„Kein Skandal, sondern normales politisches Geschäft“ 23. Mai 201722. September 2020 Rede von Fraktionsvorsitzender Maria Viethen zu TOP 2 des Gemeinderats vom 23.05.2017: „Stadtjubiläum“ Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, Was hat das für ein Rauschen im Blätterwald ausgelöst, dass der Konzeptentwurf, den die scheidende Intendantin Barbara Mundel für das Stadtjubiläum vorgelegt hat, von der Mehrheit des Gemeinderates als nicht umsetzbar, weil in der aktuellen Haushaltslage nicht finanzierbar befunden wurde. Die Badische Zeitung hat unter anderem ein „Pro und Contra“ zwischen Lokal– und Kulturredaktion abgedruckt. Herr Mauch, dem bekanntlich die Haushaltslage der Stadt am Herzen liegt, schrieb am 15. Februar 2017, dass selten Stadtverwaltung und Gemeinderat ein Thema der Art vergeigt hätten wie das 900–Jahr–Jubiläum. Das ist natürlich Unsinn. Das Jubiläum findet in drei Jahren statt, und ob es »vergeigt« wurde oder nicht, werden wir erst hinterher wissen. Es drängt sich der Eindruck auf, dass hier ein Vorgang skandalisiert werden sollte, der so skandalös nicht ist. Fraktionsvorsitzende Maria Viethen (Bild: Britt Schilling) Aber auch die Befürworter einer Umsetzung des Mundel-Konzeptes setzen sich nicht ernsthaft mit den Realitäten auseinander. Das sind vor allem die Vertreter von Kunst und Kultur, deren Anliegen in dem Konzeptentwurf als zentrales Mittel gefeiert wird, durch das der soziale Zusammenhalt der Stadt gestärkt werden soll und durch das Städte nachhaltiger, sicherer und belastbarer werden sollen. Bettina Schulte von der Kulturredaktion der Badischen Zeitung betonte bei Ausführung der »Pro«-Stellungnahme zum gleichen Zeitpunkt die segensreiche Rolle der Kultur und meinte, man müsse angesichts außergewöhnlicher Ereignisse auch einmal den Mut haben, über den finanziellen Tellerrand zu schauen. Das alles erinnert wiederum an die auch anderweitig bisweilen zu beobachtende Selbstüberschätzung der Kulturschaffenden und KulturvermittlerInnen. Dass Stadtentwicklung nicht nur ein kultureller Prozess ist, oder dass auch andere Ereignisse schichtenübergreifende Identitätsprozesse in Gang bringen können, genannt seien etwa der Sport, bleibt gerne unerwähnt. Gehen wir doch noch einmal zurück in das Jahr 2015, als der Oberbürgermeister auf Rat des Kulturbürgermeisters hin – durchaus mit Beifall der Mehrheit des Gemeinderats – Barbara Munde gebeten hat, nach dem Abschluss ihrer Intendanz die Leitung des Stadtjubiläums zu übernehmen und hierzu ein Konzept zu entwickeln. Damals sah die finanzielle Lage der Stadt noch einigermaßen gesichert aus, es wurden Schulden zurückgeführt und es galt natürlich, eine würdige und dem Anlass entsprechende Ausrichtung des Stadtjubiläums zu organisieren. Über das Budget wurde – zumindest offiziell – nicht gesprochen, erst sollte eine ungefähre Idee davon entwickelt werden, was es denn eigentlich zu finanzieren galt. Wenn man vergleicht, dass die Stadt Karlsruhe, die nur ein 300-jähriges Jubiläum zu feiern hatte, offiziell 12 Millionen Euro investiert hat, inoffiziell wird von 18 Millionen gesprochen, dann halte ich es durchaus denkbar, dass sich die Vorstellungen der damaligen Akteure im höheren einstelligen Millionenbereich bewegt haben, ob dies nun tatsächlich ausgesprochen wurde oder nicht. Dies war angesichts der damaligen finanziellen Lage der Stadt auch durchaus vorstellbar. Der Doppelhaushalt 2017/2018 wurde am 13. Dezember 2016 eingebracht. Die GemeinderätInnen konnten dann in den Weihnachtsferien entdecken, dass im Haushalt zwar viele wichtige Investitionsvorhaben angegangen wurden, dass sich jedoch die Schere zwischen Erträgen und Aufwendungen trotz guter Steuereinnahmen immer weiter öffnet, dass die Investitionen mit erheblichen Kreditaufnahmen finanziert werden mussten und auch für spätere Haushalte erneute Kreditaufnahmen erfordern würden, und dass gleichzeitig durch die Halbierung der Instandhaltungspauschalen ein gefährlicher Instandhaltungsstau aufgebaut wird. Die Mehrheit des Gemeinderates konnte am 03. Februar 2017, also keine zwei Monate nach der Haushaltseinbringung, bei der Vorstellung der Konzeptidee von Barbara Mundel überhaupt nicht anders als festzustellen, dass eine weitere Aufnahme von Schulden in der von der Verwaltung für das Konzept geschätzten Höhe nicht mehr vertretbar war. Das – meine Damen und Herren – ist kein Skandal, sondern normales politisches Geschäft. Der eigentlich nicht zur Veröffentlichung vorgesehen Konzeptentwurf von Barbara Mundel, den wir am dritten Februar nicht in die Hand, sondern nur an die Wand geworfen erhielten, sieht im Kern eine Fortsetzung der inhaltlichen Konzeption ihrer Intendanz vor. Es geht um die Frage der Teilhabe aller Gesellschaftsschichten in Freiburg bei der Frage, wie sich Freiburg aus der Geschichte heraus definiert und wie wir in Zukunft leben wollen. Das Konzept ist teilweise sehr anschaulich, gleichzeitig jedoch auch hoch theoretisch. Es definiert vier Handlungsfelder und dann Typen von Projekten, die zusammen mit den verschiedensten AkteurInnen aus der Stadt entwickelt werden sollen. Dabei ist auch der Weg Teil des Ziels: bei der Entwicklung der Projekte des Jubiläumsjahres sollen auch Brücken geschlagen werden zwischen Menschen verschiedener Gruppierungen, Stadtteilen, gesellschaftlicher Schichten, die in Freiburg leben. Dabei ist – wie sollte es bei dem Konzept einer Intendantin auch anders sein – der Kultur einer herausragende Rolle als verbindendes Element zugedacht. Diese doch sehr weitgehende Kulturlastigkeit wäre noch zu diskutieren gewesen, wenn das Konzept so, wie vorgeschlagen kommen die Umsetzung gegangen wäre. Ein Stadtjubiläum ist nicht ausschließlich ein Kulturfest, Teilhabe der Menschen ist nicht nur über Kultur zu erreichen. Heute gilt es, in die Zukunft zu schauen. Wir beschließen ein Budget von 3 Mio Euro, nach Möglichkeit ergänzt durch Sponsoringbeiträge. Die Verwaltung wird beauftragt, auf dieser Grundlage die Organisationsstruktur anzupassen und ein geändertes Konzept vorzulegen. Barbara Mundel hat signalisiert, dass sie für die Umsetzung einer angepassten Version ihres Konzeptes zu einem deutlich reduzierten Budget nicht mehr zur Verfügung steht. Das ist bedauerlich, und ich möchte die Gelegenheit nutzen, Barbara Mundel an dieser Stelle ausdrücklich für die bisherige Arbeit zu danken. Ich habe ihr Konzept trotz einiger kritischer Anmerkungen durchaus überzeugend gefunden. Es tut mir sehr leid, dass durch die vorzeitige Veröffentlichung ihrer Vorstellungen eine für sie sehr unangenehme Diskussion in den Medien ausgelöst worden ist. Das haben sie und ihre Arbeit nicht verdient. Mit 3 Mio Euro wird sich kein ganzes Jubiläumsjahr und schon gar keine aufwändig gestaltete Vorbereitungszeit finanzieren lassen, so dass der zeitliche Rahmen realistischerweise zeitlich auf einen Teil des Jahres – die Vorlage spricht von drei Monaten – begrenzt werden sollte, gegebenenfalls ergänzt durch eine Auftakt– oder eine Abschlussveranstaltung. Wir erwarten von der Verwaltung den Vorschlag für eine angepasste Programm– und Projektplanung mit zentralen Events und dezentralen Veranstaltungen in den Quartieren. Dabei stellen wir uns vor, dass die großen sozialen, kulturellen und sportlichen Institutionen der Stadt um ihren Beitrag angefragt werden. 2020 wird das Augustinermuseum fertig gestellt werden, was als Meilenstein der Stadtentwicklung zu feiern ist, der Sportclub hat sein neues Stadion und wird auf seine neuen Nachbarn im Wolfswinkel und die ganze Stadt zu gehen wollen, die Universität ist aufgefordert, ihre Rolle in der Stadt jetzt und für die Zukunft zu präsentieren. Neben der Vielzahl der sonstigen, teilweise von der Stadt erheblich bezuschussten Einrichtungen und Vereine sollen auch die Stadtteile, allen voran die Bürgervereine, aufgefordert werden, Vorschläge für einen Beitrag zum Stadtjubiläum vorzulegen. Und wir brauchen nach wie vor ein Motto, eine Leitidee, wobei ich denke, dass der Vorschlag von Barbara Mundel mit »Brücken bauen und neue Wege gehen« durchaus Sinn macht, auch weil offen genug ist, dass sich die vielfältigen Ideen darunter bündeln lassen. Also, meine Damen und Herren, nicht den Mut sinken lassen, sondern in die Hände gespuckt. Ich bin sicher, dass sich auch mit einem städtischen Beitrag von 3 Mio Euro ein gelungenes Fest für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt organisieren lässt, das die Menschen beteiligt und in ein Nachdenken über die Zukunft der Stadt mit einbezieht. Bericht über den Grünen Salon zum Thema: Kontroverse Diskussion übers Stadtjubiläum
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