„Dienstleistungsabkommen dürfen nicht dazu führen, dass die Spielräume der kommunalen Selbstverwaltung eingeschränkt werden“ 11. Dezember 20144. April 2017 Stadtrat Gerhard Frey (Bild: Britt Schilling) Rede von Stadtrat Gerhard Frey zu TOP 2 der Gemeinderatssitzung am 09.12.2014 zum Thema: „Verhandlungen der EU-Kommission über die Abkommen TTIP, CETA und TISA“ Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Sehr geehrte Damen und Herren, die europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA hat bis heute über eine Million Unterschriften gegen die Freihandelsabkommen gesammelt. Auch in Freiburg gibt es viele Stimmen aus Parteien, NGO´s, Umweltorganisationen und der Kultur, die TTIP, CETA und TISA sehr kritisch sehen. Im Herbst fand hierzu auf dem Rathausplatz eine gut besuchte Protestaktion statt. Im interfraktionellen Antrag haben die unterzeichnenden Fraktionen, den Beschlusstext zwar radikaler formuliert, wie nun in der Vorlage der Verwaltung ausgeführt. Die Stoßrichtung und die Argumentationslinie der Vorlage ist jedoch identisch mit unserem Antrag. Die vielschichtige Kritik an den Verhandlungen zu TTIP, CETA und TISA sind nach Meinung meiner Fraktion mehr als berechtigt. Der Deutsche Städtetag, der Deutsche Landkreistag, der deutsche Städte- und Gemeindeverbund und der Verband kommunaler Unternehmen haben deshalb im Oktober ein gemeinsames Positionspapier zu den Verhandlungen veröffentlicht. Die Städte München und Mannheim haben nachgelegt und mit eigenen Positionspapieren und Beschlüssen die kritische Haltung der kommunalen Spitzenverbände zu den Abkommen bekräftigt. Konkret geht es meiner Fraktion um folgende Punkte: Die Intransparenz der Verhandlungen zu TTIP und TISA muss beendet werden. Die Bürgerinnen und Bürger der EU und der USA haben ein Anrecht darauf zu erfahren, in welche Richtung die Verhandlungslogik über den Zugang zu den Märkten für Waren, Dienstleitungen, Investitionen und öffentlichen Aufträgen sich entwickelt. Im Grunde wäre es nach den Protesten sinnvoll, mit einem Reset die Verhandlungen neu zu starten. Beiderseits des Atlantiks existieren ganz unterschiedliche Systeme der Daseinsvorsorge, unterschiedliche Umwelt- und Verbraucherstandards, unterschiedliche Arbeitnehmerrecht und Sozialstandards, unterschiedliche Fördersystem bei Kunst und Kultur. Diese Verschiedenheiten sind das Ergebnis politischer Entscheidungsprozesse über Jahrzehnte hinweg. Für uns heute gültige Standards der „sozialen Marktwirtschaft“, der Kulturförderung, der Daseinsvorsorge, der Gesetzgebungen zum Umweltschutz dürfen durch Handelserleichterungen zwischen den USA und Europa nicht über Bord geworfen werden. Das europäische Vergaberecht ist schon heute für viele Kommunen einerseits ein bürokratisches Monster und andererseits eine Hürde, um kommunale Aufgaben möglichst bürgernah zu erledigen. Die erfolgte Reform des europäischen Vergaberechts, mit Erleichterungen bei der Inhousevergabe und der interkommunalen Zusammenarbeit, darf durch das Freihandelsabkommen nicht wieder außer Kraft gesetzt werden. Die öffentliche Daseinsvorsorge, wie Wasser und Abwasser, Abfall, ÖPNV, soziale Dienstleistungen müssen aus dem Abkommen ausgeklammert werden. Der Spielraum der Kommunen bei der Gestaltung und Organisation der Daseinsvorsorge muss erhalten bleiben. Auch wir fordern deshalb, wie in der Drucksache dargestellt, eine Positivliste. D. h. nur konkret im Abkommen genannte Dienstleistungen und Aufgaben dürfen einer – sofern sie es nicht bereits sind – Liberalisierung unterzogen werden. Die Kulturförderung in Deutschland ist einzigartig. Sie beginnt bei der Leseförderung durch die Preisbindung und dem verminderten Mehrwertsteuersatz bei Büchern, über das Urheberrecht, die Künstlersozialkasse, bis zu der Förderungen kultureller Initiativen und der kulturellen Infrastruktur in den Städten. Meine Fraktion unterstützt die Forderung des Deutschen Kulturrats, dass auch hier nur konkret in Positivlisten genannte Bereiche durch das Freihandelsabkommen erfasst werden dürfen. Ganz zentral für meine Fraktion in der Diskussion über die Freihandelsabkommen ist die Frage, welchen Stellenwert nationale und kommunale Umwelt- und Verbraucherschutzstandards in den Abkommen erhalten werden. Eine Kommune wie Freiburg muss im Rahmen der lokalen Selbstverwaltung ökologische Standards, wie z. B. den Passivhausstandard in Bebauungsplänen oder ein Essen für Schulkinder nur mit regionalen Produkten, beschließen können. Für uns wäre es inakzeptabel, wenn durch die Handelsabkommen, solche kommunal beschlossenen Standardfestlegungen nicht mehr möglich wären. Wir lehnen grundsätzlich einen Investorenschutz, wie er bereits im CETA-Abkommen ausverhandelt wurde und die Einrichtung von Schiedsgerichten ab. Wir können der Argumentation in der Verwaltungsvorlage folgen, dass zwischen Staaten mit einer ausgeprägten, rechtsstaatlichen Tradition und dem damit verbundenen Rechtsschutz grundlegende Rechtsverhältnisse geregelt sind, die keiner weiteren Institution wie Schiedsgerichten bedürfen. Meine Fraktion hat deshalb überhaupt kein Verständnis dafür, dass z. B. Vattenfall und im Schlepptau E-On vor einem Schiedsgericht in Washington Deutschland auf 4,7 Milliarden Euro Schadenersatz wegen des Atomausstiegs verklagen kann. Ärgerlich ist deshalb umso mehr das Einknicken des Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der, nachdem er im September noch genau das Gegenteil behauptet hat, nun plötzlich keine Möglichkeiten mehr sieht Schiedsgerichte weder bei TTIP noch bei CETA zu verhindern. Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, wir fordern Sie hiermit auf, in einem weiteren Schreiben an die Bundes- und Landesregierung, den heutigen Beschluss des Gemeinderats zu kommunizieren und sich in den kommunalen Spitzenverbänden weiterhin dafür stark zu machen, dass die Interessen der Kommunen und der kommunalen Unternehmen bei den Verhandlungen zu TTIP und TISA gewahrt bleiben und bei CETA neu verhandelt werden. Die Handels- und Dienstleistungsabkommen dürfen nicht dazu führen, dass die Spielräume der kommunalen Selbstverwaltung eingeschränkt werden. Vielen Dank.
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