Investieren und konsolidieren! 3. Mai 201723. Mai 2017 Artikel im Amtsblatt vom 5.5.2017: Haushaltsrede von Fraktionsvorsitzender Maria Viethen Für das Amtsblatt musste die Haushaltsrede gekürzt werden. Die vollständige Rede finden sie unter https://fraktion.gruene-freiburg.de/2017/05/02/investieren-und-konsolidieren/ Freiburg geht es wirtschaftlich gut! Die Arbeitslosenquote ist auf 5,5% gesunken, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei nur 2,3 %. Das ist nicht nur bundes-, sondern europaweit ein Spitzenwert. So verwundert es nicht, dass Freiburg eine wachsende Stadt bleibt. Die Kehrseite ist der angespannte Wohnungsmarkt. Deshalb wird die Hauptaufgabe die Schaffung von Wohnraum bleiben, insbesondere für untere und mittlere Einkommensschichten. Ein starker Haushalt mit grünen Schwerpunkten Der vorliegende Haushalt ist ein Investitionshaushalt. Er setzt wichtige grüne Schwerpunkte. In den nächsten zwei Jahren werden wir Investitionen von 170 Mio. Euro tätigen, die alle Bereiche des städtischen Lebens betreffen: Umbau des Rotteckrings mit dem Platz der Alten Synagoge, Umgestaltung des Friedrichrings, Erweiterung der Hauptfeuerwache, dritter Bauabschnitt des Augustinermuseums. Beträchtliche Summen fließen in den Ausbau der Freiburger Schulen: Neubau der Staudinger-Gesamtschule, Erweiterung der Pestalozzi-Schulen, Ausbau der Adolf-Reichwein-Schule. Fraktionsvorsitzende Maria Viethen (Bild: Britt Schilling) Auch wenn die Stadt diese Investitionen nur durch die Aufnahme neuer Kredite finanzieren kann, ist das gut und richtig. Denn das Zinsniveau ist historisch niedrig. Die städtischen Schulden sind überschaubar, seit 2006 wurden 60% der Schulden zurückgeführt! Freiburg ist leistungsfähig: die Gewerbesteuereinnahmen werden mit jährlich rd. 190 Mio. Euro über dem Durchschnitt der letzten Haushaltsjahre liegen. Jedoch steigen auch die Aufwendungen, wie z.B. die sozialen Pflichtaufgaben. So sind die Kosten für die Hilfe zur Pflege in den letzten 10 Jahren von 11 Mio. auf 18 Mio. Euro gestiegen. Freiburg ist mit dieser Situation nicht allein, vielen anderen Städten geht es ähnlich. Hier ist der Bund gefordert. Statt Steuergeschenken zur Wahlkampfzeit erwarten wir von Herrn Schäuble und der schwarz-roten Bundesregierung eine nachhaltige Entlastung der großen Städte. Wichtigster Schwerpunkt ist für uns der Bereich Bildung, Kinder und Jugendliche. Die Aufwendungen für die Kinderbetreuung steigen auf fast 112 Mio. Euro brutto, davon verbleiben rd. 60 Mio. Euro pro Jahr bei der Stadt. Bei derzeit 10.000 Betreuungsplätzen bedeutet dies eine Bezuschussung von 500 Euro pro Platz und Monat Dies ist eine gewaltige Anstrengung für mehr Chancengerechtigkeit und unverzichtbar für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Haushaltsrisiken Der aktuelle Ergebnishaushalt erwirtschaftet keinen Überschuss, aus dem Investitionen finanziert werden können. Er hat ein jährliches Defizit in zweifacher Millionenhöhe und wird hauptsächlich durch Grundstücksverkäufe gedeckt, die man bekanntlich nur einmal tätigen kann. Die bereits begonnenen Investitionsvorhaben sind mit diesem Doppelhaushalt bei weitem nicht zu Ende finanziert. Dafür sind in den Folgejahren Millionenbeträge aufzubringen. So soll 2019 der 85 Mio. teure Neubau der Staudingerschule in die Umsetzung gehen. Im jetzigen Doppelhaushalt sind aber nur die Planungsmittel mit 5,5 Mio. Euro eingestellt. Die größten Sorgen macht uns der Instandhaltungsstau bei der städtischen Infrastruktur. Allein für die sechs dringendsten Sanierungsfälle bei den 58 Sport- und Mehrzweckhallen bräuchte man zeitnah 25 Mio. Euro. Wir steuern also auf ein ernstzunehmendes Problem zu: Statt neben den laufenden Investitionen Schulden zurückzuzahlen, nehmen wir Kredite auf und bauen mit dem Instandhaltungsstau implizite Schulden auf. Gegenmaßnahmen und grüne Anträge In dieser Situation darf der Gemeinderat nicht untätig bleiben. Der laufende Ergebnishaushalt muss wieder ins Lot kommen. Alle sind gefordert, ihren Beitrag zu leisten: Von der Verwaltung fordern wir ein Konsolidierungskonzept mit stringentem Zeitplan. Wenn solche Maßnahmen Wirkung zeigen sollen, müssen sie Anfang 2018 eingeleitet werden. Gibt es städtischen Aufgaben, die verzichtbar sind? Was hat sich überholt, was kann zurückgestellt werden? Bei diesen Überlegungen ist vor allem der Gemeinderat gefordert. Von den BürgerInnen erwarten wir Verständnis für die finanzielle Lage der Stadt und dafür, dass städtische Leistungen ihren Preis haben. Meine Fraktion hat beantragt, 24 Mio. Euro mehr für die Instandhaltung von Verkehrswegen, Ingenieurbauwerken und städtischen Gebäuden einzustellen. Um dies nicht durch weitere Kreditaufnahmen finanzieren zu müssen, sollen bei Steuermehreinnahmen die ersten 10 Mio. für diesen Zweck reserviert werden. Der restliche Betrag sollte durch eine Anhebung des Gewerbesteuerhebesatzes um 20 Punkte finanziert werden. Da die Steuerentwicklung nun positiver als erwartet ausfällt, reicht jetzt eine Anpassung um zehn Punkte Die schwierige Weichenstellung kann für uns aber nicht heißen, dass totaler Stillstand eintritt und keine neuen Impulse gesetzt werden. Wir haben Handlungsbedarf gesehen und durch Anträge unterstützt. So wollen wir das Kulturaggregat, eine Plattform für jüngere Kunst und Kunstvermittlung, fördern, haben uns erfolgreich für Wildwasser und Wendepunkt sowie den Ausbau des Farrenstall in Waltershofen eingesetzt. Wir hatten uns jedoch auferlegt, für die Anträge im Zuschussbereich Deckungsvorschläge anzubieten. Deshalb mussten wir Prioritäten setzen und konnten viele gut begründete Anliegen schweren Herzens nicht berücksichtigen. Unser Deckungsvorschlag, das Theaterfestival zu verschieben, sorgte für erheblichen Unmut. Haushaltskonsolidierung bedeutet aber auch, dass das Volumen der Zuschüsse nicht grenzenlos wachsen kann. Gerade wenn neue Projekte eine Chance haben sollen, müssen wir innerhalb der einzelnen Etatbereiche umschichten. Hier ist auch mehr Mut von der Verwaltung gefordert. Unsere Deckungsvorschläge haben keine Mehrheit erhalten. Mut für Umschichtungen wollte der Gemeinderat nicht zeigen. Und bei manchen Fraktionen vermissen wir angesichts einer ungebremsten Antragsflut jegliche Einsicht in den Ernst der Lage. Ausblick: Klimaschutz Beim „March for Science“ am diesjährigen „Tag der Erde“ sind in Freiburg 2.500 Menschen gegen die Verbreitung sog. „alternativer Fakten“ auf die Straße gegangen. Auch wenn Trump den Klimawandel leugnet, ist er eine Tatsache, die für uns massive Folgen hat: Die Gletscher schmelzen, Stürme und Überschwemmungen werden heftiger und der Grundwasserspiegel sinkt bedrohlich. Deshalb bin ich erstaunt, dass Teile des Gemeinderats bereit sind, aus kurzfristigen Erwägungen die Freiburger Klimaziele aus den Augen zu verlieren. Und damit den wirtschaftlichen Vorteil aus der Hand zu geben, den sich Freiburg als Vorbild für eine nachhaltige Stadtentwicklung erarbeitet hat. Angesichts der fortschreitenden Klimaerwärmung, die die Lebensgrundlagen unserer Kinder und Enkel bedroht, kann es doch nicht das Gebot der Stunde sein, sich über die Kürzung von ökologischen Baustandards profilieren zu wollen, die – wenn überhaupt – nur marginale finanzielle Auswirkungen haben könnten. Wir Grünen halten daran fest, dass wir in dieser Stadt eine Politik brauchen, die Klimaschutz und umweltgerechtes Leben für alle ermöglicht: Durch einen leistungsstarken, bezahlbaren ÖPNV, eine gute Infrastruktur für Rad- und Fußverkehr, eine klimaschonende Bau- und Wirtschaftsweise, regional und ökologisch erzeugte Nahrungsmittel und einen vorausschauenden Artenschutz.
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