Rede

Erbbaurechte im Geschosswohnungsbau: „Boden behalten & bezahlbares Wohnen ermöglichen“

Während Kirchen und Stiftungen seit Jahrhunderten eine vorausschauende Liegenschaftspolitik betreiben, verkaufen die meisten Städte munter ihre Grundstücke, um einmalige Einnahmen für die belasteten Haushalte zu generieren. 2018 hat der Freiburger Gemeinderat beschlossen, diese Praxis zu beenden und auf eine nachhaltige, langfristig orientierte Bodenpolitik zu setzen. Welche Auswirkungen dies auf den Geschosswohnungsbau hat erläutert unsere Fraktionsvorsitzende Maria Viethen in ihrer Rede zur Anpassung der Grundsätze der Erbbaurechtsverwaltung.

Rede von Stadträtin Maria Viethen zu TOP 14 der Gemeinderatssitzung vom 05.04.2022: „Neufassung der Grundsätze der Erbbaurechtsverwaltung für Erbbaurechte im Geschosswohnungsbau“

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Sehr geehrte Damen und Herren,

anlässlich der heutigen Drucksache möchte ich zunächst kurz in Erinnerung rufen, wie die Diskussion um eine grundsätzliche Änderung der Liegenschaftspolitik der Stadt Freiburg die entscheidende Wendung genommen hat. Im zweiten Teil gehe ich dann auf die heutige Drucksache und unseren Ergänzungsantrag ein.

Der Gemeinderat hat am 23.10.2018 – der jetzige Oberbürgermeister war noch kein halbes Jahr im Amt – auf einen interfraktionellen Antrag der Grünen Fraktion, der SPD sowie der Fraktionsgemeinschaften Unabhängige Listen und JPG die Verwaltung beauftragt, eine Neufassung der Grundsätze der Erbbaurechtsverwaltung zu erarbeiten und dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorzulegen. Die Zielsetzung sollte zukünftig sein, a) im Grundsatz keine bestehenden städtischen Erbbaugrundstücken mehr zu veräußern, sowie b) sonstige städtische Grundstücke künftig vorrangig im Erbbaurecht zu vergeben und nur in begründeten Ausnahmefällen zu verkaufen. 

Fraktionsvorsitzende Maria Viethen (Bild: Britt Schilling)

Die Mehrheit dieses Gemeinderates war zu der Erkenntnis gekommen, dass sich an der Liegenschaftspolitik der Stadt langfristig etwas ändern muss. Alle unsere schon seit dem Jahre 2012 unternommenen Bemühungen, preiswerten Wohnraum in Freiburg zu erhalten und neu zu errichten wurden konterkariert vom Geschehen am Markt. Die Mietpreise stiegen unaufhaltsam, desgleichen die Immobilienpreisen. Dabei war offensichtlich, dass der eigentliche Gegenstand der Spekulation nicht das Gebäude ist, sondern der Grund und Boden, ein besonders knappes Gut nicht nur in Freiburg, sondern in fast allen großen deutschen Kommunen. Trotzdem hatten bis dahin Verwaltungsspitze und Gemeinderat jahrzehntelang den Erlös aus dem Verkauf städtischer Grundstücke als sogenannte Ersatzdeckungsmittel für die Rettung diverser Doppelhaushalte eingesetzt. So wurden letztendlich auch des Konzerthaus finanziert oder die Neue Messe. Es war einfach überfällig, eine Umkehr einzuleiten. 

Freiburg ist nicht die einzige Stadt, die begonnen hat, sich auf diesem Weg zu begeben, einige wenige wie etwa die Stadt Ulm haben damit schon im Mittelalter begonnen und können auf dem Wohnungsmarkt wesentlich besser agieren als wir. Hans-Jochen Vogel, der frühere Bundesvorsitzende der SPD, ehemaliger Oberbürgermeister von München und ehemaliger Bundesbauminister, hatte schon früh erkannt, dass eine grundsätzliche Umkehr in der Bundespolitik der Bundesrepublik stattfinden muss, und für eine neue Bodenordnung gestritten. Und auch der grüne Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, hat sich erst unlängst dazu geäußert, dass Grund und Boden eine nicht vermehrbare Ressource ist, die grundsätzlich im Eigentum der Kommunen bleiben sollte.

Uns ist bewusst, dass wir uns mit dem Vorhaben, grundsätzlich keine städtischen Grundstücke weiterzuverkaufen, auf einen sehr langen Weg begeben haben. Dies ist unserer Meinung jedoch ein unverzichtbarer Baustein um der Immobilienspekulation zu begegnen. Wir wissen auch, dass dies nur funktionieren wird, wenn wir den Beschluss aus dem Jahre 2018 konsequent umsetzen. Das ist deshalb nicht einfach, weil wir seit Jahren in einer Niedrigzinsphase leben, in der – anders als etwa in den sechziger Jahren – ein Erbbaurecht mit einer Verzinsung von 4 % auf der Grundlage der derzeitigen Bodenwerte für Eigenheimbesitzer wie Wohnbauunternehmen wenig attraktiv ist.

Daher ist es richtig, die Grundsätze, nach denen die Stadt Freiburg ihre Erbbaurechte verwaltet, anzupassen. Vor knapp zwei Jahren haben wir dies für die Erbbaurechte für Ein- und Zweifamilienhäuse getan. Im Bereich des Geschosswohnungsbaus ist die Herausforderung größer, da die Rahmenbedingungen stimmen müssen, um bezahlbare Mieten zu sichern. Daher hat es in diesem Bereich leider länger gedauert als auch von uns gewünscht. Heute ist es nun aber so weit und wir verabschieden die „Neufassung der Grundsätze der Erbbaurechtsverwaltung für Erbbaurechte im Geschosswohnungsbau“ – die Drucksache zeigt auf, was für eine Gratwanderung dies ist.

Die Vorlage soll die Verlängerung von Bestandsverträgen regeln sowie einen Rahmen bilden für neu zu bestellende Erbbaurechte im Geschosswohnung. Dieser Rahmen wird bei konkreten Vermarktungskonzepten wie etwa bei Kleineschholz oder Dietenbach angepasst werden, entsprechend den für die diese Gebiete zu beschließenden besonderen politischen Zielsetzungen. Auch im Geschosswohnungsbau besteht nun neben den reduzierten Erbbauzinsen für den geförderten Wohnungsbau die Wahlmöglichkeit, die Erbbauzinsen vorab abzuzulösen, maximal bis zur Höhe des Grundstückswerts. Der Vorteil für die Erbbauberechtigten liegt auf der Hand: bei einer Laufzeit von 75 Jahren fallen dann jährlich umgerechnet 1,5 % Erbbauzins an. Durch die einmalige Ablösung der Erbbauzinsen entfällt zudem die übliche, alle drei Jahre fällige Erhöhung, d. h. diese niedrigen Zinsen basieren auch nach 75 Jahren noch auf dem ursprünglichen, dann lange überholten Grundstückswert. Weiter wird die Beleihungsgrenze für das Erbbaurecht auf 90 % erhöht. Bei Ablauf des Erbbauvertrags soll der Erbbauberechtigte 90 % des Verkehrswertes erhalten.

Es hat sich eine engagierte Diskussion mit den in Freiburg tätigen Baugenossenschaften entwickelt, die für Ihre Bauvorhaben gerne Eigentum an den Grundstücken erwerben wollen. Sie fordern die Einführung des sog. Stuttgarter Modells, dass den Baugenossenschaften die Wahl einräumt zwischen einem Kauf von Baugrundstücken oder einer Übernahme in Erbbaurechten. Das wird mit dem Antrag der CDU-Fraktion unterstützt, während die Freien Wähler verfolgen, Genossenschaften komplett von dem Grundsatzbeschluss aus dem Jahre 2018 freizustellen. Dem wird meine Fraktion nicht folgen.

Auch wir sind der Meinung, dass die Baugenossenschaften wichtige Partner sind bei dem Bemühen, die galoppierenden Immobilienpreise zu dämpfen und den Wohnungsmarkt wieder zu normalisieren. Wir wissen, dass diese ihre Wohnungen im Bestand halten, also nicht den Wohnungsmarkt anheizen, und dass sie ihren Mitgliedern unkündbare Mietverhältnisse bei dauerhaft günstigen Mieten bieten und somit zur Stabilisierung des Wohnungsmarktes beitragen.

Trotzdem wollen wir bei dem einen mal getroffenen Grundsatzbeschluss weder bei den Baugenossenschaften, noch bei Projekten des Mietshäusersyndikats oder ähnlichen Initiativen eine Ausnahme machen. Wir vertreten als Mitglieder des Gemeinderats vorrangig die Interessen der Stadt. Dabei sollten für uns etwa die katholische Kirche oder die städtischen Stiftungen beispielgebend sein, die über ein jahrhundertelang aufgebautes Grundvermögen verfügen und damit den Grundstock für stabile finanzielle Verhältnisse gelegt haben. Wir sind grundsätzlich erst einmal nicht verantwortlich für das Wohlergehen von Genossenschaften oder etwa die Möglichkeit für Familien, durch den Kauf von Grundvermögen Altersversorgung aufzubauen. Das sind alles sinnvolle, aber schlicht nachrangige politische Ziele. Auch ein Verkauf mit dem Recht, die Grundstücke nach einer bestimmten Frist zurück zu erwerben, macht keinen Sinn. Sie würde unsere NachfolgerInnen vor die schwierige Situation stellen, bei Ablauf der Zeit in großem Maß liquide Mittel für den Rückkauf dieser Grundstücke aufbringen zu müssen.

Wir möchten bestandserhaltenden Wohnungsbauunternehmen, wie beispielsweise Genossenschaften, oder Mitgliedern des Mietshäusersyndikats oder ähnlichen Projekten entgegenkommen, indem wir die Stadt beauftragen, im Rahmen von Konzeptvergaben zu prüfen, ob die besonderen Leistungen dieser Akteure honoriert werden können durch die Verlängerung der  Laufzeiten von Erbbauverträgen sowie eine Beleihungsmöglichkeit der Erbbaurechte zu 100 %. Selbstverständlich soll diese Verlängerung der Laufzeiten nicht einhergehen mit der Erhöhung der Summe für eine Ablösung der Erbbauzinses; auch in diesem Fall soll der Ablösebetrag die Grenze von maximal 100 % des aktuellen Grundstückswerts nicht übersteigen. Wir gehen davon aus, dass eine solche Regelung eine vernünftige Finanzierung von preiswertem Wohnraum ermöglicht, wollen aber sowohl die Baugenossenschaften, wie auch das Mietshäusersyndikat und weitere gemeinwohlorientierte Wohnungsbauunternehmen weiter konstruktiv auf diesem Weg begleiten.

Interfraktioneller Ergänzungsantrag

Gemeinderatssitzung

vom 05.04.2022

Rede von

Maria Viethen