„Investitionen in die Zukunft“

In der Gemeinderatssitzung wurde zum städtischen Beteiligungsbericht sowie der Nachhaltigkeitsberichterstattung keine Diskussionsrunde geführt; nicht zuletzt, weil es dazu schon eine intensive Debatte in einer öffentlichen Sondersitzung des Haupt- und Finanzausschusses gab. Aufgrund der Bedeutung der städtischen Beteiligungen dokumentieren wir hier dennoch die nicht gehaltene Rede von Maria Viethen.

Rede von Stadträtin Maria Viethen zu TOP 9 & 10 der Gemeinderatssitzung vom 30.01.2024: Beteiligungsbericht 2023 & Nachhaltigkeitsberichterstattung städtischer Beteiligungen

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

der jährliche Bericht über Jahresabschlüsse und Wirtschaftspläne der städtischen Beteiligungen wurde in den späten neunziger Jahren eingeführt. Es handelt sich um eine Initiative aus dem Gemeinderat, die angesichts der immer weiteren Verlagerung von städtischen Aufgaben auf privatgesellschaftliche Konstruktionen dafür Sorge tragen wollte, dass auch die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte über die großen Linien dieses Teils der städtischen Politik informiert werden, die nicht in den Aufsichtsräten der betreffenden Gesellschaften waren. Konkret war dies ein Projekt von Manfred Hettich von der CDU, dem mittlerweile verstorbenen Kollegen Bernd Waldmann, SPD, und mir. Wir wollten die Steuerung der städtischen Gesellschaften mehr zu einem Projekt des gesamten Gemeinderates machen.

Fraktionsvorsitzende Maria Viethen (Bild: Britt Schilling)

Auch der heute zur Debatte stehende Beteiligungsbericht 2023 zeigt erneut sehr eindrucksvoll, welchen großen Beitrag die städtischen Beteiligungen zur Daseinsvorsorge der Stadt Freiburg erbringen. Entgegen der ursprünglichen Zielrichtung des Beteiligungsberichtes nehmen an dieser Sondersitzung des Haupt- und Finanzausschusses bedauerlicherweise nur wenige StadträtInnen teil. Der aufmerksamste Zuhörer ist offenbar Herr Mauch von der Badischen Zeitung, der die teilweise sperrigen Themen sehr gut für sein Zeitungspublikum aufbereitet. Hierfür an dieser Stelle vielen Dank.

Dabei gab es diesmal bei den großen Linien doch einiges zu erfahren. Auch Gemeinderatsmitglieder, die nicht in den entsprechenden Aufsichtsräten sitzen, könnten und sollten nun wissen, dass die Verluste der VAG perspektivisch auf 40 Millionen Euro pro Jahr anwachsen werden. Und jeder, der Herrn Hellebrand von der Badenova zugehört hat, weiß nun, dass die Gewinne der Gesellschaft perspektivisch eben nicht bei den rund 50 Millionen bleiben werden, die die Badenova zuletzt jährlich an ihre Anteilseigner ausgeschüttet hat, sondern dass diese Gewinne voraussichtlich auf etwa 30 Millionen pro Jahr sinken werden. Bei einem Gesellschaftsanteil der Stadt Freiburg von gut 31 %  kann sich jeder ausrechnen, was das bedeutet. Die Freiburger Stadtbau hat mit dem Bau von 2.500 Wohnungen innerhalb von zehn Jahren, von denen dann 75 % im Bestand verbleiben sollen, die größte Wohnbauoffensive seit ihrem Bestehen in Angriff genommen. Die Geschäftsführerin, Frau Dr. Szablewska, weist darauf hin, dass dies ohne Zuschuss aus dem städtischen Haushalt und ohne eine massive Veränderung der Förderkulisse von Bund und Land nicht zu stemmen sein wird. Immerhin versichert sie, dass kein Projekt begonnen wird, das nicht durchfinanziert ist.

Ist das nun bedrohlich? Natürlich ist es das.

Haben die Stimmen recht, die vor einem ständig wachsenden Schuldenberg im Konzern Stadt warnen? Ja und nein.

Es macht sicher Sinn, sich über Prioritäten und zeitliche Abläufe zu verständigen. Aber die zentrale politische Frage ist doch, was jetzt wichtiger ist: ein einigermaßen ausgeglichener Haushalt oder aber dringende Investitionen in die Zukunft. Beispielsweise steht die Badenova vor dem größten Umbauprozess ihrer Geschichte. Ursprünglich wurde Gewinn mit dem Handel von Gas und CO2-belasteten Strom erwirtschaftet –  mittlerweile ist die badenova weit vorangeschritten, ihr Angebot auf klimaneutrale Energieträger umzustellen. Sie treibt hier vor Ort über die badenovaWÄRMEPLUS die Wärmewende durch den Ausbau von Wärmenetzen und bei der Erforschung und Nutzbarmachung der Geothermie voran.

Es handelt sich dabei um elementare Investitionen in die Zukunft, von denen gerade auch spätere Generationen profitieren werden. Was würden unsere Enkelinnen und Enkel sagen, wenn wir die Abkehr von fossilen Energieträgern nicht mit allen Mitteln vorantreiben würden?

Das gleiche gilt für den Ausbau des Straßenbahnnetzes und der Rad- und Fußwege. Das Rückgrat der Verkehrswende hier vor Ort ist ein funktionierendes und ausreichend ausdifferenziertes ÖPNV-System. Wir können und wollen den Ausbau nicht stoppen, das hat für die grüne Fraktion absolute Priorität.

Und auch auf Investitionen in den Bau preiswerter Wohnungen, die ressourcenschonend und klimagerecht errichtet werden sollen, können wir angesichts der verzweifelten Lage auf dem Wohnungsmarkt trotz der schwierige Rahmenbedingungen nicht verzichten. Das betrifft viele Familien mit schmalem Geldbeutel, alleinerziehende Elternteile und wohnungslose Menschen genauso wie den Wohnungsbedarfs für Pflege- sowie Rettungs- und Sicherheitskräfte. Was würden unsere Enkelinnen und Enkel in 20 Jahren sagen, wenn wir jetzt nicht alles versuchen würden, um hier zu investieren. Dabei bleibe ich dabei, dass es nicht Aufgabe der Stadtbau sein kann, noch mehr Wohnungen als bisher als Eigentumswohnungen zu errichten, um damit ihren sozialen Auftrag zu finanzieren. Den sozialen Auftrag hat nicht nur die Gesellschaft, den hat die Stadt, den haben wir alle, auch wenn dies zulasten anderer Aufgaben geht.

Denn machen wir uns nichts vor, diese Prioritätensetzung wird den Spielraum zukünftiger Haushalte verringern. Trotzdem plädiere ich dafür, bei diesen Zukunftsaufgaben nicht nachzulassen.  Und natürlich wachsen dadurch die Schulden im Gesamtkonzern Stadt. Vor die Wahl gestellt, ist es aber sinnvoll, das Geld auszugeben, gerade weil es sich um notwendige Investitionen in die Zukunft handelt, die auch zukünftigen Generationen zugutekommen. Und schließlich stehen den aufgenommenen Verbindlichkeiten in den meisten Fällen Sachwerte gegenüber, die für die Entwicklung der Stadt von größter Wichtigkeit sind.

Eigentlich sind wir uns in diesem Hause auch darüber einig. Aber außer dem Vorschlag der CDU, die Stadtbau rentabler zu machen, in dem mehr Eigentumswohnung für vermögendere Menschen gebaut werden, – was ich nicht unterstütze – sehe ich keine konkreten Alternativvorschläge. Bislang hat niemand vorgeschlagen, etwa ein Hallenbad zu schließen oder das Augustinermuseum als Torso zu belassen. Im Gegenteil: besonders bizarr ist doch, dass genau die Fraktionen, die hier wortreich vor einer weiteren Verschuldung der Stadt und ihrer Gesellschaften warnen, gleichzeitig überhaupt nichts dabei finden, im Zeitalter des Klimawandels für Dutzende Millionen Euro eine Eishalle zu bauen. Meine Damen und Herren, so ernst können Ihre Spar-Appelle dann wohl doch nicht gemeint sein!

Zum Schluss noch ein paar Worte zur Nachhaltigkeitsberichterstattung der städtischen Beteiligungen. Der EU-Kommission und dem Europaparlament ist es offenbar ernst damit, dass in Zukunft die Nachhaltigkeitsberichterstattung der Berichterstattung über die ökonomischen Verhältnisse von großen Kapitalgesellschaften gleichgestellt wird. Das wird die Anforderungen an die Berichterstattung der städtischen Beteiligungen doch noch sehr verstärken. Ich finde es angesichts dieser Belastungen zunächst mal sehr gut, dass sich die Beteiligungen der Stadt Freiburg auch dann dieser strengen Berichterstattung unterziehen wollen, sollte es eine gesetzliche Befreiung für solche Unternehmungen geben, die nicht groß im Sinne des HGB sind, sondern lediglich aufgrund ihrer Organisation wie große Handelsgesellschaften behandelt werden. Ausgezeichnet ist, dass die Überprüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung alljährlich ebenfalls Aufgabe der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften werden soll. Denn wenn man sich hier im Anhang der Vorlage die Berichterstattung der Gesellschaft noch nach den jetzt gültigen Standards betrachtet, tut sich ein völlig neues und sehr differenziertes Feld auf. Letztendlich halte ich den Gemeinderat für überfordert, sich neben seinen anderen Aufgaben vertieft mit diesen nicht-monetären Berichten auseinanderzusetzen. Auch bei den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wird man dafür massiv Know-how aufbauen müssen. Dabei bezieht sich die Nachhaltigkeitsberichterstattung zwar in wichtigen Teilen auf Umwelt- und Klima-Auswirkungen der unternehmerischen Tätigkeiten, jedoch auch auf andere Bereiche wie etwa die soziale und personelle Nachhaltigkeit. Wie bereits im Hauptausschuss erwähnt, sollte der Gemeinderat ein Hauptaugenmerk auf die Vergleichbarkeit der Berichterstattung richten, sowie sich im Falle der Klimaauswirkungen kritisch mit Maßnahmen auseinandersetzen, die vielleicht tatsächlich nicht vermeidbaren Klimaausstoß kompensieren sollen. Auf jeden Fall können wir gespannt sein, ob diese nicht-monetäre Berichterstattung nur ein überregulierter Papiertiger bleibt oder sich zu einem echten Steuerungsinstrument entwickelt.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.