planungsbedingte Wertsteigerung, von der die Stadt bis zu zwei Drittel für planungsbedingte Aufwendungen im Interesse der Allgemeinheit „abschöpfen“ darf, an den tatsächlich erzielten Bodenverkaufspreisen statt an wenig realitätsnahen Bodenrichtwerten zu orientieren?

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, gerade angesichts stetig steigender Bodenpreise in Freiburg ist es dringend erforderlich, dass die Stadt Freiburg nach zusätzlichen Möglichkeiten sucht – neben anderen Optionen wie einem verstärkten Grundstückserwerb, Erbpachtverträgen, dem „Allmende“-Vorschlag der GRÜNEN -weiter steigende Bodenpreise bestmöglich zu beschränken und darüber hinaus Wege aufzeigt, wie auch die Allgemeinheit von berechtigten und maßvollen Bodenpreisentwicklungen profitiert. Anstelle privaten Grundeigentümern teilweise eklatante Gewinne zu ermöglichen, ohne entsprechende Eigenleistung und angemessenem Ausgleich an die Gesellschaft.

Mit freundlichen Grüßen

Eckart Friebis

Stadtrat, Fraktionsgeschäftsführer

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