Rede

Flächennutzungsplan: „Freiburg übermorgen – kompakte Vielfalt in grünen Strukturen“

Drucksache Zukunftsszenarien Flächennutzungsplan

Der Flächennutzungsplan (FNP) legt die Grundlinien festlegt, was mit welchen Flächen passieren soll: Wo kann Wohnraum entstehen, wo Gewerbegebiete, wo Erholungsflächen und wo bleibt Platz für Flora und Fauna. Dahinter steht die Frage, in welche Richtung sich Freiburg entwickeln soll – im Rahmen des FNP-Prozesses wurden dazu verschiedene Szenarien entwickelt, die nun auf das Zielszenario „Freiburg übermorgen – kompakte Vielfalt in grünen Strukturen“ eingedampft wurden.

Rede von Stadträtin Maria Viethen zu TOP 14-17 der Gemeinderatssitzung vom 06.12.2022: Flächennutzungsplan 2040

Seit ich in Freiburg lebe, und das ist schon seit 50 Jahren, ist knapper Wohnraum fast immer ein Thema gewesen. Nur einmal, nämlich in den späten neunziger Jahren war der Wohnungsmarkt einige Jahre lang relativ ausgeglichen. Der Grund dafür war, dass die neuen Stadtteile Vauban und Rieselfeld nahezu gleichzeitig umgesetzt wurden.

Vor einem Jahrzehnt haben wir im Gemeinderat dann realisiert haben, dass die uns vorliegenden Prognosen für den zukünftigen Wohnraumbedarf in Freiburg bei weitem nicht die Realität abgebildet haben. Auf Basis des interfraktionellen Antrags „Kommunales Handlungsprogramm  für  mehr  Wohnungsbau  für  alle  Menschen  und  für  sozial gemischte Stadtteile in Freiburg“ (2011) wurde dann 2013 das „Kommunale Handlungsprogramm Wohnen in Freiburg. Grundlage der wohnungspolitischen Ausrichtung der Stadt Freiburg“ verabschiedet und 2014 die „Wohnungsmarktanalyse und Wohnungsnachfrageprognose 2030“ vorgelegt. Es folgten richtungsweisende Beschlüsse wie die Festlegung, dass bei der Einräumung neuer Baurechte 50 % der gebauten Wohnungen im öffentlich geförderten Segment errichtet werden müssten. Weiter wurde auf unsere Initiative 2018 beschlossen, keinen städtischen Grund und Boden mehr zu verkaufen, sondern eine Vergabe nur noch im Erbbaurecht zuzulassen. 

Fraktionsvorsitzende Maria Viethen (Bild: Britt Schilling)

Letztendlich sind es die steigenden Grundstückswerte, die die Möglichkeiten, bedarfsgerecht und preiswert zu bauen, immer weiter einschränken. Grund und Boden sind nicht vermehrbar. Nach den Gesetzen des Marktes liegt daher auf der Hand, dass bei einem knappen Gut derjenige zum Zuge kommt, der am meisten zahlt. Und dies sind dann im Zweifelsfall nicht die Kommunen. Um einen gleichberechtigten Zugang aller Bevölkerungsschichten zu diesem knappen Gut zu ermöglichen, wird es daher perspektivisch auch auf Bundesebene Überlegungen geben müssen, Spekulation mit Grund und Boden durch einen anderen gesetzlichen Rahmen einzudämmen. 

Parallel zu dem üblichen Prozess eines neuen Flächennutzungsplans haben wir vor zweieinhalb Jahren die Verwaltung beauftragt, Zukunftsszenarien als Rahmenbedingung der Entwicklung der Stadt in den nächsten 20 Jahren zu entwickeln. Mit intensiver Beteiligung der Bürgerschaft wurden sechs Szenarien ausgearbeitet, die nun auf ein Zielszenario mit dem Titel »Freiburg übermorgen – kompakte Vielfalt in grünen Strukturen« eingedampft worden sind.  Dieses Szenario enthält eine Vielzahl von Schwerpunkten einer sozial-ökologischen Entwicklung der Stadt, die gerade auch der Grünen Fraktion ein großes Anliegen sind:

  • Klimaschutz, Umweltschutz und Erhalt der Biodiversität werden als zentrale Ziele der Freiburger Stadtentwicklung definiert.
  • Nachverdichtung soll Vorrang haben vor der Zersiedelung und Flächenumwidmung im Außenbereich.
  • die klimaneutrale und krisensichere Versorgung der Bevölkerung mit Strom, Wärme und Kälte aus erneuerbaren Energiequellen soll auch flächenmäßig vor Ort frühzeitig mitgedacht werden.
  • das Bauen in die Höhe sowohl im Bestand als auch bei Neubauten soll Standard werden, wird aber auch an ökologische Auflagen gekoppelt, insbesondere um das Grün in der Stadt zu erhöhen.

Mit einem interfraktionellen Änderungsantrag ergänzen wir das Zielszenario um den wichtigen Punkt der Entsiegelung von Flächen. 

Allerdings wird auch bei dieser Vorlage bereits angedeutet, dass der Bedarf nach Flächen für den Wohnungsbau, aber auch für Gewerbe, Naherholung und Bewegung voraussichtlich mit der Entwicklung von innerstädtischen Flächen nicht zu decken ist. Eine ungebremste Inanspruchnahme von Flächen, insbesondere im Außenbereich, sehen die Grünen naturgemäß kritisch. Trotzdem sollten wir über diese Grundsatzfrage derzeit noch keine abschließende Entscheidung treffen. Nach wie vor gilt beispielsweise, dass der steigende Wohnungsbedarf besser in kompakten Strukturen in der Stadt abgebildet werden sollte, als durch den Bau von Einfamilienhaussiedlungen im Umland. Das gleiche gilt für gewerblichen Flächenverbrauch: es macht auch ökologisch wenig Sinn, beispielsweise den Flächenbedarf einer neuen Wasserstoffinfrastruktur nicht stadtnah, sondern auf der schwäbischen Alb zu decken mit den dadurch entstehenden Verkehrsbelastungen.

Die Befürchtung, dass gerade im Wohnungsbau der zukünftige Flächenbedarf der nächsten 20 Jahre nicht im Innenbereich abgebildet werden kann, wird auch durch die jetzt vorlegte Wohnungsmarktanalyse und Wohnungsbedarfsprognose der Firma GEWOS untermauert. Schon heute gibt es danach einen Nachholbedarf von etwa 4.000 Wohnungen. Bezüglich des Neubaubedarfes wurden zwei verschiedene Szenarien entwickelt. Bei einer geringen Bevölkerungsentwicklung von 2,5 % werden bis 2040 14.350 Wohneinheiten benötigt, bei einer angenommenen stärker Bevölkerungsentwicklung von 8,5 % sollen es bis zu 21.030 Wohneinheiten sein. Ein derart hoher Bedarf ist selbst bei größter Anstrengung mit innerstädtischen Entwicklungsmaßnahmen nicht zu decken.

Ob sich der Bedarf dann tatsächlich so entwickelt, wissen wir alle nicht. Wir sind aufgerufen, die Inanspruchnahme weiterer Flächen im Außenbereich mit aller Kraft durch höheres und dichteres Bauen, Nachverdichtung im Bestand, Programme für Wohnungstausch, die Verhinderung von Zweckentfremdung, flexiblere Grundrisse etc. nach Möglichkeit zu begrenzen. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte sagt uns jedoch, dass es gut ist, auf die in der Wohnungsbedarfsprognose angekündigte Entwicklung vorbereitet zu sein, um im Fall des Falles gerade im Hinblick auf Risiken für Natur und Umwelt belastbar entscheiden zu können. Wir werden uns dabei Gedanken machen müssen, wie wir es schaffen können, dass auch bei nur angedachten Flächen nicht sofort die Preisspirale in Gang gesetzt wird durch den Run von finanzstarken Investoren. 

Die eigentliche politische Botschaft der Wohnungsbedarfsanalyse ist jedoch eine andere: bislang messen wir unseren Erfolg in der Zahl der umgesetzten Wohneinheiten. Dabei wird es in Zukunft darauf ankommen, noch sehr viel gezielter den tatsächlichen Bedarf abzudecken und dafür entsprechende Instrumente zu entwickeln. Der früher angenommene sogenannte Sickereffekt, wonach auch der Wohnungsneubau im höheren Preissegment eine Umzugskette auslöst und dadurch auch Leute mit schmalem Einkommen zum Zuge kommen, wird angesichts des aufgestauten Wohnungsdrucks nicht mehr eintreten. Knapp ist bezahlbarer Wohnraum im unteren und mittleren Preissegment. Und dabei insbesondere die Versorgung mit Kleinstwohnungen sowie mit familiengerechtem Wohnraum, also Wohnungen für Haushalte mit vier und mehr Personen. Diese beiden Wohnungstypen müssen ausgebaut werden und das vor allem im geförderten Mietwohnungssegment.

Wir liegen also richtig mit der bereits aufgenommenen Strategie, denn diese qualifizierten Anforderungen lassen sich deutlich besser umsetzen in Gebieten mit eigenen Grundstücken der Stadt. Richtig ist deshalb die bereits begonnene aktive Bodenpolitik mit der Vergabe von Grundstücken im Erbbaurecht statt im Eigentum, mit der Ausübung von Vorkaufsrechten, mit dem Abschluss städtebaulicher Verträge und der Umsetzung städtebaulicher Entwicklungsmaßnahmen. Noch stärker als bisher sollten wir unseren Augenmerk legen auf die Beteiligung nicht-profitorientierter Akteure im Wohnungsbau, wie Genossenschaften, Baugruppen oder  Mietshäusersyndikat – Kleineschholz wird hier ein wichtiger Schritt sein.

Fazit: Wir Grüne sind mit der strategischen Grundausrichtung des Zielszenarios einverstanden und sehen hierin eine gute Grundlage für die zukünftige Entwicklung Freiburgs. Im weiteren Prozess zur Neuaufstellung des Flächennutzungsplans werden wir uns dafür einsetzen, dass der dringend benötigte bedarfsgerechte, bezahlbare Wohnraum möglichst flächeneffizient entsteht.

Interfraktioneller Änderungsantrag Entsiegelung

Rede von Stadträtin Maria Viethen Gemeinderatssitzung vom 06.12.2022