Klarer Auftrag für den Gewaltschutz

In seiner Rede im Gemeinderat hat Hannes Wagner deutlich gemacht, wie sehr Frauen auch in Freiburg von häuslicher Gewalt bzw. Partnerschaftsgewalt betroffen sind. Es ist daher nötig, die bestehenden Strukturen und Beratungsstellen weiter auszubauen und konkrete Maßnahmen zum Schutz von Frauen und Kindern sowie für die Täter*innenarbeit im nächsten Doppelhaushalt festzulegen. Die Grundlage hierfür wurde mit der vorliegenden Drucksache und dem Änderungsantrag heute gelegt.

Rede von Stadtrat Hannes Wagner zu TOP 7 der Gemeinderatssitzung vom 27.02.2024: „Istanbul-Konvention / Gewaltschutzkonzept“ (G-23/157)

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

Liebe Kolleg*innen,

Sehr geehrte Damen und Herren,

Gewalt gegen Frauen ist leider allgegenwärtig und alltäglich. Die jüngste Polizeistatistik für den Stadtkreis Freiburg im Jahr 2022 zeigt erneut einen Anstieg der erfassten Fälle im Bereich der häuslichen Gewalt bzw. Partnerschaftsgewalt im Vergleich zum Vorjahr. Die tatsächlichen Fälle bildet diese Statistik dabei längst nicht ab. Denn die meisten Fälle werden gar nicht angezeigt, die Dunkelziffer in diesem Bereich ist immer noch sehr hoch. Und so sind in Freiburg nicht nur die offiziell erfassten Fälle gestiegen, auch verschiedene Beratungszentren weisen weiterhin deutlich höhere Zahlen auf als vor der Pandemie.

Im Jahr 2022 suchten 352 Frauen die Fachberatungsstelle Frauenhorizonte auf, bei über der Hälfte der Fälle ging es dabei um versuchte oder erlebte Vergewaltigung. Das ist jeden zweiten Tag eine Frau – nur in Freiburg.

Wobei auch diese Zahlen wiederum längst nicht alle Fälle abbilden.

Eine Sache, die wir uns dabei immer wieder Vergegenwärtigen müssen: Gewalt gegen Frauen ist kein Problem, das nur bestimmte gesellschaftliche Gruppen oder Schichten betrifft. Gewalt gegen Frauen ist zwar immer noch häufig im Dunkelfeld aber trotzdem mitten unter uns. Der Kampf dagegen geht deswegen uns alle an.

Das muss für uns klarer Auftrag sein, weitere Maßnahmen zu ergreifen. Der Beteiligungsprozess und die daraus entstandene Drucksache liefern dafür eine gute Grundlage und zeigen auf, wie breit das Themenfeld ist, und an wie vielen Stellen man ansetzen kann und muss.

Stadtrat Hannes Wagner (Bild: Britt Schilling)

Dafür vielen Dank an Frau Burkhardt stellvertretend für alle Beteiligten aus der Verwaltung. Aber auch einen herzlichen Dank an die unglaublich vielen weiteren Mitwirkenden: Akteure aus den Fachstellen wie Frauenhorizonte und Friga, der Polizei, Justiz und Zivilgesellschaft. Den Vereinen, der Universität und vielen weiteren Institutionen.

Die hohe Expertise, die an der Erarbeitung beteiligt war, zeigt sich auch an den vielen konkreten Maßnahmenvorschlägen. Dass diese der Drucksache nicht direkt angehängt waren, hat zu einer Extrarunde geführt, die wir uns ehrlich gesagt, hätten sparen können.

Sind doch gerade diese Maßnahmen für uns besonders wichtig: denn gute Konzepte entfalten nur dann ihre Wirkung, wenn sie Grundlage sind, um in die Umsetzung zu kommen. Die Täter*innenarbeit, Prävention in Kitas und Quartieren oder personell besser ausgestattete Frauenberatungszentren sind nur einige wenige Beispiele.

Wir haben genau diese Bedarfe schon im letzten Doppelhaushalt gesehen und deshalb unter anderem mehreren Beratungszentren, dem Bezirksverein für Soziale Rechtspflege (für die Täter*innenarbeit) und den Frauenhäusern mehr Mittel zur Verfügung gestellt. Uns ist es wichtig, hier weiter anzuknüpfen. Deswegen haben wir heute einen Ergänzungsantrag gestellt. Zwei Punkte sind für uns dabei besonders zentral:

1. Dass wir direkt in die Umsetzung gehen. Möglich ist das beim Projekt STOP in Weingarten. Hier gibt es nicht nur relativ viele Polizeieinsätze im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt. Sondern vor allem sind mit dem Nachbarschaftswerk und dem Forum Weingarten aktive Akteure in der Gemeinwesenarbeit vorhanden, an die das Projekt schnell andocken kann und so zu einem Vorbild für andere Stadtteile werden kann.

2. Dass mit den Berichten immer auch konkrete Aufträge und die Umsetzung von Maßnahmen verbunden sind. Um sich in einem so großen Feld wie dem des Gewaltschutzes nicht zu verlieren, erscheint es uns daher sinnvoll in den verschiedenen Berichtszeiträumen verschiedene Maßnahmenschwerpunkte zu setzen. Der Aktionsplan Inklusion zeigt, wie das gut gelingen kann.

Bis Herbst erwarten wir uns dann eine konkrete Kostenplanung der einzelnen Projekte, um für den nächsten Doppelhaushalt eine fundierte Grundlage zu haben.

Wenn ich von den einzelnen Projekten rede, schließt das die Täter*innenarbeit, die Präventionsarbeit in den Quartieren und Kitas genauso mit ein, wie die Frauenhäuser. Deswegen stimmen wir heute dem Antrag von JUPI nicht zu. Nicht aus inhaltlichen Bedenken – im letzten Haushalt haben wir der Stärkung der Frauenhäuser zugestimmt – sondern weil mit dem Antrag aus unserer Sicht eine Debatte vorgezogen wird, die der nächste Gemeinderat im Rahmen des nächsten Doppelhaushaltes führen muss – und dessen Grundlage mit der von uns geforderten haushaltsrelevanten Drucksache für alle Projekte geliefert wird.

Zum Abschluss möchte ich nochmal allen bisherigen Beteiligten herzlich danken, die einen guten Grundstein gelegt haben, um der Umsetzung der Istanbul-Konvention in Freiburg einen Schritt näher zu kommen.