Rede „Schwer zu ertragen, dass nach diesem Mann eine Straße in Freiburg benannt ist.“ 14. Juli 202018. Februar 2022 Eine der Strassen, die umbenannt werden soll, benannt nach Stadtrat Renner, der im 16. Jahrhundert für mehrere Hexenverbrennungen mitverantwortlich war. (Bild: Timothy Simms) Der Gemeinderat hat heute die Umbenennung der Alban-Stolz-Straße (und der Sepp-Allgeier-Straße) beschlossen. Lars Petersen hat für die Gemeinderatsmehrheit deutlich gemacht: Auch angesichts eines wiedererstarkenden Antisemitismus kann es nicht sein, eine Straße nach dem Antisemiten Alban Stolz zu benennen. Rede von Stadtrat Lars Petersen zu TOP 2/3 der Gemeinderatssitzung vom 14.7.2020: Umbenennung von Straßen Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Liebe Kolleginnen und Kollegen, Stadtrat Lars Petersen (Bild: Britt Schilling) Wir sprechen heute – wieder – über die Umbenennung von 2 Straßen in Freiburg. Es geht um die Sepp-Allgeier-Straße in Haslach und die Alban-Stolz-Str. in Zähringen. Ich durfte bereits einmal in diesem Gremium zu diesem Thema sprechen und möchte Sie deshalb nicht mit einer Wiederholung langweilen. Die Argumente sind ausgetauscht, wir hätten eigentlich direkt zur Abstimmung kommen können. Debattiert wird heute nur deshalb, weil die AfD, die ja anlässlich der letzten Debatte über diese Thematik mit besonders (aber)witzigen Vorschlägen vorstellig wurde, dies wünscht. Nun gut. Es sollte dann aber nicht unerwähnt bleiben, dass die AfD bis heute den 08. Mai 1945 nicht als Befreiung vom Faschismus sieht, sondern eher den Verlust von Gestaltungsmöglichkeiten beklagt, eine erinnerungspolitische Wende um 180-Grad fordert und darüber jammert, dass wir Deutschen das einzige Volk der Welt seien, dass sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat – Hitler und die Nazis seien ja nur ein „Vogelschiss“ der Geschichte. Meine Auffassung zu den im Abschlussbericht der Expert*Innen-Kommission genannten 12 Straßen der Kategorie A ist bekannt: Namensgeber und Namensgeberinnen von Straßen und Plätzen sind und bleiben ein Spiegelbild der aktuellen Gesellschaft und der Werte, die diese offensichtlich auch weiterhin für ehrenswert hält. Erlauben Sie mir statt weiterer Ausführungen dazu einen kleinen Blick in die jüngere Vergangenheit: Am 13. Juli 2019 ist es zu einem antisemitischen Angriff vor unserer Synagoge in Freiburg gekommen. Ein Mann ist am helllichten Tag auf Irina Katz losgegangen, hat sie beschimpft und mit einem Gegenstand in der Hand bedroht. Bereits Ende Oktober 2018 wurde ein Feuer an den Treppen der Freiburger Synagoge gelegt und die Stufen beschmiert. Am 05. November 2019 ist ein 19 Jahre alter Student jüdischen Glaubens in einem Freiburger Fitnessstudio Opfer eines offen antisemitischen Angriffs geworden. Am 09.10.2019 kam es in Halle an der Saale zum Versuch eines Massenmordes an Juden – am Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag. Landesweit gab es 2017 noch 99 antisemitische Straftaten. 2018 waren es schon 136. Bundesweit gab es 2019 1.839 antisemitische Straftaten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, jüdisches Leben ist ein „integraler Bestandteil der deutschen Kultur“, so sagt es der Antisemitismus-Beauftrage der Bundesregierung, Felix Klein – und er hat recht. Antisemitische Vorfälle oder Straftaten in Deutschland sind deshalb Angriffe auf unsere Gesellschaft. Alban Stolz war ein katholischer Judenhasser, der Juden u.a. als „Ungeziefer“, „Würmer“, „Ratten“, oder „Aas“ und als „Trichinenbrut in der deutschen Bevölkerung“ bezeichnet hat. Ich möchte Ihnen mehr Zitate ersparen. Es ist für mich schwer zu ertragen, dass nach diesem Mann eine Straße in Freiburg benannt ist. Ein letztes: Das Alban-Stolz-Haus in Littenweiler ist längst umbenannt. Und das Erzbischöfliche Ordinariat ist bekanntlich der Auffassung, dass auch das Alban-Stolz-Denkmal in der Herrenstraße entfernt werden sollte. Die Denkmalschützer sehen das leider – ich hoffe: noch – anders. Dieses Gremium sollte sich daher mit einer großen Mehrheit für die Umbenennung der bisherigen Alban-Stolz-Straße in Denzlinger Straße aussprechen. Gleiches gilt für die Sepp-Allgeier Straße, von der ich mir sehr wünsche, dass sie in Else-Wagner Straße umbenannt wird. Von Allgeier sind Zitate der eben genannten Qualität, besser: Niedertracht, nicht überliefert. Auch er hat aber von den „Filmjuden Berlins“ geschrieben, unter denen er gelitten habe und ist wohl 1937 in die NSDAP eingetreten. Durch seine Arbeit als Kameramann bei Leni Riefenstahls Filmen über die Reichsparteitage 1933 und 1934 hat er maßgeblich daran mitgewirkt, Hitler in das richtige Bild zu setzen. „Triumph des Willens“ ist einer der bekanntesten Propagandafilme des Dritten Reichs und inszeniert Hitler als Erlöser der vor ihm in Reihe und Glied angetretenen Massen. Allgeier hat noch an weiteren geschichtsklitternden Filmen oder – vom Oberkommando des Heeres in Auftrag gegebenen – Kriegspropaganda-Filmen mitgewirkt. Der Film „Friesennot“ darf bis heute nur unter Vorbehalt gezeigt werden. Es ist deshalb richtig, auch die Sepp-Allgeier-Straße umzubenennen. Ich freue mich, dass mit Else Wagner erstmals auch in Freiburg an ein Euthanasie-Opfer gedacht wird. Else Wagner lebte mit ihrem Mann in der Carl-Kistner-Straße in einer – heute würde man sagen – „Patchwork-Familie“ mit 9 Kindern. Aufgrund akuter Erschöpfung – heute vermutlich „Burn out“ – kam sie 1932 nach Herdern in die Psychiatrie, von da im September 1933 nach Emmendingen. Als „ungeheilt“ wurde sie von dort 1940 entlassen und nach Grafeneck verbracht, wo sie noch am gleichen Tag vergast wurde. Menschen wie Else Wagner galten nach Auffassung der Nazis, zu deren filmischer Huldigung Sepp Allgeier bis zum Schluss beigetragen hat, als „lebensunwert“. Allein aus Emmendingen wurden ca. 1.000 Menschen abgeholt und größtenteils ermordet. Es ist wichtig und richtig, an die Opfer dieser geplanten und systematischen Tötung von kranken und behinderten Menschen nunmehr auch in Freiburg zu erinnern. Wir stimmen daher beiden Straßenumbenennungen zu. Gemeinderatssitzung vom 14.7.2020 Rede von Lars Petersen
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