Rede

Solaroffensive: „Ich bin Freiburger – ich hab‘ PV auf dem Dach!“

Der Klimawandel schreitet voran, die Auswirkungen sind längst sichtbar. Um das städtische Ziel der Klimaneutralität 2035 zu erreichen, muss der Ausbau der Erneuerbaren Energien auch in Freiburg an Fahrt aufnehmen. Neben einer Windkraft– gibt es auch eine Photovoltaik-Offensive. In seiner ersten Rede als Gemeinderat blickt Jörg Dengler auf die Entwicklung der Photovoltaik zurück – und voraus in die Zukunft der Energieerzeugung.

Rede von Stadtrat Jörg Dengler zu TOP 11 der Gemeinderatssitzung vom 28.11.2023: „Grundsatzbeschluss Photovoltaik-Offensive der Stadt Freiburg – Energiepolitische Zielsetzung der Stadt und Erarbeitung eines Masterplan Solar“

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Horn,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Buchheit,
sehr geehrte Herren Bürgermeister,
sehr geehrte Kolleg:innen, sehr geehrte Zuhörende,

1897 hat Heinrich Hertz den photo-elektrischen Effekt entdeckt, die Industrialisierung in Europa fand seit 50 Jahren statt und eine erste wissenschaftliche Studie sagte voraus, dass das von den Dampfmaschinen in die Atmosphäre ausgestoßene CO2 die weltweite Durchschnittstemperatur im Laufe von zwei Jahrhunderten messbar um einige Celsius-Grade ansteigen lassen würde.

75 Jahre später, 1972, gab der Club of Rome seine grundlegende Studie „Die Grenzen des Wachstums heraus.“ Die Studie fand große Resonanz in den Medien. In den Zeitungen stand auch, im Ruhrgebiet könne man jetzt wieder die Wäsche nach draußen hängen, weil die Länge der Schornsteine der Kraftwerke auf „200 m verlängert worden sei“. Mich hat ein solcher „technischer“ Ansatz damals schon nicht überzeugt.

Ein Jahr später hatten wir die Ölkrise.

In einem Lehrbuch, aufgelegt im Jahr 1954, fand ich eine Aussage, die mich im wörtlichen Sinne elektrisiert hat. Über den photo-elektrischen Effektes stand dort, dass für die Erzeugung des Stromverbrauchs in der Bundesrepublik etwa die Fläche des Bodensees mit photo-elektrischen Zellen belegt werden müsste.

Mir schien das damals allerdings ziemlich realistisch. In der Tat: das PV-Potenzial auf den Dachflächen in Deutschland ist sogar noch – mit aktuellen Zahlen gerechnet – zweimal größer als das des Bodensees.

Stadtrat Jörg Dengler

Freiburg hat immerhin etwa ein halbes Prozent der Fläche des Bodensees auf seinen für Photovoltaik geeigneten Dächern. Nach dem Energie-Atlas Baden-Württemberg, sind das 600 MWpeak („Megawatt Spitzenleistung“, also die Leistung der Anlagen bei optimaler Sonneneinstrahlung, gemessen in Millionen Watt).

1981 überzeugte der weltweit renommierte Leiter des Freiburger Instituts für angewandte Festkörperphysik, Professor Adolf Götzberger, die Fraunhofer-Gesellschaft, in Freiburg ein Institut für Solare Energiesysteme zu gründen. Das Fraunhofer ISE wurde schnell und ist bis heute das weltweit zweitgrößte und größte europäische Forschungsinstitut auf dem Gebiet der Erneuerbaren Energien.

1986 präsentierte der Freiburger Architekt Rolf Disch auf der Freiburger Landesgartenschau die erste Solar-Tankstelle Deutschlands und wurde im darauffolgenden Jahr Weltmeister im Solarmobil-Fahren, nachdem er 100% solar-getrieben den australischen Kontinent mit einem selbstkonstruierten Solarmobil durchquert hatte. Dieses steht übrigens heute im Museum – im Haus der Geschichte in Bonn.

1992 errichtete das Fraunhofer ISE das Energieautarke Haus im Christaweg mit großer PV-Anlage und Wasserstofftechnik.

Im Jahr 2000 erfanden der SPD-Politiker Hermann Scheer und die Grünen Michaele Hustedt und Hans-Josef Fell des Erneuerbaren-Energien-Gesetz, das einen einzigartigen Boom des Photovoltaik- und auch des Windenergieausbaus in der Bundesrepublik auslöste und weltweit in 47 Staaten kopiert wurde.

Mit dem Markthochlauf in Deutschland, der gerade für die Photovoltaik mit diesem Gesetz verbunden war, sind durch die stetig steigenden Stückzahlen und die gesicherte Finanzierung durch degressive Zusagen einer Einspeisevergütung die Gestehungskosten für Photovoltaik-Strom drastisch gesunken. Sie liegen mittlerweile je nach Technik und Art der Anlagen bei 3 bis 15 Euro-Cent pro Kilowattstunde.

In dieser Phase bestand der Weltmarkt für Photovoltaik größtenteils aus dem Markt in Deutschland und Deutschland hat mit diesem Gesetz der ganzen Welt das Geschenk gemacht, mit Hilfe der Photovoltaik bezahlbare erneuerbare bleibende Energie erzeugen zu können.

In Deutschland selbst war der Erfolg so groß, dass Anfang der Zehnerjahre absehbar war, dass der gesamte Strombedarf bis 2030 aus Wind und Sonne erfolgen würde. Die etablierten fossilen Stromkonzerne fühlten sich in ihrem Geschäftsmodell bedroht, nach ihrer intensiven Lobbyarbeit hat die große Koalition damals diese Entwicklung heftig eingebremst und der sogenannte Ausbaupfad für die Erneuerbaren wurde um den Faktor zehn gekürzt! Mit einem sehr bescheidenen CO2-Reduktionsziel – erst im Jahr 2050 und dann lediglich zu 80% klimaneutrale Energieversorgung bereitstellen zu wollen.

Die Folge war, dass sich praktisch die gesamte bundesrepublikanische Fotovoltaikindustrie aus Deutschland zurückgezogen hat. Wir werden ja nachher über noch über einen Antrag beraten der CDU und der FDP, beim Ausbau der Photovoltaik vorwiegend die heimische Industrie zu fördern. Ich lese diesen Antrag mal als Versuch, an dieser Stelle Abbitte zu leisten.

Nach dem Blick in die Vergangenheit, verbunden mit einem gerüttelt Maß an Selbstkritik für die Zögerlichkeit, die wir als Gesellschaft da immer wieder an den Tag gelegt haben, ein Blick in unsere Zukunft der Energieversorgung:

Wir decken ja immer noch viele Energiebedarfe mit fossilen Energien. Also nicht nur den Strom, den wir in Kohlekraftwerken herstellen. Wir nutzen fossile Energieträger für große Anteile der Gebäudeheizung, in vielen Industrieprozessen und natürlich für unsere Mobilität – und wir sind Gott sei Dank dabei, auch diese Bereiche anzufassen und auf Erneuerbare umzustellen – und Erneuerbare heißt in diesem Fall vor allem erneuerbarer Strom. Das wird dazu führen, dass wir in Deutschland und auch für Freiburg etwa zweimal soviel elektrischen Strom erzeugen müssen wie heute.

Vor diesem Hintergrund lässt sich jetzt diese Vorlage zur Photovoltaikoffensive gut einordnen:

  • Das Potenzial, das wir in Freiburg gut erschließen können, indem wir alle geeigneten Dächer mit Photovoltaik belegen, das müssen wir auch möglichst vollständig nutzen. Und deshalb ist es sehr erfreulich, dass die Stadtverwaltung vorschlägt, dass dieses Potenzial in Freiburg mit der Photovoltaik-Offensive auch weitestgehend erschlossen werden soll.
  • Der in der Vorlage aufgezeigte Fahrplan ist realistisch.
  • Er ist gleichzeitig auch sehr ambitioniert.

Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass wir diesen Fahrplan fahren. Wenn der Masterplan Photovoltaik erstellt wird, dann können wir nicht nur drüber reden, was passieren soll, sondern wir müssen darin aufzeigen, was – auf den verschiedenen Ebenen – jetzt zu tun ist.

Die heutige Entscheidung kann ein Startschuss für eine Imagekampagne sein, für die Schaffung einer gemeinsamen Corporate Identity: „Ich bin Freiburger – ich hab‘ PV auf dem Dach!“ – „Ich bin Freiburgerin – ich baue mir eine Solaranlage auf‘s Haus!“ – „Ich bin Mieter oder Mieterin – meine Wohnbaugesellschaft hat ein Solardach und wir haben alle Balkon-Solaranlagen!“

Für die Handwerksbetriebe müssen wir verlässliche Signale aussenden, dass der Photovoltaik-Ausbau in Freiburg in den kommenden Jahren in dem erforderlichen Tempo mit allen Kräften unterstützt wird, denn nur so können die Betriebe den für das Erreichen der Ziele notwendigen Aufwuchs ihrer Kapazitäten für den Bau der Solaranlagen auch in Angriff nehmen.

Jetzt freue ich mich darauf, dass wir gemeinsam die Photovoltaik-Offensive in Freiburg beschließen und dafür einen Masterplan aufsetzen werden. Vielen Dank dafür.

Interfraktioneller Ergänzungsantrag