FAQ

FAQ: Dietenbach & Natur

Seit über einem Jahrzehnt wird ein neuer Stadtteil für Freiburg geplant und seither von kontroversen Diskussionen begleitet. So gab es 2019 einen Bürgerentscheid, bei dem sich eine deutliche Mehrheit für den Bau des neuen Stadtteils Dietenbach ausgesprochen hat. Seither steht immer wieder das Langmattenwäldchen im Fokus. Klar ist: der Bau eines neuen Stadtteils hat Auswirkungen auf die Natur. In dieser FAQ erläutern wir, um was es geht und wie wir mit dem Konflikt „Wohnbebauung vs. Naturschutz“ umgehen.

Wieso überhaupt Dietenbach?

Seit Jahren ist die Frage nach bezahlbarem Wohnraum die drängendste soziale Frage. Eine Wohnraumbedarfsprognose kam schon vor mehreren Jahren zum Ergebnis, dass Freiburg bis zum Jahre 2030 perspektivisch knapp 15.000 neue Wohnungen braucht. Dies wurde durch die 2022 vorgelegte umfangreiche Wohnungsmarktanalyse & Wohnungsbedarfsprognose bestätigt, wie Maria Viethen in ihrer Rede ausführte: „Schon heute gibt es danach einen Nachholbedarf von etwa 4.000 Wohnungen. Bezüglich des Neubaubedarfes wurden zwei verschiedene Szenarien entwickelt. Bei einer geringen Bevölkerungsentwicklung von 2,5 % werden bis 2040 14.350 Wohneinheiten benötigt, bei einer angenommenen stärkeren Bevölkerungsentwicklung von 8,5 % sollen es bis zu 21.030 Wohneinheiten sein. Ein derart hoher Bedarf ist selbst bei größter Anstrengung mit innerstädtischen Entwicklungsmaßnahmen nicht zu decken.“ Dabei fehlen insbesondere Wohnungen im unteren Preissegment und für Familien. Die Folge: Preise und Mieten steigen, es kommt zu einer schleichenden Gentrifizierung: viele Menschen können sich Wohnen in Freiburg nicht mehr leisten.

Vor diesem Hintergrund wurde vor einem Jahrzehnt begonnen, nach einer Fläche für einen neuen Stadtteil zu suchen – nach intensiven Prüfungen blieb als einzig realisierbare Fläche Dietenbach übrig. 2019 sprachen sich die Freiburger*innen bei einem Bürgerentscheid deutlich für den neuen Stadtteil aus. Seither haben die Planungen durch die Stadtverwaltung an Fahrt aufgenommen (insbesondere durch den Rahmenplan) und werden durch eine gemeinderätliche Arbeitsgruppe intensiv und kritisch begleitet. In den nächsten zwei Jahrzehnten entsteht nun ein klimaneutraler Stadtteil mit ca. 6.900 Wohnungen für etwa 16.000 Menschen.

Gibt es keine Alternative, z.B. mehr Innenentwicklung?

Mit Blick auf den Flächenverbrauch ist es unbedingt notwendig Flächen effizienter zu nutzen, beispielsweise durch Nachverdichtung, Aufstockungen oder Dachausbauten. Auf Initiative unserer Fraktion hatte die Stadt 2018 erfolgreich einen Förderantrag für eine Potenzialanalyse zur Aktivierung bislang ungenutzter Dachgeschosse und von Dachaufstockungen gestellt, deren Ergebnisse im Jahr 2020 vorlagen: „Heraus kommt ein Potenzial von ca. 1.800 bis 3.200 neuer Wohneinheiten, bei einer jährlichen Sanierungsquote von 3% würde das ca. 50-90 neuen Wohneinheiten pro Jahr entsprechen. Das ist nicht nichts, aber bei weitem nicht genug, um den Bedarf in Freiburg zu decken. Zumal ein Potenzial nicht bedeutet, dass die EigentümerInnen auch wirklich ausbauen wollen bzw. können. Der reale Zubau an Wohnungen durch Aus- und Aufbau dürfte also deutlich darunter liegen.“ Darüber hinaus hat die Nachverdichtung im Rahmen von Innenentwicklung auch ihre Grenzen: Grünflächen und Freiräume geraten unter Druck, soziale Infrastruktur wie Kitas und Schulen sind nicht auf deutlich mehr Bewohner*innen ausgelegt. 

Auch viele weitere Instrumente für Entspannung auf dem Wohnungsmarkt – vom Mietspiegel über Erhaltungssatzungen bis hin zum Verbot von Zweckentfremdung – werden genutzt. Die Lage auf dem Wohnungsmarkt und die Wohnraumbedarfsprognosen zeigen aber, dass diese Instrumente zwar wichtige Bestandteile der städtischen Wohnungspolitik sind, aber alleine nicht ausreichen. Sie sind eine Ergänzung und keine Alternative zu Dietenbach.

Wie passt der Bau eines neuen Stadtteils zusammen mit dem Klima- und Artenschutz?

Für uns Grüne ist der Klima- und Artenschutz eines der wichtigsten Themen. So wurden auf unsere Initiative 2019 ein Klima- und Artenschutzmanifest verabschiedet und die finanziellen Mittel für Klimaschutz im Haushalt deutlich und nachhaltig erhöht. Vor diesem Hintergrund ist für uns klar, dass der Bau eines neuen Stadtteils mit den verbundenen Eingriffen in die Natur nur zu rechtfertigen ist, wenn die Themen Klima- und Artenschutz umfassend berücksichtigt werden. Daher setzen wir uns seit Jahren intensiv dafür ein, dass Dietenbach ein Öko-Plus-Stadtteil werden soll: In einem Positionspapier 2018 haben wir Dietenbach 100% – ökologisch & sozial gefordert. Diese Forderungen sind mittlerweile Beschlusslage: beispielsweise die klimaneutrale Energie- und Wärmeversorgung, das ambitionierte Verkehrskonzept, die von uns angestoßene Berücksichtigung des Themas Graue Energie mit einer Stärkung des Holzbaus und 50% geförderter sozialer Wohnungsbau.

Die Alternative zu Dietenbach wäre eine weitere Zersiedelung im Umland, die insbesondere mit Blick auf den Klima- und Artenschutz schlechter wäre: höhere Flächeninanspruchnahme (weil dort in der Regel deutlich weniger dicht gebaut wird), zusätzlicher Verkehr (keine Straßenbahn, schlechtere Radweginfrastruktur, oftmals keine fußläufige Erreichbarkeit von Geschäften und Einrichtungen) und geringere ökologische Standards.

Darüber hinaus werden die Belange des Klima- und Artenschutzes während der gesamten Planungs- und Bauphase intensiv berücksichtigt, so beispielsweise die stadtklimatischen Auswirkungen: Die zwei ausgedehnten Parkanlagen dienen als Frischluftschneisen; viele Bäume, Vorgärten, grüne Innenhöfe und Grünflächen vermindern den Wärmeinseleffekt einer kompakten Bebauung und das Sport- und Freiraumband sorgt für eine wirksame Klimaschneise zum Rieselfeld hin. So kommt das 2019 veröffentlichte Gutachten „Neuer Stadtteil Dietenbach – Klimasimulation und Planungshinweise zur Klimaadaption“ zu folgendem Ergebnis: „Insgesamt betrachtet ist die Lage des neuen Stadtteils Dietenbach im Kontext des Freiburger Stadtklimas und unter der Fragestellung Klimaanpassung und Klimaschutz als unbedenklich zu bewerten. Vor allem die verdichteten Stadträume der Innenstadt werden nicht weiter belastet, und auch die direkt angrenzenden Nachbarschaften werden keine klimatischen Nachteile erfahren.“ Auch bei den einzelnen Bebauungsplänen und Wettbewerben wird die Klimaanpassung eine gewichtige Rolle spielen.

Welche Eingriffe in die Natur bedeutet Dietenbach und wie wird damit umgegangen?

Jedes neue Wohngebiet bedeutet weitere Flächenversiegelung, bedeutet Auswirkungen für Flora und Fauna – und schmerzt damit zu Recht nicht nur Umwelt- und Naturschutzgruppen, sondern auch uns Grüne. Wie oben dargestellt ist der Stadtteil Dietenbach aus unserer Sicht aber wohnungs- und sozialpolitisch notwendig und im Vergleich zu Baugebieten im Umland mit zwei- bis vierfachem Flächenverbrauch auch klima- und naturschutzpolitisch vertretbar. Und selbstverständlich wurde auch überprüft, ob es auf Freiburger Gemarkung nicht besser geeignete Flächen geben könnte: „Das Gebiet, auf dem der neue Stadtteil Dietenbach errichtet werden soll, ist teilweise von hohem ökologischen Wert. Es gibt Waldflächen mit altem Baumbestand als Lebensraum für geschützte Vogel- und Fledermausarten, den naturnahen Gewässerlauf Dietenbach und geschützte Biotope. Die Verwaltung hat daher eine sog. strategische Umweltprüfung vorgenommen. Untersucht wurde nicht nur das Gebiet Dietenbach, sondern fünf weitere Alternativen auf der Gemarkung von Freiburg, nämlich die Gebiete „Nördlicher Mooswald“, „Südlicher Mooswald“, „Landwirtschaftsflächen östlich Ebnet“, „St. Georgen West“ sowie auch das Westliche Rieselfeld. (…) Die beauftragten Gutachter von Faktorgrün sowie Bosch & Partner kommen zu dem Ergebnis, dass von den untersuchten Alternativen das Gelände im Dietenbach mit Abstand die geringsten Eingriffe in umweltrelevante Schutzgüter verursachen wird, und dass eine Entwicklung des Stadtteils Dietenbach  nach heutigem Kenntnisstand umweltverträglich durchführbar ist.“

Unser Ziel ist es, dass die notwendigen Eingriffe in die Natur möglichst gering ausfallen und bestmöglich ausgeglichen werden.

Durch planerische Maßnahmen, Stadtteilparks und Besucherlenkungskonzepte soll verhindert werden, dass zu viele Menschen das Naturschutzgebiet Rieselfeld oder das FFH-Gebiet-Frohnholz aufsuchen. Die Gewässer im Dietenbach werden durch Gewässerausbau ökologisch aufgewertet. 

Wie viele Bäume werden für Dietenbach gefällt?

Natur- und Artenschutz rund um Dietenbach betrifft viele Flächen: beispielsweise die Dreisam, den Schildkrötenkopf für Kompensationsmaßnahmen und den Mundenhof. Im Fokus der öffentlichen Debatte stehen aber insbesondere die Bäume und das Langmattenwäldchen. 

Nach derzeitigem Stand bleiben 9 ha Waldfläche erhalten (Waldband zum Rieselfeld und Bestandsbäume auf dem Dietenbach-Gelände) und ca. 4-5 ha (entspricht 6-7 Fußballfeldern) müssen für den Stadtteil in Anspruch genommen werden. Grund dafür sind hauptsächlich die Verlängerung der Straßenbahn vom Rieselfeld, die Sportanlagen und die Gemeinschaftsschule. Der ökologisch wertvolle Kernbereich des Langmattenwäldchens bleibt dabei erhalten. 

Wie gesetzlich vorgeschrieben werden diese Flächen ersetzt. In Kombination mit weiteren Baumpflanzungen im neuen Stadtteil wird es in Summe mehr Bäume geben: Knapp 1 ha wird direkt im Plangebiet aufgeforstet, der Rest außerhalb. Im Dietenbach-Gebiet werden zusätzlich ca. 2.000 weitere Bäume auf der derzeit weitgehend baumlosen Fläche gepflanzt und es entstehen über 22 ha öffentliche Grün- und Freizeitflächen.  Im Erläuterungsbericht zum Städtebaulichen Rahmenplan vom November 2020 gibt es eine Übersichtskarte und weitere Informationen zur Waldinanspruchnahme (Kurzfassung, S. 13 & ausführliche Langfassung, S. 173).

Wieso kann die Planung nicht angepasst werden, so dass keine Bäume gefällt werden müssen?

Die Planung wird stets angepasst: so waren es im Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs noch ca. 2 ha mehr Wald, die in Anspruch genommen werden sollten. Insbesondere artenschutzrechtlich wichtige Bereiche konnten aus der Planung genommen werden und bleiben erhalten. Wir haben uns mehrfach dafür eingesetzt, dass möglichst viel Wald erhalten bleiben kann. So haben wir beispielsweise gefordert, dass die Anforderung, möglichst viel Wald zu erhalten, in die Wettbewerbe für die angrenzenden Bauten einfließen soll und dass der bestehende Waldstreifen durch Erhaltungs- und Aufforstungsmaßnahmen verbessert wird. Zum Rahmenplan Dietenbach haben wir einen Änderungsantrag unterstützt, der fordert, dass „das Langmattenwäldchen, aufgrund der klimatischen Bedeutung für die beiden Stadtteile neben dem Schulcampus und dem Sport- und Vereinsgelände in möglichst großem Umfang als funktionstüchtiger Wald erhalten werden soll.“ Dabei werden auch Kompromisse gemacht: so hätten Sportvereine nachvollziehbarer Weise gerne eine große Wettkampfeinrichtung (genormte 400m-Laufbahn, sogenannte Kampfbahn C), auf die verzichtet wird, um Waldfläche zu schonen.

Wir werden auch weiterhin darauf achten, dass möglichst viele Bäume erhalten werden können. Ein vollständiger Verzicht auf Baumfällungen ist hingegen nicht realistisch. Die Anbindung an die Straßenbahn gehört zu einem klimaneutralen Stadtteil dazu, daher ist es in der Abwägung sinnvoll, für die Straßenbahntrasse Bäume zu fällen. Darüberhinaus hat der begrüßenswerte Teilerhalt des Langmattenwäldchens zu einem Verlust von Nettobauland geführt. Auf den ersten Blick ist das kein großes Problem, der umfangreiche Rahmenplan zeigt aber, dass die Planung eines Stadtteils für über 16.000 Menschen ein sehr komplexes Unterfangen ist. Der derzeitige Stand beruht auf zehn Jahren intensiver Planung mit Expert*innen aus Stadtplanung, Umweltschutz und vielen weiteren Bereichen. Gebäude und Flächen können nicht beliebig auf dem Papier hin- und her geschoben werden, weil es Abstandsflächen und Verschattungsvorgaben eingehalten werden müssen und unter den Straßen Platz für Versorgungsleitungen sein muss. Eine weitere Reduktion des Nettobaulandes bedeutet vor allem Verzicht auf dringend nötigen Wohnraum in Freiburg.

Viele Detailforderungen – z.B. zur Verlegung der Erdgasleitung, eine andere Trasse für die Straßenbahn, etc. – werden von der Projektgruppe Dietenbach intensiv geprüft und in der Gemeinderätlichen Arbeitsgruppe ausführlich diskutiert. So gab es z.B. zur Frage der Straßenbahntrasse eine umfangreiche Variantenprüfung, in der anhand klarer Kriterien dargelegt wurde, warum die gewählte Trasse entlang des Bollerstaudenwegs die sinnvollste ist.