Rede

Haushalt, Verwaltungsreform und Klimaschutz Hand in Hand denken

Eine Person bei der Weinlese
Auch der Weinbau in der Region ist vom Klimawandel betroffen.

Eine Studie zur Klimazukunft des Landes zeigt klar: „Der Klimawandel trifft uns mit aller Wucht“. Es ist daher richtig, Schlussfolgerungen für die Klimaanpassung zu ziehen – das alleine wird aber nicht reichen: Wir brauchen mehr Tempo, Engagement und Mittel für effektiven Klimaschutz.

Rede zu TOP 9 der Gemeinderatssitzung vom 05. Oktober 2021: Studie „Klimazukunft Baden-Württemberg“ und Schlussfolgerungen für die Klimaanpassung

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

liebe Bürgermeisterin, liebe Bürgermeister,

sehr verehrte Damen und Herren,

der Klimawandel geht Freiburg richtig an die Identität:

Im Frühling ruinieren frühe Vegetationsphasen und Spätfröste uns den Weinbau. 

Im Sommer kommt eine Affenhitze in der Stadt, 

im Herbst ist durch die Zunahme von Schädlingen die Obsternte am Tuniberg in Gefahr 

und im Winter gibt es auf Dauer keinen Schnee und keinen Skisport mehr.

Das ist nicht nur Freiburger Lebensart, das sind auch wichtige Wirtschaftszweige hier für uns. 

Nach dem verregneten Sommer kann man kaum glauben, dass wir in der Vorlage vor Trinkwassermangel und Waldbränden im Schwarzwald gewarnt werden. Es ist aber so.

Ich möchte hier drauf hinweisen, dass wir keine Kampfschrift von Greenpeace vor uns haben, sondern eine Studie der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg

Das haben Beamte geschrieben.

Ich bin deshalb besonders besorgt, weil die Prognosen für Klimafolgen in der Realität bisher noch immer übertroffen wurden von Tempo und Intensität der Veränderungen. Wir brauchen nur an die Überflutungen in NRW zu denken.

Nun sind wir also im Oberrheingraben anscheinend eine der in Deutschland am stärksten vom Klimawandel betroffenen Regionen.

Stadträtin Sophie Schwer (Bild: Britt Schilling)

Und nur, damit wir wegen dieser Frage nachher nicht noch eine zweite Runde drehen müssen, sag ich es hier schon mal deutlich: Diese Klima-Erhitzung ist menschengemacht. 

Und falls es überhaupt noch möglich ist, diese Entwicklungen zu stoppen, müssen das auch Menschen machen.

Sie ahnen, worauf ich hinauswill: Diese Menschen sind unter anderem wir.

Natürlich wird Freiburg allein diese Entwicklungen nicht aufhalten können. Dennoch ist effektiver Klimaschutz die einzige Vorsorge, die wir treffen können und Freiburg muss sich adäquat beteiligen.

Wir haben in der Vergangenheit ausserdem gelernt, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, ob wir als Kommune beherzte Umweltpolitik wagen. Der Freiburger Energiestandard zum Beispiel hat in der ganzen Republik neue Massstäbe gesetzt.

Ich sage das, weil wir hier in wenigen Wochen intensiv über den Klimaschutz der Stadt Freiburg verhandeln werden. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes und dem Vorziehen der Klimaziele auf Bundes- und Landesebene, werden wir hier noch Ende diesen Jahres eine neue Vorlage zum Klimaschutz verabschieden. Das hat der Oberbürgermeister angekündigt.

Dabei wird es für mich hauptsächlich um die Findung neuer, also zusätzlicher und wirksamer, Maßnahmen und auch eine angemessene Ausstattung mit zusätzlichen Stellen für die Umsetzung dieser Massnahmen gehen.

Und hier wird es jetzt verzwickt.

Liebe Bürgermeisterbank, liebe Verwaltung: Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie sich etwas ärgern über uns Gemeinderät*innen. Oder sich fragen, ob mit unserem Kurzzeitgedächtnis irgendwas nicht stimmt.

Ich versichere Ihnen, wir erinnern uns sehr gut daran, dass wir Ihnen gerade erst eine Verwaltungsreform verordnet haben. Ausgelöst, aber nicht begründet, durch die Pandemie, haben wir dringende Reformen anzugehen. Weniger, um jetzt direkt Geld einzusparen, als vielmehr um sicherzustellen, dass Gremien und Verwaltung nicht nur immer weiter wachsen, sondern um strukturell die Weichen zu stellen. Wir wollen die Verwaltung für die Aufgaben der Zukunft so aufstellen, dass sie kosteneffizient und zielgerichtet arbeitet. 

Mir ist bewusst, dass wir Ihnen gerade viel zumuten, dass wir Ihnen aufbürden, die Tariferhöhungen selber zu erwirtschaften und sich nervenaufreibenden Umstrukturierungsprozessen zu stellen. Und jetzt noch zusätzlich mehr Klimaschutz.

Bei diesem Thema bin ich oft mit dem Vorwurf konfrontiert, dass die Jugend jetzt hier plötzlich so eine Hektik verbreiten würde. Das ist weniger meiner persönlichen jugendlichen Ungeduld geschuldet, als mehr der geradezu hanebüchenden Gemütsruhe von vielen meiner Vorgänger*innen. 

Ich würde diese Themen auch gerne mit mehr Ruhe angehen. Fakt ist aber, und das sehen Sie an dieser LUBW Studie, wir müssen da jetzt ran. Und wir gehen es jetzt an.

Dieser Gemeinderat, von dem ja die Hälfte neu ins Amt gewählt wurde, will die großen strukturellen Herausforderungen nicht weiter aufschieben. 

Wir müssen Haushalt, Verwaltungsreform und Klimaschutz Hand in Hand denken. 

Ein Programm entwickeln, bei dem wir durch Reformen Spielraum gewinnen und maximal effektive Maßnahmen ergreifen.

Das Gute ist: Theoretisch wissen wir wie das geht.

Der Energiecampus Stühlinger, die Abwärmenutzung der Schwarzwaldmilch, die PV-Anlagen auf den städtischen Gebäuden, die Holzbauten der FSB. Wir in Freiburg haben schon eine gute Vorstellung davon, wie ein Programm aussehen kann, dass das Klima schützt und zwar Investitionen erfordert (vielleicht auch Schulden), das aber auch den Haushalt konsolidiert.

Wir als Gemeinderat können die Verwaltung formell beauftragen, eine Reform oder eine Vorlage zu erarbeiten. Aber es sind die Bürgermeister und insbesondere die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Verwaltung, die den Klimaschutz im Sinne der Stadt umsetzen müssen. 
Wenn Sie wollen, schauen Sie sich noch das Wahlergebnis der Stadt Freiburg an. Sie können ja von den Grünen halten, was Sie wollen. Aber das Freiburger Direktmandat für die Grünen lässt sich, denke ich, nur so lesen: Das ist eine Wahl für den Klimaschutz. 

Im Wahlkampf, der jetzt dankbarerweise vorbei ist, haben sich viele Parteien um positive Perspektiven auf den Klimaschutz bemüht: Die FDP verspricht Innovation, die CDU betont Sicherung von Wohlstand, die SPD die Arbeitsplätze. Hier hinter stehen aber noch keine konkreten Pläne. 

Die Wahrheit ist natürlich, dass nicht jeder gleich profitiert vom Klimaschutz, es ist kein Wundermittel gegen Arbeitslosigkeit und keine Abkürzung zu sozialer Gerechtigkeit. 

Wir können jeden Euro nur einmal ausgeben und Klimaschutz kostet Geld.

Kein Klimaschutz kostet allerdings mehr Geld. Wer daran noch Zweifel hat, kann auch nochmal seinen Blick auf NRW richten, wo dieses einzelne Hochwasserereignis Kosten von bis zu 30 Milliarden Euro verursacht hat.

An der Bundestagswahl sehen wir: Klimaschutz ist für die Stadtgesellschaft kein Nischenthema, die Stadtgesellschaft möchte das, sie hat so gewählt und das heisst, es ist der Stadt ernst.

Egal ob als Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, ob als Gemeinderätin oder als Bürgermeister: diesem sehr vernünftigen Wunsch aus der Bevölkerung sollten wir gemeinsam Rechnung tragen. 

Die in der Drucksache genannte Projektgruppe Klimaanpassung wird uns nicht retten können. Wir brauchen die und die müssen tun was sie können, aber es ist immer noch eine Frage des präventiven Klimaschutzes, ob deren Arbeit überhaupt zu schaffen sein wird.

Ich appelliere also an dieser Stelle an alle Anwesenden

  1. Diese Studie als Warnung zu sehen.
  2. Sie als Grundlage für unsere Diskussionen zu Verwaltungsreform, Haushalt und Klimaschutz zu nehmen.
  3. Sich nicht in die Ausweglosigkeit zurückzulehnen, sondern die drastischen Klimafolgen als Ansporn zu sehen, gemeinsam effektiven Klimaschutz zu machen.

Vielen Dank!

Gemeinderatssitzung vom 05.10.2021

Rede von Sophie Schwer