„Wir brauchen endlich eine faire Finanzierung des ÖPNV aus Steuermitteln!“

Angesichts der anstehenden Erhöhung der Fahrpreise kam es im Gemeinderat zu einer verkehrspolitischen Grundsatzdebatte. Unser Stadtrat Timothy Simms macht in seiner Rede deutlich, wenn wir die Verkehrswende wollen, brauchen wir dringend eine andere Politik der Bundesregierung, denn das Finanzierungsproblem werden die Städte nicht aus eigener Kraft gestemmt bekommen. Ein weiterer Baustein können smarte Tarifsysteme sein, die die Chancen der Digitalisierung nutzen.

Rede von Stadtrat Timothy Simms zu TOP 8 der Gemeinderatssitzung vom 7. Mai 2019: Anpassung der Tarife im Regio-Verkehrsverbund Freiburg

Sehr geehrter Oberbürgermeister Horn,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

wir sprechen heute – wie jedes Jahr – über die Anpassung der Tarife im ÖPNV. Wie jedes Jahr nehmen wir zur Kenntnis: Die Preise steigen.

Die Preise steigen, weil die Kosten steigen. Den der Strassenbahn- und Busbetrieb ist nicht kostenlos, er benötigt Energie, er benötigt Technik, er benötigt aber vor allem Menschen, die – wie wir finden – einen klasse Job machen, unsere Bahnen durch die enge Innenstadt zu lenken, Fahrpläne auszutüfteln, in den Werkstätten die Bahnen und Busse sicher und zuverlässig zu halten, neue Strecken zu planen. Und dafür selbstverständlich auch tarifgemäss entlohnt gehören.

In die Zeit passt aber die Preiserhöhung nicht. Unsere Klimaschutzziele werden wir nur mit einer entschiedenen Verkehrswende erreichen. Saubere Luft in den Innenstädten werden wir nur mit einem Umstieg vom Auto zum Umweltverbund erreichen. Den nötigen Platz für bessere Rad- und Fußwege werden wir nur erringen, in dem wir den Autoverkehr zurückdrängen. Und das gelingt uns nur mit einem – auch preislich – attraktiven ÖPNV.

Zwar haben wir in unserem Verbund ein Preisniveau, nach denen sich viele andere Verbünde die Finger schlecken würden. Aber: Es wird immer teurer. Die Preise für den ÖPNV sind in den letzten 15 Jahren massiv gestiegen. Die Monatskarte kostet 60% mehr. Die Preise für Benzin sind im gleichen Zeitraum um gerade mal um 24% gestiegen – bei mittlerweile deutlich sparsameren Autos. Über die Parktickets werden wir demnächst ja beraten. Klar ist: Die Schere geht auseinander. Klimapolitisch und Umweltpolitisch setzen wir die falschen Anreize. Es müsste umgekehrt sein: Der ÖPNV müsste im Vergleich zum Auto billiger werden, der Autoverkehr teurer. 

Wie lösen wir dieses Problem? Unser Verbund ist einer der wenigen, die überhaupt einen Tarifabsenkungszuschuss seitens der tragenden Gebietskörperschaften kennt. Angesichts der Haushaltssituation wird mir die Stadtspitze zustimmen: Über weitere Mittel der Stadt werden wir das Problem nicht lösen. Zumal wir wissen: Ein Angebotsausbau ist verkehrspolitisch sinnvoller. Denn der Hauptgrund vom Auto auf den ÖPNV umzusteigen ist immer noch nicht der Preis, sondern vielmehr ein attraktives Angebot, mit noch mehr Linien, noch engerer Taktung, noch mehr Verbindungen. Für diesen Ausbau benötigen wir jeden Cent.

Stadtrat Timothy Simms
Stadtrat Timothy Simms (Bild: Britt Schilling)

Aber könnten die Kommunen sich nicht weitere Finanzquellen erschliessen, um den ÖPNV zu verbilligen? Also mit anderen Worten: Den Bürger*innen Geld wegnehmen, um Ihnen im Gegenzug günstigen oder gar kostenlosen ÖPNV zu bieten. Momentan fehlt die Rechtsgrundlage. Aber selbst wenn diese kommen sollte, muss man sich genau überlegen, ob man das will. Sollen nicht auch Gäste unserer Stadt sich an der Finanzierung beteiligen? Und wäre eine Kopfsteuer gerecht? Wir reden über erhebliche Summen. An Fahrgasterlösen hat der RVF laut Beteiligungsbericht 2017 knapp 92 Millionen Euro vereinnahmt – der VAG-Anteil daran sind ungefähr die Hälfte, also rund 46 Millionen. Wenn ich das mal auf unsere Freiburger umlegen, sind das 200 Euro jährlich pro Freiburger – vom Baby bis zur Uroma. Das klingt erstmal wenig. Man kann sich aber ausmalen, wie hoch dieser Betrag erst wird, wenn man noch Leistungsempfänger, Kinder, Senioren, Menschen mit Handycaps herausrechnet. Ob eine solche Umlage in einer Stadt, in der viele einen hohen Prozentsatz ihres Einkommens für Miete aufbringen müssen, durchsetzbar ist, wage ich dann doch zu bezweifeln. Zumal viele zurecht für sich reklamieren, Fahrradfahrer zu sein.

Das Land stärkt mit seiner ÖPNV-Finanzierungsreform zunächst vor allem den ländlichen Raum. Das ist richtig. Denn mangels Angebot haben dort viele Menschen überhaupt nicht die Möglichkeit zum Umstieg. Und wer dann erstmal im Auto sitzt, steigt in der Regel nicht am nächsten Bahnhof aus, um in den ÖPNV umzusteigen.

Bleibt der Bund: Der Bund ist mit seiner verfehlten Autopolitik auch der Grund, dass noch immer Autofahren viel zu billig ist und der ÖPNV und die Fernbahn im Vergleich viel zu teuer ist. Hier ist dringend Handlungsbedarf. Da wir vorhin das Thema Parkgebühren auf den Weg gebracht haben: Noch immer ist Falschparken ein Kavaliersdelikt, mit 20 Euro ist man z.B. dabei, wenn man auf dem Fahrradweg parkt. Schwarzfahren kostet 60 Euro. Wir finden das absurd. Der Bund müsste endlich umsteuern und eine Verkehrswende einleiten. Oder den Kommunen die Mittel an die Hand geben, dies in eigener Verantwortung zu tun. Die Zeit der Modellprojekte sollte endlich vorbei sein, stattdessen brauchen wir endlich eine faire Finanzierung des ÖPNV aus Steuermitteln.

Erlauben sie mir zum Abschluss noch eine Bemerkung zu unserem Tarifsystem. Dieses stösst an seine Grenzen. Es muss weiter entwickelt werden. Die Lösung sehen wir nicht in einer Ausdifferenzierung in mehr Zonen, mehr Sonderfahrscheinen usw. Das macht den ÖPNV vielleicht im einzelnen gerechter. Aber insgesamt komplizierter und damit weniger kundenfreundlich. Die smarte Lösung läge in einer konsequenten Digitalisierung. Gemeinsam mit der FDP haben wir dies angeregt und hoffen auf baldige Fortschritte. Für einen kleinen Verbund wie unseren ist das keine einfache Aufgabe. Aber wir haben mit der Regiokarte ja schon mal bewiesen, dass man mit smarten Tarifsystemen neue Kunden gewinnen kann!