Rede

„Kleineschholz wird ein tolles urbanes Quartier werden“

Vor vier Jahren hatten wir in einem Antrag gefordert, Kleineschholz klimaneutral zu konzipieren, 50% geförderten Mietwohnungsbau zu realisieren, die Grundstücke an gemeinwohlorientierte Akteure zu vergeben, ein nachhaltiges Mobilitätskonzept zu entwickeln und das Thema Klimaanpassung aufzunehmen. All dies findet sich in den drei Drucksachen, mit denen der Gemeinderat den Weg frei macht für das sozial-ökologische Vorzeigequartier Kleineschholz – mehr dazu auch in unserer aktuellen FAQ. Maria Viethen führt in ihrer Rede aus, was die Voraussetzungen dafür sind.

Rede von Stadträtin Maria Viethen zu TOP 15-17 der Gemeinderatssitzung vom 12.12.2023 „Quartier Kleineschholz: Änderung Flächennutzungsplan, Satzungsbeschluss Bebauungsplan und Vermarktungskonzept“

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

Das größte soziale Problem dieser Stadt, darüber sind wir uns in diesem Hause wohl einig, ist die Wohnungsnot. Also der Mangel an Wohnungen, insbesondere an preiswertem Wohnraum für Leute mit schmalerem Geldbeutel, darunter Familien, Alleinerziehende, Studierende und Auszubildende, Rentnerinnen und Rentner. Ein besonderes Problem in diesem Winter stellt die Wohnungslosigkeit dar. Immer mehr Menschen können eine eigene Wohnung entweder nicht bezahlen oder finden keine. Die Belastung der MitarbeiterInnen in der Sozialverwaltung, die sich darum kümmern, Leute von der Straße und in Obhut zu bringen, kommt an ihre Grenzen. Bei dem Kälteeinbruch vor wenigen Tagen ging es schlicht nur noch darum, Menschen vor dem Erfrieren zu retten.

Fraktionsvorsitzende Maria Viethen (Bild: Britt Schilling)

Deshalb ist es unsere Aufgabe dafür zu sorgen, dass der Miet- und Wohnungsmarkt in Freiburg endlich in Bewegung kommt. Die 500 Wohnungen, die auf Kleineschholz errichtet werden, werden das Wohnungsproblem natürlich nicht lösen, wir müssen auch weiter dafür sorgen, dass der neue Stadtteil Dietenbach in die Umsetzung kommt. Aber es ist ein erster Schritt.

Kleineschholz wird ein tolles urbanes Quartier werden. Mit einem zukunftsweisenden Mobilitätskonzept, das – auch zur Reduzierung der Baukosten – erstmals einen Stellplatzschlüssel von nur 0,3 Stellplätzen je Wohnung vorsieht. Die Herstellungskosten für die Quartiersgarage sollen nicht pauschal den Herstellungskosten der Wohnungen zugeordnet, sondern mit dem konkreten Besitz eines PKWs verknüpft werden. Jedes Gebäude soll im Untergeschoss eine gut zugängliche Fahrrad-Tiefgarage erhalten. Auch das Energiekonzept ist zukunftsweisend: Das gesamte Quartier wird über ein zentrales Nahwärmenetz mit Heizwärme und Warmwasser versorgt werden. 35 % der Gebäudegrundfläche sind für Photovoltaik-Module vorgesehen. Und die Badenova WärmePlus soll auf der Quartiersgarage eine zentrale Fotovoltaik-Anlage von insgesamt 1.000 m² errichten. Mein Fazit: Grundlage Nr. 1 für ein soziales und ökologisches Vorzeigequartier.

Mit der Konzeptvergabe gehen wir neue Wege: anders als bei früheren Entwicklungsmaßnahmen soll die Vergabe der Grundstücke nicht nach einem starren Punktesystem erfolgen, sondern es soll – ähnlich wie bei einem städtebaulichen Wettbewerb – ein kreativer Prozess angestoßen werden. Die Bauwilligen sind aufgefordert, auf der Grundlage der Zielsetzungen für Kleinescheholz eigene Ideen zu entwickeln und individuell entwickelte Projekte vorzustellen. Im Ergebnis, so die Vorlage, sollen »in einer Gesamtbetrachtung die besten Angebote im Hinblick auf stadtgestalterische, soziale oder auch wohnungspolitische Vorgaben ausgewählt werden«. Grundlage Nr. 2 für ein soziales und ökologisches Vorzeigequartier.

Der Vorschlag der Verwaltung erweitert und vertieft die Definition der 50 %-Quote für die Errichtung von Wohnungen in neu ausgewiesenen Baugebieten. Auf Kleineschholz sollen zusätzlich alle AkteurInnen berücksichtigt werden, die im Ergebnis den gleichen preiswerten Wohnraum schaffen, ohne Zugang zu den knappen und unzureichenden Förderprogrammen der öffentlichen Hand zu haben. Das betrifft beispielsweise kirchliche Förderprogramme oder sozialpädagogisch begleitete Wohnkonzepte. Das betrifft ArbeitgeberInnen, die die zwar selbst nicht berechtigt sind, öffentliche Wohnbauförderung zu beanspruchen, aber entsprechend den Kriterien dieser öffentlichen Förderung Wohnraum für Mitarbeitende erstellen, insbesondere für Mitarbeitende aus systemrelevanten Berufsgruppen, also beispielsweise Rettungskräfte, Pflegepersonal oder ErzieherInnen. Weiter soll die Quote erfüllt werden können durch den Bau von Wohnbaukomplexen, in denen nicht nur die Hälfte, sondern alle Wohneinheiten zu sog. gedämpften Mietpreisen vermietet werden.

Damit kommen wir meines Erachtens auf pragmatische Weise dem Ziel näher, tatsächlich preiswerten Wohnraum auf Kleineschholz zu ermöglichen. Fazit: Grundlage Nr. 3 für ein soziales und ökologisches Vorzeigequartier.

Ein kleiner Wermutstropfen für mich ist der Umstand, dass nachrangig nicht nur eine Vergabe der Grundstücke im Erbbaurecht, sondern auch durch Verkauf vorgesehen ist. Eine Projektidee, die im Erbbaurecht verwirklicht wird, soll nur dann vorrangig berücksichtigt werden, wenn das vorgelegte Konzept im Hinblick auf die Entwicklungsziele des Quartiers qualitativ gleichwertig ist oder sogar Vorteile bietet. Mit anderen Worten: Konzepte, die auf einem Kauf des Grundstücks basieren, müssen besser sein als Alternativen im Erbbaurecht, wenn sie zum Zug kommen wollen. Diese Öffnung der Erbbaurechtsklausel ist den in den letzten zwei Jahren dramatisch veränderten Rahmenbedingungen beim Wohnungsbau geschuldet, also den sprunghaft gestiegenen Zinsen und Baukosten. Hinzu kommt, dass das Erbbaurecht sowohl bei der Finanzierung durch Bankdarlehen, wie auch bei der öffentlichen Förderung durch Bund und Land benachteiligt wird.

Ich kann damit leben, weil auf Kleineschholz laut Beschluss dieses Gemeinderats bei der Vermarktung der Schwerpunkt auf einer gemeinwohlorientierte Entwicklung des Quartiers liegen soll. Mit AkteurInnen, die, ich zitiere die Vorlage, »die Wohnungen im Bestand halten, und deren Philosophie die Förderung des Gemeinwohls im Vordergrund stellt«. Auf Kleineschholz werden also weder Investoren, noch private Baugruppen bauen, sondern beispielsweise Unternehmen mit Mieterschaftsbeteiligung wie etwa Genossenschaften oder das Mietshäuser-Syndikat, oder Unternehmen mit einem öffentlichen oder kirchlichen Daseinsvorsorgeauftrag für Wohnnutzung, wie etwa die Freiburger Stadtbau. Zum Zuge kommen sollen daneben auch der bereits erwähnte Bau preisgebundenen Wohnraum für MitarbeiterInnen oder Unternehmen, deren Unternehmens- oder Stiftungszweck zukunftssicher nicht an Gewinnerzielung sondern am Gemeinwohl orientiert ist.

Darüber hinaus schlägt die Vorlage zur langfristigen Sicherung der Verfügungsbefugnis der Stadt auch über verkaufte Grundstücke u.a. das sog. erbbaurechtsähnliche Wiederkaufsrecht vor: Nach 99 Jahren wird die Stadt die Möglichkeit haben, die Grundstücke wieder zurückzuerwerben, und zwar zum jetzigen Kaufpreis, der lediglich um die Auswirkungen der Inflation bereinigt werden muss. Die Zulässigkeit dieses Wiederkaufsrechts hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich bestätigt. Es handelt sich natürlich nur um die zweitbeste Lösung, da die Stadt in 99 Jahren das Grundstück dann – anders als beim Auslaufen eines Erbbaurechts – nicht im Eigentum hat, sondern erneut erwerben muss. Aber die Hoffnung ist, dass diese Regelung ebenfalls eine ungebremste Spekulation mit den verkauften Grundstücken verhindert. Der Abgesang auf eine nachhaltige Bodenpolitik, der hier von manchem angestimmt wird, ist also verfrüht.

Zum Schluss darf ich mich noch einmal ausdrücklich bei Frau Recker und Herrn Gramich und ihrem Team bedanken für diesen sehr durchdachte und weitsichtigen Vorschlag. Wir waren in den vergangenen Jahren immer wieder in Kontakt mit Genossenschaften und Initiativen, die auf Kleineschholz bauen wollen. Und wir haben registriert, dass die Verwaltung bestmöglich versucht hat, gute Grundlagen für innovative Projekte zu legen – u.a. durch kleinere Anpassungen des Bebauungsplans und durch flexible Vorgaben beim Vermarktungskonzept. Damit wird es hoffentlich gelingen, Kleineschholz zu einer Erfolgsgeschichte zu machen.

Auf denn, es ist wirklich Zeit, dass wir in die Umsetzung kommen!