Rede

„Wichtiger Schritt zur Bildungsgerechtigkeit“

Rede von Stadträtin Vanessa Carboni zu TOP 15/16 der Gemeinderatssitzung am 14.5.2024: Einrichtung eines Ganztagsbetriebs in gebundener Form an der Johannes-Schwartz-Schule/Adolf-Reichwein-Bildungshaus

Mit der Johannes-Schwartz-Schule und dem Adolf-Reichwein-Bildungshaus machen sich zwei Schulen in Freiburg auf den Weg zur gebundenen Ganztagsschule. In ihrer Rede betont Stadträtin Vanessa Carboni die bildungspolitischen Vorteile dieser Schulform.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Bildungsbürgermeisterin Buchheit,
liebe Kolleg*innen,
liebe Gäste,

die Ifo-Studie (ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung) von gestern hat wieder einmal die erschreckende Realität unserer Bildungslandschaft in Deutschland aufgezeigt. Die Bildungschancen hängen stark vom Elternhaus und vom Bundesland ab, in dem Kinder aufwachsen.
Die Studie hat klar gezeigt, dass neben der gezielten Unterstützung von Eltern und Schulen sowie frühkindliche Förderung auch ganz besonders der Ganztag, dazu beitragen könnte, die Chancenungleichheit zu verringern.

Der Ausbau von Ganztagsschulen ist dabei ein wichtiger Schritt. Im Bundesdurchschnitt haben wir eine Quote von 71% Ganztag – und in Freiburg? – Auch wenn wir uns hier auf einem guten Weg befinden, stehen wir im Vergleich noch sehr am Anfang. Bei nur 15 %! Es ist an der Zeit, dass wir weiter voranschreiten und sicherstellen, dass jedes Kind Zugang zu einer hochwertigen Bildung und Betreuung hat. Daher werden wir den Drucksachen zustimmen!

Die geplanten Erweiterungen und Umstellungen an den Schulen unserer Stadt markieren wichtige Schritte hin zu einer gerechteren Bildungslandschaft. Die Einführung des gebundenen Ganztags an Schulen wie der Johannes-Schwartz-Schule und dem Adolf-Reichwein-Bildungshaus ist nicht nur eine Anpassung an gesetzliche Vorgaben, sondern auch eine Chance für eine ganzheitliche Bildung und eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Und ja – es gibt sicherlich auch Herausforderungen und Bedenken, die mit dem Ausbau von Ganztagsschulen einhergehen. Besonders die weggefallende Flexibilität des Abholens wird für manche Eltern unerfreulich sein – aber auch für sie hat es viele Vorteile – und einen ganz entscheidenden: Mehr Quality Time für die Familie – denn die „Hausaufgaben“ werden schon in der Schule erledigt! Und auch für die Kinder gibt es mehr Qualität. Denn dank einheitlicher Abholzeiten der Kinder sind echte Teamarbeit, ein vielfältiges Bildungsangebot, aller Berufsgruppen über den Tag verteilt möglich! Dies sorgt im gebundenen Ganztag für Gemeischaft UND Qualität!

Ich möchte neben dem Qualitätsargument besonders drei weitere große Vorteile hervorheben:

  1. Eine Frage der ganzheitlichen Entwicklung: Gute Ganztagsschulen sind nicht nur Orte des Lernens, sondern auch der Begegnung und des Wachstums. Sie fördern eine Lehr- und Lernkultur, die sich an den individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten jedes Kindes orientiert. Durch ein breites Angebot an Aktivitäten haben Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, ihre Talente zu entdecken und zu entfalten. Der Übergang vom Klassenzimmer zur Lernlandschaft ist ein wichtiger Schritt. In Ganztagsschulen lernen Kinder und Jugendliche nicht nur voneinander, sondern auch miteinander. Erfahrene Pädagoginnen und Pädagogen sowie außerschulische Kooperationspartner stehen an ihrer Seite, um sie auf ihrem Bildungsweg zu begleiten. Eine kindgerechte Rhythmisierung und eine intensivere Zusammenarbeit mit externen Kooperationspartnern und dem Sozialraum schafft eine Bildungslandschaft, die die individuelle Entwicklung der Kinder bestmöglich fördert.
  2. Eine Frage des pädagogischen Handlungsspielraumes: Für Lehrerinnen und Lehrer bedeutet die Arbeit in einer (gebundenen) Ganztagsschule eine neue Rolle. Sie sind nicht nur Wissensvermittler*innen, sondern auch Lernbegleiter*innen. Durch die enge Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams über den Tag verteilt, eröffnen sich neue Möglichkeiten der Unterrichtsgestaltung und der individuellen Förderung. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der frühzeitigen Erkennung und Unterstützung von Schülerinnen und Schülern mit Lernschwierigkeiten. Durch eine integrative Gestaltung des Schulalltags werden individuelle Fördermaßnahmen ermöglicht, die den Bildungserfolg jedes Kindes steigern.
  3. Eine Frage der Gerechtigkeit: Doch der Ausbau von Ganztagsschulen ist nicht nur eine Frage der Bildung, sondern auch der Chancen- und Bildungsgerechtigkeit. Durch gebundene und offene Ganztagsschulen sollen nicht nur Bildungschancen verbessert, sondern auch soziale Unterschiede ausgeglichen werden. Denn gerade Weingarten und auch Lehen – sind Stadtteile mit unterschiedlichen Familien. Es gibt vergleichsweise mehr Eltern, die sich nicht ausreichend um die Erziehung und Bildung ihrer Kinder kümmern können – aus unterschiedlichen Hintergründen, die auch ihre Berechtigung haben. Egal ob sie wegen intensiver Schichtarbeit kaum zu Hause sein können oder ob sie sprachliche oder inhaltliche Hürden haben.  Egal ob bei der Unterstützung bei den Hausaufgaben oder bei musikalischer oder sportlicher Erziehung. Im gebundenen Ganztag stehen Sport, Musik, Kunst ALLEN Kindern im Schulalltag offen und tragen nicht nur zur persönlichen Entwicklung bei, sondern fördern auch die Gemeinschaft und den sozialen Zusammenhalt.  Ich bin fest davon überzeugt, dass es unsere politische Pflicht ist, genau und insbesondere diese Kinder in den Fokus zu nehmen, um sie langfristig zu unterstützen, um sie nicht zu verlieren und um am Ende echte Chancengleichheit gewährleisten zu können.

Daher kann ich abschließend nur sagen: Lassen Sie uns gemeinsam dafür einstehen, dass jedes Kind die bestmögliche Bildung erhält und sein volles Potenzial entfalten kann. Lasst uns die Einführung gebundener Ganztagsschulen als einen wichtigen Schritt auf diesem Weg betrachten. Denn Kein Kind darf verloren gehen!

Vielen Dank!

von Stadträtin Vanessa Carboni Gemeinderatssitzung vom 14.5.2024