Bericht aus dem Gemeinderat

Ich bin Luis, 22 Jahre alt und studiere hier in Freiburg an der Uni. Momentan mache ich ein Praktikum bei der Stadtratsfraktion der Grünen. Dazu gehört, sich in die aktuellen Themen einzuarbeiten und die Sitzungen zu besuchen. Am Dienstag, den 27.02. war wieder Gemeinderatssitzung und ich habe einen Bericht geschrieben, um euch auf dem Laufenden zu halten.

Als ich ankomme, ist die Besuchertribüne im Ratssaal bereits gut gefüllt, nur wenige Plätze sind noch frei. Oberbürgermeister Horn hat bereits mit seiner Eröffnungsrede begonnen, er bedankt sich unter anderem für den reibungslosen Ablauf am Vormittag, als der Bundeskanzler für den Spatenstich in Dietenbach zu Gast in Freiburg war. Anschließend wird über die Punkte abgestimmt, bei denen es keinen Diskussionsbedarf gibt. Das ist entweder bei Themen der Fall, die bereits in einem Ausschuss diskutiert wurden, oder bei Punkten, für die keine Fraktion oder Gruppe im Vorfeld Redebedarf angemeldet hat.

Dann geht es schon gleich zur Sache mit dem größten Tagesordnungspunkt: Der Abstimmung über den Satzungsentwurf für den Bebauungsplan vom ersten Quartier von Dietenbach. Kurze Info zum Bebauungsplanverfahren: Damit die Stadt die städtische Entwicklung kontrollieren kann, beschließt der Gemeinderat Bebauungspläne. Diese entstehen in Zusammenarbeit mit der Öffentlichkeit und aller Behörden, jeder kann also seine Meinung dazugeben. Selbstverständlich hat auch der Gemeinderat einen großen Einfluss darauf, er muss die Pläne ja beschließen und kann so die politisch gewollte Richtung beeinflussen. Der Bebauungsplan enthält immer auch eine Satzung, die besteht aus den konkreten Vorschriften, wie gebaut werden darf und wird dann geltendes Recht, da müssen sich also alle dran halten.

Im Gemeinderat wird zunächst ein neuer Imagefilm der Stadt gezeigt, der euphorisch auf den modernen Stadtteil einstimmt. Anschließend reden alle Fraktionen dazu: Zuerst Sophie Schwer von den Grünen, die die vielfältigen Beteiligungsprozesse lobt, die in die Planung eingeflossen sind. Jörg Dengler (ebenfalls Grüne) kritisiert den Protest gegen die Waldabholzung, der anders als z. B. der Protest beim Hambacher Forst nicht dem Klimaschutz dient, sondern ihm im Weg steht. Schließlich ist Dietenbach fortschrittlich und nachhaltig geplant mit erneuerbaren Energien, möglichst wenig Flächenverdichtung, großen Grünflächen, energieeffizienten Gebäuden und umweltfreundlichen Baustoffen. Der Wohnraum wird dringend gebraucht und das ist die einzig mögliche Fläche – würde man die Wohnungen auf die Stadt verteilen, wäre eine derart effiziente Planung nicht möglich und die Wohngebäude würden viel mehr CO2 emittieren. Der CO2 Ausstoß, der so durch Dietenbach verhindert wird, ist viel größer als das CO2, das die Bäume binden können. Dengler ruft die Aktivist*innen daher dazu auf, ihren Aktivismus sinnvoller einzusetzen. Die Bäume machen Platz für eine viel größere Klimaschutzmaßnahme, nämlich sozialen, nachhaltigen, und umweltfreundlichen Wohnraum, dessen Schaffung ohne die Fläche nicht möglich wäre.

Auch die anderen Fraktionen reden zu Dietenbach. Reyers (ESfa) kritisiert die Ampel und fordert mehr Unterstützung für den sozialen Wohnungsbau, insbesondere Azubi- und Seniorenwohnheime. Krögner (SPD/Kultur) findet es gut, dass OB Horn ankündigt, die 50 % Quote für geförderte Wohnungen einzuhalten und lobt die verdichtete und nachhaltige Bauweise. Jenkner (CDU) betont, wie viel Kraft und Arbeit darin steckt und bedankt sich bei der AG Dietenbach. Waldenspuhl (JUPI) betont nochmal, dass bereits 2040 mehr CO2 im Vergleich zu herkömmlichen Bauvorhaben eingespart sein wird, als der Bau selbst ausstößt. Andererseits kritisiert er auch, dass bei der Fertigstellung 2038 die Situation sich nicht verbessert haben wird, da relativ gesehen genauso viele Wohnungen fehlen werden. Deshalb muss die Gemeinde neben Dietenbach noch anderen Wohnraum schaffen. Gröger (FW) andererseits hat mehr zu kritisieren als zu loben, er findet die Erbpachtvergabe und den Ausstieg der Sparkasse einen Fehler und redet die generelle Lage im Bund schlecht. Außerdem bemängelt er die „Verprellung der Baugesellschaften“. Auch Winkler (FL) hat nichts Gutes über den Stadtteil zu sagen, er hält ihn für ein ökologisches und finanzielles Desaster. Zumindest sein Punkt mit der Ökologie ist nicht haltbar. Dietenbach ist die bestmögliche Umsetzung, diese Menge an Wohnraum zu schaffen und diese Menge wird dringendst gebraucht. Auch OB Horn geht auf die Kritik ein und fragt mehrmals: „Was ist denn die Alternative?“. Da hat er nicht unrecht, die Alternative wäre, gar nicht oder schlecht zu bauen. Nur weil ein paar Bäume gefällt werden müssen, ist es noch keine ökologische Katastrophe, wenn man das behauptet, ist man absolut nicht in der Lage über den Tellerrand zu blicken.

Als nächstes geht es um den Bürger*innenantrag der Initiative „Freiburg 5G-frei“. Das Aktionsbündnis hatte die erforderlichen 2500 Unterschriften gesammelt, um ihren Antrag auf die Tagesordnung zu setzen. Sie fordern den Ausbaustopp von 5G-Sendemasten, die Einrichtung von Schutzzonen und eine Beratungs- und Meldestelle für Mobilfunknebenfolgen. Die Stadt soll außerdem gewährleisten, dass die Strahlung nicht bis in die privaten Wohnhäuser dringt. Drei Vertreter des Bündnisses bekommen insgesamt 15 Minuten Redezeit, danach gibt es noch Reden der Stadträt*innen. Um Zeit zu sparen, haben sich die großen Fraktionen geeinigt, dass Sascha Fiek (FDP/BfF) für alle spricht. Er lobt das Engagement und die Möglichkeit des Bürger*innenantrags. Er sagt aber auch, dass ihre Argumente wissenschaftlich nicht haltbar sind und es ungleich viel mehr Forschung gibt, die Mobilfunk für harmlos hält, als die von der Initiative angeführten Quellen. Er beruft sich dabei auch auf das Bundesamt für Strahlenschutz.

So langsam wird mir auch klar, wieso die Besuchertribüne so gut gefüllt ist. Ich befinde mich mitten in einer Menge von 5G-Gegner*innen. Ein Wunder, dass mich noch niemand gebeten hat, den Laptop auszuschalten 😀 Sie applaudieren teilweise bei den Wortbeiträgen ihrer Vertreter und werden dafür durch den Oberbürgermeister ermahnt. Als die Stadträtin Kessl (JUPI) beginnt, eine satirische und respektlose Rede zu halten, in der sie sich über die Initiative lustig macht, erntet sie so lange aufgebrachte Buhrufe von meinen Sitznachbar*innen, bis OB Horn die Gäste zur Stille ermahnt. Zur Info: Besucher*innen dürfen weder Zustimmung noch Ablehnung ausdrücken, da der Meinungsbildungsprozess im Gemeinderat frei von Beeinflussung oder Druck sein soll. Gilt auch für die Parlamente auf Landes- und Bundesebene.

Der OB muss erneut mehrmals ermahnen, letzten Endes halten sich die allermeisten dann daran. Die Rede von Kessl empfinde ich als unangebracht. Auch wenn die meisten sich vermutlich hier und da über die 5G-Gegner lustig machen – ein legitimes, in einem demokratischen Verfahren geäußertes Anliegen sollte man nicht so verspotten. Der einzige Stadtrat, der eine abweichende Meinung von den anderen hat, ist Winkler (FL). Er macht klar, dass er die Strahlenbelastung für Tiere für viel schlimmer hält als für den Menschen und kündigt an, aus Protest für den Antrag zu stimmen.

Anschließend geht es unter Tagesordnungspunkt 7 um die Istanbulkonvention und das in einem Beteiligungsprozess ausgearbeitete Gewaltschutzkonzept mit weitgefassten Maßnahmen. Hannes Wagner von den Grünen betont die steigenden Zahlen von Gewalt gegen Frauen und verweist auf den eigenen Ergänzungsantrag zur Sitzung, der die Verwaltung beauftragt, im Herbst einen konkreten Rahmenplan mit konkreten Maßnahmen vorzulegen und eine Drucksache, aus der die Kosten für den nächsten Haushalt ersichtlich werden. Außerdem soll die Finanzierung des Präventionskonzepts STOP in Weingarten weiter gesichert werden. Auch die mitzeichnenden Fraktionen ESfa, SPD/Kulturliste und JUPI betonen die Notwendigkeit und Dringlichkeit. Der Antrag wird übernommen.

Eine längere Debatte gibt es noch zum interfraktionellen Antrag, der die Anstellung von Stadträt*innen als Fraktionsmitarbeiter*in verbieten wollte. Die Stadt hatte das rechtlich prüfen lassen und hält ein Verbot aus mehreren Gründen für gesetzeswidrig, allen voran dem Grundrecht auf Berufsfreiheit. Gröger (FW) kritisiert die mitunterzeichnenden Fraktionen jetzt dafür, dass sie nicht mehr dafür stimmen wollen, und bezeichnet das als „einknicken“. Die Leiterin des Rechtsamtes widerspricht, so auch Jenkner (CDU), sie sagt man folge der Rechtseinschätzung. Einige Stadträt*innen mahnen an, dass es trotzdem ein Wettbewerbsvorteil sein könne, und man Lösungen finden müsse, den Arbeitsaufwand für das Ehrenamt zu reduzieren. Schließlich muss man sich ja vernünftig einarbeiten, um über Themen entscheiden zu können, neben einer (Vollzeit)Berufstätigkeit wird das sehr zeitintensiv. Der Antrag wird schließlich abgelehnt. Eine Selbstverpflichtung des Gemeinderats wurde ebenfalls abgelehnt, wobei das Ergebnis mit 18 zu 17 Stimmen hier wesentlich knapper ausfiel. Allerdings verständigte sich der Gemeinderat darauf, nach der Wahl eine Klausur durchzuführen, in der die Reduzierung des Arbeitsaufwandes besprochen wird.

Danach ist die Sitzung im Großen und Ganzen vorbei. Die 5G-Gegner*innen sind schon lange alle weg, verblieben sind nur ein paar wenige interessierte Zuhörer*innen und ich. Wir müssen die Tribüne dann ebenfalls verlassen, als der nicht-öffentliche Teil der Sitzung beginnt.